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# taz.de -- Yves Saint Laurent ist tot: Revolutionär des Frauenbildes
> Er erfand Damensmoking und Hosenanzug, machte Schluss mit Wespentaille
> und Schulterpolster. Er schwankte zwischen Strenge und Barock - und war
> schon zu Lebzeiten eine Legende.
Bild: Schüchterner Schöpfer: Yves Saint Laurent vor zwei Jahren in Paris.
PARIS taz Der Mann, der die Frauen mit Männerkleidung feminisiert hat, ist
tot. Yves Saint Laurent schuf den Damen-Smoking, die Trapez-Mode und die
Haute-Couture-Kleider, die unter anderem von Mondrian, Picasso, Matisse und
Braque inspiriert waren, und längst selbst die Museen der Welt erobert
haben. Er war schon zu Lebzeiten ein Denkmal. Und er hinterlässt ein
Namenskürzel YSL, das zu den bekanntesten Markenzeichen Frankreichs gehört.
Sein Tod sorgt für ein Echo, das so konsensuell und so parteiübergreifend
ist, wie es in Frankreich schon lang mehr nicht mehr vorgekommen ist. Er
war ein "Genie" und ein "Revolutionär", heißt es unisono. Zu seiner
Beerdigungsfeier in einer Pariser Kirche wird am Freitag Prominenz aus
allen Ecken der Repbulik kommen. Von Filmstars und anderen KünstlerInnen,
die er eingekleidet hat, bis hin zum Staatspräsidenten, dessen Gattin Carla
Bruni einst selbst für YSL über den Laufsteg ging.
Yves Saint Laurent, der am Sonntagabend im Alter von 71 Jahren an einem
Hirntumor starb, ist namentlich jedem Kind in Frankreich bekannt. Er hat
fast alle Ehrungen von sämtlichen Staatspräsidenten seines Berufslebens
bekommen. Die Schauspielerin Catherine Deneuve, aber auch die verstorbene
Grace Kelly (von Monaco) gehörten zu den Stars, die auf seine Kunst am
Kleid schwörten. Zahlreiche FilmemacherInnen haben ihre Kostüme von ihm
schneidern lassen. Aber persönlich hat ihn kaum jemand gekannt.
Yves Saint Laurent war Zeit seines Lebens von schweren Depressionen
geplagt. Und blieb bis zum Schluss eine zutiefst schüchterne Person. Über
lange Perioden beschränkte er seine Außenkontakte auf Blicke durch
Fensterscheiben seiner Limousine auf dem täglichen Weg von seiner 600
Quadratmeter großen Pariser Wohnung in das benachbarte Atelier. Auf Fragen
von JournalistInnen antwortete er - wenn überhaupt - nur flüsternd. Er
richtete sich zu dem Zweck direkt an ein Ohr. Und sprach so leise, dass
jene, die es erlebt haben, Schwierigkeiten hatten, ihn zu verstehen.
Pressekonferenzen gab er in seinem ganzen Leben nur eine einzige. Das war
vor sechs Jahren, als er die Haute Couture endgültig an den Nagel hing. Und
den Rest seiner Marke verkaufte. Damals sagte der berühmteste Modemacher
Frankreichs vor der Weltpresse so intimistische Dinge wie: "Die größte
Begegnung im eigenen Leben ist jene mit sich selbst." Er sprach über seine
Medikamente und Drogenprobleme. Und er schilderte, dass er "schreckliche
Einsamkeit" und "schreckliche Ängste" durchstanden habe.
Yves Saint Laurent kam 1936 in der algerischen Stadt Oran zur Welt. Als
Sohn eines Kinobetreibers und einer Schönheit. Schon als Kind träumte er
davon, Frauen einzukleiden und seinen eigenen Namen an der Pariser
Prachtavenue Champs Elysées glitzern zu sehen. Er hat es rasant schnell
geschafft. Mit 17 begann er eine Ausbildung als Modemacher in Paris. Gewann
umgehend einen ersten Preis für ein schwarzes Cocktailkleid mit
asymmetrischem Dekolleté. Und übernahm im jugendlichen Alter von 21 Jahren
die künstlerische Leitung des damals wichtigsten französischen Modehauses
Dior. Schon seine erste Kollektion machte international Furore.
Doch seine Dämonen holten Yves Saint Laurent ein. Als er 1960 - noch im
Algerienkrieg - zum Militärdienst eingezogen wurde, verfiel er in eine
Depression. Der Zusammenprall zwischen seiner eigenen Homosexualität und
dem Männerkult in der Kaserne war hart. Dior entließ und ersetzte seinen
Shooting Star umgehend durch einen anderen Designer. Ein Treffen, das das
komplette Leben von Yves Saint Laurent bestimmen sollte, befreite ihn
damals aus dem Tief. Yves Saint Laurent, der Künstler, der Schüchterne und
Feingeist, begegnete dem Geschäftsmann Pierre Bergé, der stets laut und
fröhlich auftrat. Die beiden verliebten sich und gründeten ein Imperium.
Die Anfangsinvestition zahlte Yves Saint Laurent mit der Entschädigung, die
er von Dior für seine Entlassung erklagt hatte.
YSL blieb lebenslang der Haute Couture treu. Doch in den 70er-Jahren wurde
er - als erster Spitzendesigner überhaupt - zusätzlich auch auf der anderen
- linken - Seine-Seite aktiv. Dort eröffnete er Geschäfte, um Mode "von der
Stange" zu verkaufen - die immer noch teure "prêt-à-porter". Die Haute
Couture, die kaum bezahlbaren Einzelstücke, blieben auf der rechten
Seine-Seite.
Das gesellschaftliche Engagement von YSL fand im eigenen Atelier statt.
Dort ließ er sich unter anderem von Folklore aus anderen Weltregionen
inspirieren. Und auf dem Laufsteg. Wohin er als erster Spitzendesigner
Mannequins aus Afrika holte. Yves Saint Laurent verehrte eine moderne,
selbstbewusste und berufstätige Frau. Aber keine "Sufragette oder Georges
Sand", wie er selbst sagte. "Das schönste Kleid für eine Frau, sind die
Arme des geliebten Mannes, der sie umarmt", erklärte der Homosexuelle
einmal und fügte hinzu: "Für jene, die diese Arme nicht haben, bin ich da."
Mit jeder neuen Modeschau sorgte YSL in Paris, aber auch jenseits des
Atlantiks für Sensationen. Er machte die Modelle. Und sein Compagnon Bergé
sorgte für den Begleittext. Bergé prägte Sätze wie: "Coco Chanel hat den
Frauen die Freiheit gegeben. Yves Saint Laurent gibt ihnen die Freiheit der
Macht." Die Frauenkleider, mit denen YSL Modegeschichte geschrieben hat,
sind aus weichen, fließenden Stoffen. Figurbetont und weich. Auch dann,
wenn sie von dem ursprünglich männlichen Smoking inklusive seinen dunklen
Farben inspiriert sind.
Seit Anfang der 90er-Jahre begann das Paar YSL und Bergé mit dem Ausstieg
aus dem Modegeschäft. Die beiden verkauften ihr Imperium auf dem
Kapitalmarkt. Zuerst an Elf-Sanofi. Später stieg der Luxuskonzern
Pinault-Printemps-Redoute ein. Dann übernahm Gucci. Je mehr fremdes Kapital
er in sein Imperium holte, desto unglücklicher wurde der Modeschöpfer. 2002
- als es längst Verstimmungen mit den anderen Designern von Gucci gab -
schloss YSL sein Atelier und veräußerte auch die Sparte der Haute Couture.
"Hier war ich glücklich und hier habe ich viel gelitten", beschrieb er
später sein Atelier. Heute befindet sich dort der Sitz seiner Stiftung, der
unter anderem die 5.000 Modelle und 15.000 Zeichnungen gehören, die YSL
hinterlässt. Auf dem globalisierten Modemarkt lebt das Kürzel YSL weiter.
Auch wenn einzelne Produkte - wie das Make-up und die Parfums - längst
mehrfach den Besitzer gewechselt haben.
Für FranzösInnen unter 30 ist YSL ein bekannter Name. Aber Kleider, Taschen
und Schmuck mit seiner Marke benutzen sie selten. YSL gilt als klassisch
elegant. Die Verjüngung der eigenen Kundschaft hat YSL, anders als sein
früherer Arbeitgeber Dior, nicht geschafft.
Der in Algerien geborene Yves Saint Laurent hat gegen Ende seines Lebens
viel Zeit in dem Nachbarland Marokko verbracht. Seine sterblichen Überreste
werden in einem Garten der Residenz, die er zusammen mit Bergé in
Marrakesch besitzt, bestattet.
2 Jun 2008
## AUTOREN
Dorothea Hahn
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