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# taz.de -- Kolumne German Angst: Die vielen Opfer des Holocausts
> Benjamin Netanjahu hat Sigmar Gabriel nicht empfangen. Das kann der
> deutsche Außenminister so nicht auf sich sitzen lassen.
Bild: Sigmar Gabriel gedenkt im Vernichtungslager Auschwitz (Archivbild aus dem…
Man hätte es dabei belassen können. Sigmar Gabriel hat es darauf angelegt,
von Benjamin Netanjahu nicht empfangen zu werden. Und der hatte ihn auch
nicht enttäuscht. Die Zeitungen in Deutschland nehmen ein paar Umdrehungen
mehr: [1][„Wladimir Tayyip Netanjahu“] hier und „diplomatischer Affront“
gegen Deutschland dort. Alles wie immer also.
Nur – Gabriel selbst reicht das noch nicht. Er muss noch etwas
nachschieben. Schließlich steckt in der dieser moralischen Überlegenheit
Deutschlands eine Menge Arbeit.
Vorneweg: Die Arbeit der NGOs „B'Tselem“ und „Breaking the Silence“, we…
deren Besuch Netanjahu Gabriel auslud, kann man für falsch halten und
[2][Kritik an der Verbreitung falscher Informationen] usw. gab es vielfach.
Aber beide sind zugelassene Organisationen, ihr Engagement für
Menschenrechte mag schief sein, aber ihre Aktivitäten sind legal.
Und genau das ist es, was Israel selbst trotz des reaktionären Populismus
Netanjahus ausmacht: Pluralismus. Verschiedene Meinungen auszuhalten,
Widersprüche. Platz für Organisationen, die die Regierung oder deren
Siedlungspolitik kritisieren. Und das unterscheidet den Staat Israel von
den anderen der Region. Dass Gabriel die regierungskritische NGOs überhaupt
besuchen kann, hat allein diesen Grund.
## Deutschland muss Israel kritisieren
Für FR jedenfalls [3][schrieb er schnell einen Gastbeitrag] zusammen, der
so ganz und gar die verquere Überheblichkeit zeigt, mit der ein geläuterter
Deutscher die Israelis belehren darf. Nicht trotz, sondern wegen Auschwitz.
Schließlich, so geht der dicke Elefant im Raum, habe Israel aus der Shoah
nicht gelernt.
Ganz im Gegensatz zu Deutschland. Darum darf, nein MUSS Deutschland Israel
kritisieren. Unter „Freunden“, wie Gabriel betont – eine Freundschaft, die
sich Israel im übrigens verbietet. Aber sei's drum, dass macht die Sache
nur kommoder.
Gabriel, ganz besoffen vom Wissen hier auf der richtigen Seite der
Geschichte zu stehen, macht sich gleich selbst zum ersten Opfer der
nationalsozialistischen Vernichtungspolitik: „Sozialdemokraten waren wie
Juden die ersten Opfer des Holocaustes.“ – Das hat wirklich der deutsche
Außenminister geschrieben. Nachdem der Text nicht wenige fassungslos
gemacht hatte, berichtigte das Auswärtige Amt [4][via Twitter mal eben]:
„Es muss heißen: ‚der Nationalsozialisten‘. Wir bedauern das sehr.“
## Ein paar Tipps von Gabriel
Leider kann man sich nicht sicher sein, ob es der Außenminister nicht doch
genau so gemeint hat oder ob es der Freud’sche Teufel war, der da aus dem
gequälten deutschen Unterbewusstsein sprach. So wie im Morgen-Briefing des
Spiegel: „Die historisch bedingte Sonderbehandlung Israels stößt mit der
Regierung Netanyahu an ihre Grenzen.“ Ups, „Sonderbehandlung“, auch so ein
Wort für die Vernichtung der Juden.
Aber wenn nur das gewesen wäre. Gabriel behauptet weiter von sich, als
„Botschafter der Wertegemeinschaft des Westens“ nach Israel gekommen zu
sein. Ganz so, als ob Israel es nötig hätte, sich von einem ausländischen
Politiker belehren zu lassen. Ganz so, als wäre dem Land, das ja erst wegen
des Holocausts gegründet werden konnte, die „Wertegemeinschaft des Westens“
vollkommen äußerlich.
Gabriel wird sich gedacht haben: Sicher kann Israel noch ein paar Tipps
gebrauchen, so als einsame Demokratie im Nahen Osten, umzingelt von Staaten
und Terrorgruppen, die das Existenzrecht nicht anerkennen oder die Juden
gleich zurück ins Meer treiben wollen.
## „Antisemitismus ohne Antisemiten“
Und bloß für den Fall, dass Israel sich partout weiter resistent zeigt
gegen die Belehrungen der selbsterklärten deutschen NahostexpertInnen,
setzt der Außenminister noch so etwas wie eine Drohung hinterher. „Es ist
an der Zeit, dass sich die Europäer – und die Deutschen – Israel und
Palästina heute wieder verstärkt widmen.“
Man kann nur hoffen, dass er nicht auch noch ein Gedicht schreiben wird.
Mit Jüdinnen und Juden wird das aber wie immer nichts zu tun haben. Es geht
ja um Israel! Letzte Woche erschien übrigens der Bericht der
Expertenkommission für Antisemitismus. Dort wird nicht nur ein [5][neuer
„Antisemitismus ohne Antisemiten“] (Volker Beck) beschrieben, von solchen,
sie sich selbst nie als Antisemiten bezeichnen würden und sich in allen
Parteien finden und in allen Schichten.
Während der klassische und der sekundäre Antisemitismus (die Unterstellung,
die Juden profitierten vom Holocaustgedenken oder die Relativierung durch
die Eingemeindung der eigenen Gruppe in die Opfer – siehe „die
Sozialdemokraten“) zurückgehen, erstarkt der israelbezogene Antisemitismus
(also der Vergleich Israels mit dem Nazi-Regime oder die Dämonisierung als
„Apartheid-Regime“ – wie Sigmar Gabriel [6][es 2012 nach einem Besuch in
Hebron getan hatte]). 40 Prozent der Befragten zeigten sich hier anfällig.
Gabriel ist also in guter Gesellschaft. Und das weiß er auch.
26 Apr 2017
## LINKS
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/gabriel-in-israel-kollision-mit-wladimir…
[2] http://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/breaking-the-silence-prop…
[3] https://www.fr.de/politik/meinung/gastbeitraege/israel-und-deutschland-geme…
[4] https://twitter.com/AuswaertigesAmt/status/857221926464487424
[5] https://www.welt.de/politik/deutschland/article163957692/Antisemitismus-ohn…
[6] http://Ich%20war%20gerade%20in%20Hebron.xn--%20Das%20ist%20fr%20Palstinense…
## AUTOREN
Sonja Vogel
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