# taz.de -- Druck auf Opposition in Israel: Kulturministerin mit rechter Mission | |
> In Israel geraten oppositionelle Künstler, Organisationen wie Breaking | |
> the Silence und andere kritische Stimmen immer mehr in Bedrängnis. | |
Bild: Die regierungskritische Organisation Breaking the Silence arbeitet in Tel… | |
TEL AVIV taz | Ihr Brief war vergeblich, ein Zeichen aber hatte sie wieder | |
einmal gesetzt: Israels Kulturministerin Miri Regev hatte Anfang der | |
Woche versucht, eine Filmvorführung in der Jerusalem Cinematheque zu | |
unterbinden: die Dokumentation „The Lab“ von Yotam Feldman aus dem Jahr | |
2013, die Israels Waffenindustrie kritisch beleuchtet. | |
Vier Jahre alt und schon viele Male öffentlich gezeigt – Miri Regev aber | |
schrieb trotzdem einen Brief an den Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat. | |
Die Ministerin bat darin, er möge sicherstellen, dass öffentliche Gelder | |
nicht für Aktionen ausgegeben würden, die den Staat, seine Werte und | |
Symbole unterminierten. Doch die Stadt ließ sich nicht zur Zensur | |
überreden. „Die Menschen in Israel sind stark genug, Meinungsfreiheit zu | |
erlauben“, hieß es aus dem Rathaus. | |
Miri Regev war in diesem Fall nicht erfolgreich. Doch alleine die Tatsache, | |
dass die Kulturministerin immer wieder versucht, kritische Projekte von der | |
Öffentlichkeit fernzuhalten, sagt viel über den derzeitigen politischen und | |
gesellschaftlichen Trend in Israel. „Miri Regev versucht, sich als eine Art | |
Opposition zu inszenieren, die einen starken Feind bekämpft, und | |
rechtfertigt so Zensur“, sagt der Filmemacher Yotam Feldman. | |
Auch die Auftritte Schowrim Schtikas hat Regev im Visier, also der | |
Organisation, die Berichte und Aussagen von Soldaten über | |
Menschenrechtsverletzungen der Armee in den besetzten Gebieten sammelt und | |
international als Breaking the Silence bekannt ist. In dieser Woche bat sie | |
Haifas Bürgermeister Jona Jahaw, er möge eine Veranstaltung mit Schowrim | |
Schtika in einer privaten Galerie unterbinden, wenn es stimmen sollte, dass | |
diese mit öffentlichen Geldern unterstützt werde. Im März war ein Event mit | |
Schowrim Schtika in der Bücherei von Kirjat Ono aufgrund der Intervention | |
der Kulturministerin abgesagt worden. | |
## Sie ist nicht allein | |
Miri Regev ist in ihrem Kampf nicht allein. Die stellvertretende | |
Außenministerin Tzipi Hotovely setzte jüngst NGOs wie Schowrim Schtika und | |
B’Tselem mit der Hamas gleich – beide seien Feinde Israels. Zu diesen | |
zählen demnach all jene, die die Besatzung kritisch sehen, linke Künstler, | |
Filmemacher oder Aktivisten. Sie werden als Verräter, Nestbeschmutzer und | |
Israelhasser gebrandmarkt. Nicht zuletzt machte das auch Premier Netanjahu | |
deutlich, als er Bundesaußenminister Sigmar Gabriel vor die Wahl stellte, | |
entweder ihn zu treffen oder die NGOs. | |
Amir Fuchs vom Israelischen Demokratieinstitut beobachtet den verschärften | |
Umgang mit Kritikern schon seit einigen Jahren. „Es gab bislang zahlreiche | |
Versuche, neue Gesetze auf den Weg zu bringen, die NGOs attackieren.“ Nicht | |
jeder Entwurf wird auch als Gesetz verabschiedet. Zwei allerdings schafften | |
es in den vergangenen Monaten: Im März beschloss die Knesset, dass | |
Nichtregierungsorganisationen, die den Großteil ihrer Gelder von | |
ausländischen Regierungen erhalten, keine Zivildienstleistenden mehr | |
aufnehmen dürfen. Man werde das Leben dieser trojanischen Pferde nicht | |
leicht machen, kommentierte das der Likud-Politiker Amir Ohana. | |
Ein Jahr zuvor beschloss das Parlament, dass Organisationen ihre | |
Geldquellen offenlegen müssen, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mittel von | |
ausländischen Regierungen stammt. Das sorge für mehr Transparenz, | |
verkündete Justizministerin Ajelet Schaked von der Partei Jüdisches Heim. | |
Dabei mussten auch schon zuvor Spenden aus dem Ausland offengelegt werden. | |
„Es geht darum, die Gruppen zu verunglimpfen, zu delegitimieren und sie als | |
ausländische Agenten zu brandmarken“, so Amir Fuchs. Ausgenommen sind von | |
dem Gesetz Organisationen, die von privaten ausländischen Spendern | |
finanziert werden – meistens rechte NGOs. | |
Unterstützung erhalten Politiker von rechten Organisationen wie Im Tirtzu. | |
In einer Videokampagne beschuldigte sie Vertreter israelischer NGOs, von | |
ausländischen Regierungen finanziert zu werden, um Terror zu unterstützen. | |
„Sie sind Israelis. Sie leben hier unter uns. Aber sie wurden | |
eingepflanzt“, heißt es in dem Video. „Während wir Terror bekämpfen, | |
bekämpfen sie uns.“ | |
Tatsächlich sind einige der NGOs stark im Ausland aktiv, was nicht nur | |
Menschenrechtler, sondern auch Antisemiten und Israelhasser auf den Plan | |
ruft. So bat der Geschäftsführer von B’Tselem, Hagai El-Ad, vergangenes | |
Jahr vor dem UN-Sicherheitsrat um die Einmischung in den Konflikt, was | |
unter vielen Israelis einen Sturm der Entrüstung auslöste. Auch Amir Fuchs | |
glaubt, dass die NGOs es den Rechten leicht machen, sie zu kritisieren. | |
„Andererseits wird es ihnen aber hierzulande schwer gemacht, in Schulen | |
oder in der Cinematheque aufzutreten.“ | |
Die jahrelange Kampagne von rechts zeigt Wirkung, erklärt Fuchs: „Wir sehen | |
es in unseren Umfragen. Bei unserem letzten Demokratie-Index stellten wir | |
die Frage: Glauben Sie, dass NGOs wie B’Tselem und Acri der Demokratie | |
Israels schaden? Und fast 70 Prozent antworteten mit Ja.“ Darunter seien | |
auch Wähler von Zentrumsparteien und von linken Parteien. | |
## Noch gilt Meinungsfreiheit | |
Yotam Feldman ist davon überzeugt, dass sich der Druck auch auf die Arbeit | |
von Künstlern und Filmemachern auswirken wird. „Wenn man keine starke | |
Persönlichkeit hat oder eben Geld für die Familie verdienen muss, bekommt | |
man es mit der Angst zu tun. Insofern ist der Einfluss sehr stark.“ | |
Noch ist Israel weit davon entfernt, die Aktivitäten von oppositionellen | |
Organisationen oder Künstlern direkt einzuschränken oder zu verbieten, und | |
die Meinungsfreiheit gilt noch immer. Doch kritischen Stimmen schlägt ein | |
immer heftiger werdender Wind entgegen, der es ihnen schwer macht, Gehör zu | |
finden. | |
Und das wiederum, so glaubt Amir Fuchs, ist kein gutes Omen für die | |
Demokratie. „Der Umgang mit den NGOs bedeutet noch etwas anderes. Wenn aus | |
rechten Kreisen versucht wird, diese Gruppen zu delegitimieren, dann sagt | |
das auch etwas aus über den Umgang mit linken Politikern, die diese NGOs | |
unterstützen. Es geht um eine linke Agenda und um die Frage, was mit den | |
besetzten Gebieten passieren soll.“ | |
29 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Lissy Kaufmann | |
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