# taz.de -- Kommentar Nordkorea: Mehr Verständnis gesucht | |
> Wer die Atomkrise lösen will, muss sich mit den Motiven der Aufrüstung | |
> befassen: die Bombe als Überlebensgarantie für das Regime. | |
Bild: Ein Raketenmodell bei einem Blumenfest in Pyöngyang | |
Die Nordkoreakrise ist auch eine von Medien gemachte Krise: Als Katalysator | |
um die allgemeine Kriegshysterie diente die Behauptung von NBC News, | |
Washington würde einen Erstschlag gegen Pjöngjang vorbereiten. | |
Bei kaum einen anderen Thema hätte ein Bericht eines amerikanischen | |
TV-Senders, der sich ausschließlich auf anonyme Quellen beruft, von | |
offizieller Seite umgehend dementiert und von Experten als „Angstmacherei“ | |
bezeichnet wird, derart hohe Wellen geschlagen: Fast alle | |
Nachrichtenagenturen, Tageszeitungen und Online-Medien haben die | |
aufmerksamkeitsversprechende Überschrift trotz der dünnen Quellenlage | |
angenommen. | |
Längst deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich Donald Trumps | |
Nordkorea-Strategie gar nicht so fundamental von seinem Vorgänger | |
unterscheiden wird. Klar, die aggressive Rhetorik wurde um ein paar Stufen | |
aufgedreht, doch einen Krieg in der Region mit möglicherweise mehreren | |
Millionen Opfern scheint auch der US-Präsident [1][nicht leichtfertig in | |
Kauf nehmen zu wollen]. | |
Vielleicht haben es die Südkoreaner richtig gemacht – und auf die Angst um | |
einen Krieg vor der eigenen Haustür mit demonstrativer Gelassenheit | |
reagiert. Jedes Jahr erleben sie schließlich dasselbe Theater von Neuem: Im | |
Frühling beginnen die gemeinsamen Militärmanöver mit den US-Streitkräften, | |
Nordkoreas empört sich und startet einen Raketentest, der wiederum von der | |
internationalen Gemeinschaft verurteilt wird. Im letzten Akt flauen die | |
Spannungen schließlich wieder ab – bis zur nächsten Krise, denn das gut | |
einchoreografiertes Stück läuft seit Jahrzehnten in Dauerschleife. | |
Was natürlich nicht heißt, dass es dabei zu verheerenden Fehleinschätzungen | |
kommen kann. Zumal, wenn ein neuer Spieler wie Trump das Parkett betritt, | |
der nicht nur mit traditionellen Regeln bricht und aus dem Bauchgefühl zu | |
handeln scheint, sondern auch seine Ahnungslosigkeit ganz offen zur Schau | |
stellt. | |
## Libyen als abschreckendes Beispiel | |
Legendär ist Donald Trumps Ausspruch über das gemeinsame Treffen mit Xi | |
Jinping im Feriendomizil in Florida, bei dem er seinem Kollegen dazu | |
drängen wollte, sich doch endlich des Nordkorea-Problems anzunehmen. Xi | |
hielt Trump darauf hin eine Standpauke über die komplexe und durchaus | |
schwierige Beziehung zwischen China und Nordkorea. „Nach zehn Minuten | |
Zuhören realisierte ich, dass es doch nicht so einfach ist“, erinnert sich | |
Trump später in einem Interview. | |
Es ist geradezu paradox: Die Amerikaner nehmen Nordkorea zwar als | |
dringlichstes außenpolitisches Problem wahr, doch scheinen keinerlei | |
Anstrengungen zu unternehmen, die Sichtweise ihres Gegners zumindest im | |
Ansatz nachvollziehen zu wollen. Das gegenseitige Misstrauen ist nämlich | |
durchaus für beide Seiten gerechtfertigt. | |
Seit den 50er Jahren, als hunderte Nuklearbomben in Südkorea stationiert | |
waren, hat Nordkorea die Atommacht Amerikas im Nacken. Nach der | |
Jahrtausendwende beobachtete das Regime am Beispiel des Diktators Muammar | |
al-Gaddafi in Libyen, was ihm drohen könnte, wenn es das Waffenprogramm | |
aufgibt. Dass also für den Despoten Kim Jong Un eine nukleare | |
Lebensversicherung als durchaus erstrebenswert erscheint, ist keinesfalls | |
abwegig, sondern aus seiner Sicht sinnvoll und logisch. | |
Erst wenn man den Zweck der nordkoreanischen Atombombe wirklich begriffen | |
hat, kann man erfolgreiche Verhandlungen über eine Abrüstung führen. | |
Entgegen der öffentlichen Meinung ist es dafür nicht zu spät. Zumindest ein | |
Stillstand des Programms oder UN-Kontrollen sind mittelfristig in | |
Reichweite. Wer jedoch schon die Verhandlungen an die Vorbedingung einer | |
vollständigen Abrüstung knüpft, hat daran kein ernsthaftes Interesse. | |
18 Apr 2017 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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