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# taz.de -- Homophobie in Südkorea: Armeechef gegen schwule Rekruten
> Mit einer landesweiten Fahndung will das Militär die eigenen Reihen
> „sauberhalten“. Denn Homosexualität schwäche die Kampfbereitschaft.
Bild: Südkoreanische Soldaten in Seoul
SEOUL taz/ap | Die Anschuldigungen erinnern an dunkle, längst überwunden
geglaubte Zeiten: eine landesweite Razzia gegen schwule Soldaten. Der
Ausgangspunkt der Kontroverse war ein Video, das zwei junge Rekruten beim
Geschlechtsverkehr zeigen soll – einvernehmlich und außerhalb der Kaserne.
Das Militär veranlasste daraufhin laut eigener Aussage eine Untersuchung.
Laut der Nichtregierungsorganisation Military Human Rights Center for Korea
(MHRCK) soll die Armeeführung mittels ihres Cyberermittlungsteams schwule
Dating-Apps ausspioniert haben, um homosexuelle Soldaten ausfindig zu
machen. Auch sollen Telefongespräche abgehört und entwürdigende
Einzelverhöre durchgeführt worden sein.
Laut Zeugenaussagen wurden Betroffene dabei über intimste Details ihres
Sexuallebens ausgefragt und aufgefordert, schwule Kameraden zu outen.
Bisher sollen zwei Rekruten wegen Sodomie verurteilt worden sein, zwanzig
weiteren droht eine Strafe vom Militärgericht.
Die Armee habe verdächtige Soldaten gezwungen, ihre Sexpartner zu
„identifizieren, und von da aus ihre Suche ausgeweitet“, sagt MHRCK-Leiter
Lim Tae Hoon.
## Einschüchterungen und Drohungen
Um die Vorwürfe zu untermauern, veröffentlichte MHRCK Screenshots von
Chatverläufen und Telefonmitschnitte. „Wir haben alle Informationen über
deine Beziehung mit ihm schwarz auf weiß, 400 Seiten lang. Es bringt
nichts, zu lügen“, sagt darin ein angeblicher Ermittler zu einem Rekruten.
In einer anderen Audiodatei hört man: „Was, ihr hattet nicht mal Oralsex?“
Die Armee bestätigt die strafrechtliche Untersuchung gegen die zwei
Rekruten des Sexvideos, bestreitet jedoch, dass es eine systematische
Hexenjagd auf schwule Soldaten gibt. Das Verteidigungsministerium will sich
zu dem laufenden Fall nicht äußern.
Das militärische Strafrecht stellt „Sodomie“ zwischen Soldaten unter
Strafe. Das kann mit bis zu zwei Jahren geahndet werden.
Ebenjener Paragraf wurde erst letztes Jahr von der Staatsanwaltschaft
bestätigt: „Im Militär gibt es ein großes Potenzial für abnorme
Sexualpraktiken“, heißt es in der Begründung. Diese würden ein ernsthaftes
Risiko darstellen, die Kampfbereitschaft der Truppe zu schwächen.
## Skandal überrascht nicht
„Mich überrascht der jüngste Skandal nicht. Viele Bereiche der
südkoreanischen Gesellschaft sind noch immer homophob“, sagt der 26-jährige
Heezy Yang, der offen schwul lebt. Nach jahrelangen Behördengängen wurde
ihm wegen Angststörungen Ersatzdienst in einem Seouler Bezirksamt gestattet
– eine absolute Ausnahme.
„Die meisten meiner schwulen Freunde haben trotz der Befürchtung, in der
Armee diskriminiert zu werden, ihren Wehrdienst abgeleistet“, sagt Yang.
Wer das nicht tue, habe einen Makel in seinem Lebenslauf, den nur wenige
Arbeitgeber verzeihen würden: „Wenn man in der Gesellschaft dazugehören
will, muss man es zu Ende bringen.“
Am Dienstagabend wurde das Thema auch im Wahlkampf zum Aufreger. Dabei
löste laut der Nachrichtenagentur AP der aussichtsreiche
Präsidentschaftskandidat Moon Jae In hat mit umstrittenen Aussagen scharfe
Kritik aus.
Der liberale Kandidat und frühere Menschenrechtsanwalt sagte in einer
Fernsehdebatte als Reaktion auf eine Aussage des konservativen Kandidaten
Hong Joon Pyo, dass er gegen Homosexualität sei.
Als sich Hong noch einmal vergewisserte, ob er das richtig verstanden habe,
antwortete Moon: „Selbstverständlich.“
## Feigheit vor dem homophoben Mainstream
Hong von der Partei der abgesetzten und angeklagten Präsidentin Park Geun
Hye hatte zuvor behauptet, schwule Soldaten würden das südkoreanische
Militär schwächen. Dem hatte Moon zugestimmt.
Moons Anhänger erklärten, er habe das sagen müssen, um sich die
Präsidentschaft in dem überaus konservativen Südkorea bei der Wahl am 9.
Mai zu sichern.
Vor allem unter in Südkorea verfolgten sexuellen Minderheiten erntete er
damit aber heftige Kritik. Manche Fürsprecher von Homosexuellenrechten
mussten am Mittwoch zurückgehalten werden, als sie Moon nach einer
Ansprache in der Nationalversammlung in Seoul nahekommen wollten. 13
Aktivisten wurden nach Polizeiangaben festgenommen.
Eine Gruppe von Menschenrechtsanwälten, zu denen Moon einst zählte,
erklärte, Moon und Hong hätten ihre Ignoranz hinsichtlich Bürger- und
Verfassungsrechten enthüllt.
Die Aussagen könnten zu Hasstiraden und Diskriminierung sozialer
Minderheiten in der südkoreanischen Gesellschaft ermutigen, teilte die
Gruppe Anwälte für eine Demokratische Gesellschaft mit.
Bei der Fernsehdebatte sprach sich nur die Präsidentschaftskandidatin Sim
Sang Jung für Homosexuellenrechte aus.
27 Apr 2017
## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
Südkorea
Homophobie
Militär
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Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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Park Geun-hye
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