# taz.de -- Neues Grundsatz-Dokument: Die Hamas gibt sich versöhnlicher | |
> Die Hamas hat eine neue Charta vorgestellt. Darin signalisiert sie | |
> Bereitschaft, eine Zwei-Staaten-Lösung in Nahost zu unterstützten. | |
Bild: Stellte die neue Charta am Montag vor: Hamas-Führer Chalid Mischal in Do… | |
Jerusalem taz | Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat sich die Hamas | |
offiziell zur Gründung eines Staates Palästina allein in den von Israel | |
besetzten Gebieten bereit erklärt. Als „Formel des nationalen Konsens“ | |
betrachten die palästinensischen Islamisten fortan die Gründung eines | |
Palästinenserstaates im Gazastreifen und im Westjordanland, wie es in ihrer | |
neuen, am Montagabend veröffentlichten [1][Charta (PDF)] heißt. In dem | |
Papier entfällt die in der Gründungs-[2][Charta von 1988] ausdrücklich | |
formulierte Forderung nach einer Vernichtung Israels. | |
Voraussetzungen seien ein „komplett souveräner und unabhängiger“ Staat mit | |
der Hauptstadt Jerusalem und die Rückführung der palästinensischen | |
Flüchtlinge „in ihre Häuser“. | |
Die signalisierte Bereitschaft zu zwei Staaten ist ein entscheidender | |
Schritt der Hamas. Damit nähert sie sich der PLO (Palästinensische | |
Befreiungsorganisation) an, die bereits im November 1988 Israel anerkannte | |
und damit Grundvoraussetzungen für Friedensverhandlungen schaffte. | |
Die Frage nach zwei Staaten war ein zentraler ideologischer Streitpunkt | |
zwischen der Hamas und der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. | |
Die Hamas hatte bislang an einem Krieg um das ganze Land festgehalten. | |
## Die Muslimbrüder kommen nicht mehr vor | |
Dass die Islamisten von ihrem seit dreißig Jahren propagierten Ziel nun | |
abrücken, ist auf die Initiative von Pragmatikern zurückzuführen, die mit | |
dem Aufbrechen alter Tabus ihre politische Karriere riskieren. Für die neue | |
Charta waren Konsensentscheidungen nötig. Auch der militante Flügel musste | |
der Abkehr vom Weg der Gründungsväter zustimmen. | |
Die Entscheidung, ausgerechnet jetzt mit der neuen Charta an die | |
Öffentlichkeit zu gehen, stehe, so zitiert die israelische Tageszeitung | |
Haaretz einen „Hamas-Informanten“, in Zusammenhang mit US-Präsident Donald | |
Trumps Bemühungen um einen Neustart direkter Friedensverhandlungen sowie | |
der USA-Reise von Abbas. Der Palästinenserpräsident wird am Mittwoch im | |
Weißen Haus erwartet. | |
Nach Ansicht des Hamas-nahen Intellektuellen Khalid Amayreh „gehörte die | |
Original-Charta einer anderen Ära an“. Die „schroffen“ Formulierungen ge… | |
Nichtmuslime hätten zu Widerstand geführt. „Die Hamas war in der Defensive. | |
Israel beschimpfte sie, antisemitisch zu sein.“ Die neue Charta müsse nun | |
„von der arabischen Welt, allen voran von Ägypten und Saudi-Arabien | |
anerkannt werden“, fordert Amayreh. | |
Ein deutliches Signal an die Regierung in Kairo ist die Distanzierung der | |
Hamas von der ägyptischen Muslimbruderschaft, die in dem Dokument nicht | |
mehr erwähnt wird. Das neue Programm hält fest, dass die Hamas „eine | |
palästinensische, islamische, nationale Befreiungs- und | |
Widerstandsbewegung“ ist. | |
Amayreh hofft zudem, dass die veränderte Charta den Weg zur | |
innerpalästinensischen Versöhnung ebnen wird. „Die Hamas nähert sich dem | |
Mainstream. Das Volk befürwortet das.“ | |
Seit zehn Jahren sind die Palästinenser gespalten. Die Hamas kontrolliert | |
den Gazastreifen, die Fatah das Westjordanland. Der ideologische Streit war | |
anfänglich Basis für die Spaltung. Was eine Versöhnung erschwert, ist heute | |
vor allem der Kampf um Macht und Geld. | |
In den vergangenen Wochen hat sich der Konflikt zugespitzt, da die | |
Fatah-Führung in Ramallah höhere Steuern für Treibstoff verlangte und nur | |
noch bedingt für Stromkosten im Gazastreifen aufkam. Die Menschen im | |
Gazastreifen haben nur noch wenige Stunden täglich Strom. | |
## „Kein Krieg gegen die Juden“ | |
Zwar hält die neue Hamas-Charta grundsätzlich am „legitimen Recht“ der | |
Palästinenser fest, „die Besatzung mit allen Mitteln und Methoden zu | |
bekämpfen“, auch in Form des bewaffneten Widerstandes. Die Zionisten werden | |
als „rassistisch, unmenschlich und kolonialistisch“ bezeichnet. | |
Nichtsdestotrotz ist das neue Dokument erkennbar versöhnlicher, wenn es | |
betont, dass die Hamas „keinen Krieg gegen die Juden“ und ihre Religion | |
führt. „Wir sind bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, der uns helfen | |
kann“, sagte Khalid Mischal, derzeit noch Chef des Hamas-Politbüros, | |
während einer Pressekonferenz in Doha, auf der er am Montag die neue Charta | |
vorstellte. | |
Nur mit Israel wollen die Islamisten unverändert nicht verhandeln. Israel | |
hatte, gefolgt von den USA und mehreren EU-Staaten, nach dem Wahlsieg der | |
Hamas Anfang 2006 drei Forderungen an die Islamisten gestellt: die | |
Anerkennung Israels, die Anerkennung der bislang von der PLO | |
unterzeichneten Friedensregelungen sowie die Abkehr von der Gewalt. Die | |
neue Charta erfüllt keine der Bedingungen. | |
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte skeptisch und nannte | |
die Charta einen „Deckmantel“. Sein Sprecher David Keyes kommentierte: „D… | |
Hamas versucht, die Welt zum Narren zu halten, aber das wird ihr nicht | |
gelingen.“ Die „wahre Hamas“ grabe Tunnel vom Gazastreifen nach Israel und | |
„hat tausende Raketen auf israelische Zivilisten abgeschossen“. | |
2 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://hamas.ps/ar/uploads/documents/06c77206ce934064ab5a901fa8bfef44.pdf | |
[2] http://avalon.law.yale.edu/20th_century/hamas.asp | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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