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# taz.de -- Kulturgeschichte der Mode: Der Nazis neue Kleider
> In einer Ausstellung in Augsburg ist zu sehen, wie der
> Nationalsozialismus die Mode prägte. Und was das mit Verbrechen zu tun
> hat.
Bild: Uniform und streng geschnittene Kostüme prägen bis heute das Bild von d…
Es fängt harmlos an mit verschiedenen Frauenkleidern. Etwa mit einem
lila-schwarz-karierten Kostüm. Die „fließende Form“ sei damals modern
gewesen, steht auf der Info-Tafel, dieser „Schrägschnitt mit einem
schlanken, natürlichen Körperideal“. Erste Hälfte der 1930er Jahre. „So
was in der Art hatte meine Mutter auch noch“, sagt eine ältere Besucherin
zu ihrer Begleitung.
„Glanz und Grauen – Mode im ‚Dritten Reich‘“ heißt die starke Ausste…
die nun in Augsburg zu sehen ist. Sie will zeigen, was die Menschen im
Nationalsozialismus getragen haben, zu welchen Anlässen, warum. Wie die
Nazis Kleidung für die Ideologie der „Volksgemeinschaft“
instrumentalisierten.
Dass es so harmlos mit den Fließende-Form-Kostümen beginnt, hat seinen
Sinn. Die 1920er Jahre mit ihrem Glamour wirkten in der NS-Zeit nach.
Schauspielerinnen wie Zarah Leander oder Marika Rökk begeisterten mit ihrem
ganzen überladenen Plunder; im Kino wurde eine glänzend eskapistische Welt
geschaffen.
Der Ausstellungskatalog zitiert Adolf Hitler: Die Mode sei „ein Feld, das
den Frauen gehöre und das man ihnen lassen solle“. Claudia Gottfried vom
Industriemuseum Ratingen, die die Ausstellung erstmals im Jahr 2012 gezeigt
hat, sagt: „Die Nazis wollten die Leute schon bei Laune halten, zumindest
am Anfang.“
## Zwang zur Uniform
Das NS-Bekleidungsdiktat wurde stark über die Uniformen der
Parteiorganisationen umgesetzt. Deren Bedeutung stieg. Bei Treffen und
Veranstaltungen war die Uniform Pflicht. Im Augsburger Textil- und
Industriemuseum werden etwa die Einheitskleidung der Hitlerjugend (HJ) und
des der Hitlerjugend angeschlossenen Bundes Deutscher Mädel (BDM) gezeigt.
Im Katalog sagt eine Zeitzeugin: „Wie gerne wäre ich dabei gewesen, hätte
so gerne so eine Kletterweste, Schlips und Knoten gehabt. Als ich dann
endlich alt genug war, war alles vorbei.“
Wegen der teuren Kriegsvorbereitungen und dann während des Zweiten
Weltkriegs war die Bekleidungsindustrie vor allem durch Mangel geprägt.
Baumwolle war teuer, Ersatzstoffe brachten unbefriedigende Ergebnisse. Den
Frauen wurde „Aus zwei mach eins“ empfohlen: Aus alten Kleidern und Resten
konnte etwas Neues geschneidert werden.
## Wiederverwerten
Die Empfehlungen lauteten: „Schonen, Bewahren, Ändern, Umarbeiten,
Wiederverwerten.“ Ab November 1939 wurde Bekleidung per Reichskleiderkarte
mit Punkten rationiert. In der Zeitschrift NS-Frauenwarte stand 1942:
„Kleider aus zweierlei Stoff sind nicht nur praktisch und helfen Punkte
sparen, sondern sind auch sehr modisch.“
Ideologisch konnten die Nazis nie eine einheitliche „deutsche artgerechte
Kleidung“ entwickeln, wie es die Kulturwissenschaftlerin Kerstin Kraft
bezeichnet. Sie sieht einen Widerspruch: „Den krassen Gegensatz zwischen
Agrarromantik und Bauernkult einerseits und modernistischer Technisierung
andererseits.“
Zu Tracht und Dirndl etwa, die im Nachhinein als typische Nazi-Kleidung
gedeutet wurden, hatten die Machthaber ein durchaus gespaltenes Verhältnis:
Einerseits machte die Propaganda Dirndl zum völkischen Symbol. Andererseits
stand man dem skeptisch gegenüber – weil es eine regionale, alpenländische
Heimatverbundenheit ausdrückte und damit nicht dem totalitären
Zentralstaatsdenken entsprach.
Dann wird es richtig brutal und bitter in dieser Schau auf 1.000
Quadratmetern und mit 130 Exponaten, von denen einige aus Bayern und
Augsburg neu hinzugefügt wurden. Ein Judenstern von fünf Zentimeter
Durchmesser liegt in einer Vitrine. Seit dem 1. September 1941 mussten ihn
alle Juden an der Kleidung tragen – ein Fetzen gelber Stoff als Symbol der
totalen Ausgrenzung, an deren Ende die Vernichtung stand.
Juden mussten große Teile ihrer Bekleidung hergeben, wurden beraubt. Im
Krieg in den besetzten Gebieten geschah das Gleiche: Massenhaft plünderten
die Nazis die Kleiderschränke. Gezeigt werden in Augsburg etwa Felle von
sibirischen Eichhörnchen.
Emotionaler Höhepunkt der Ausstellung ist das Paar rostroter Schuhe der
Firma Salamander, das allein in einem Raum steht. Auf dem Boden ein Plan
des KZ Sachsenhausen. Da gab es eine „Schuhprüfstelle“ und eine
„Schuhprüfstrecke“. Um verschiedenes Herstellungsmaterial auf verschiedenem
Untergrund zu testen, mussten Häftlinge in unterschiedlichen Schuhen – ob
sie passten oder nicht – täglich viele Stunden lang am Appellplatz laufen.
Bei jedem Wetter, immer, überwacht von den KZ-Wärtern. Um die 150 Läufer
waren das jeweils. Sie mussten solange laufen, bis sie tot waren, täglich
starben 15 bis 20.
Als 1945 der Zusammenbruch und die Besatzer nahten, wurde die Kleidung
schließlich entnazifiziert. Hakenkreuz-Fahnen, Armbinden, in die Kleidung
genähte Embleme, Anstecknadeln wurden vergraben, verbrannt, zerstört.
Keiner wollte Nazi gewesen sein. Aus Alt mach Neu, lautete die Devise. Ein
Damenmantel ist zu sehen – geschneidert aus einem umgefärbten
Wehrmachtsmantel.
16 May 2017
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Nationalismus
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
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