| # taz.de -- Schüler mit Migrationshintergrund: In einem anderen Land | |
| > Bildungsministerin Johanna Wanka möchte eine Klassenquote für Kinder mit | |
| > Migrationshintergrund. Die Reaktionen sind deutlich. | |
| Bild: Deutsch genug? Diskussion um Quote in Schulen aufgewärmt | |
| „Schnapsidee“, „abenteuerlich“, „abstrus und illusorisch“. Die Reak… | |
| auf den Vorstoß der Bildungsministerin wollen auch Tage nach ihrer | |
| wahltaktischen Äußerung nicht abreißen. | |
| Am Wochenende hatte Johanna Wanka (CDU) offen für eine Begrenzung der Zahl | |
| von Kindern mit Migrationshintergrund pro Schulklasse geworben: „Ich bin | |
| gegen eine starre Quote“, hatte Wanka zwar sicherheitshalber | |
| vorweggenommen. Die regionalen Unterschiede seien dafür zu groß. „Klar ist | |
| aber“, sagte die Ministerin im Focus, „dass der Anteil von Kindern mit und | |
| ohne Migrationshintergrund möglichst ausgewogen sein muss.“ | |
| Wanka bringt damit – Zufall – im Wahljahr die Quotendebatte für „Migrant… | |
| an Schulen ins Spiel, die sie vor zwei Jahren noch entschieden abgelehnt | |
| hatte. Der konservative Philologenverband, der die Quote schon 2015 | |
| gefordert hatte, nahm die Steilvorlage an und brachte mal die Zahl von 35 | |
| Prozent ins Spiel. Schulklassen mit einem höheren Migrationsanteil, | |
| mutmaßte Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger, seien „problematisch“. Der | |
| Subtext: Die Integration ist gefährdet, wenn Filiz und Deniz in der Klasse | |
| Türkisch sprechen oder Setareh ihrer Nachbarin etwas auf Farsi zuflüstert. | |
| Diese Annahme ist nicht nur deshalb Nonsens, weil bereits heute ein Drittel | |
| der Schulkinder Migrationshintergrund haben – von denen die meisten | |
| Deutsche sind und Deutsch so gut oder schlecht sprechen wie Gleichaltrige. | |
| Warum sollte es plötzlich eine Rolle spielen, wenn sie auch in anderen | |
| Ländern Wurzeln haben? Bildungsministerin Wanka forderte die Familien sogar | |
| auf, zu Hause „mehr Deutsch“ zu sprechen, um die „Chance zur Teilhabe und | |
| die Integration“ nicht zu gefährden. | |
| Wankas Vorstoß erscheint wie ein Relikt der „Ausländerpädagogik“, nach d… | |
| Behörden, Ministerien und Schulbuchverlage in Deutschland jahrzehntelang | |
| Forderungen an die Zuwanderer gestellt haben: Damit Integration gelingen | |
| kann, müssen die Migranten sich bemühen. Die Bringschuld liegt auf ihrer | |
| Seite. Es ist das Stereotyp des defizitären Migranten. | |
| Wer aber wie Wanka und Meidinger Migrationshintergrund mit | |
| Integrationshindernis gleichsetzt, sieht zu einseitig auf tatsächliche | |
| Problem bei der Integration. Auch die „biodeutschen“ Eltern und Schulen | |
| gehören dazu. | |
| ## Perfekte Segregation | |
| Das zeigt ein Blick auf die deutschen Großstädte. Nach einer Studie von | |
| 2013 gehen 70 Prozent der Grundschulkinder mit Migrationshintergrund auf | |
| eine Schule, die mehrheitlich von ihresgleichen besucht wird. Und zwar vor | |
| allem deshalb, weil sich viele biodeutsche Akademikereltern genau | |
| überlegen, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken – und auf welche | |
| nicht. Die Benachteiligung bildungsferner Schulkinder beim Übertritt in | |
| weiterführende Schulen verhindert, dass sich die Klassen später wieder | |
| stärker vermischen. | |
| Welche Ausmaße die Segregation annehmen kann, zeigt sich seit Jahren in | |
| Berlin. In migrantisch geprägten Vierteln wie dem Wedding oder Neukölln | |
| bieten manche SchuldirektorInnen „biodeutschen“ Eltern an, die Kitaklasse | |
| mit deren Sprösslingen komplett – und ohne „migrantische“ Kinder – zu | |
| übernehmen. Ansonsten haben sie oft kaum eine Chance, den Migrationsschnitt | |
| zu senken. | |
| Abgesehen von der Entscheidungsfreiheit der Eltern lässt Wankas Vorstoß | |
| noch eine weitere Frage offen: Was soll mit den Klassen geschehen, die über | |
| der Quote liegen? In Hamburg, klärte Schulsenator Ties Rabe (SPD) seine | |
| Kollegin auf, hätten schon jetzt im Schnitt 46 Prozent der SchülerInnen | |
| Migrationshintergrund, in der ersten Klasse sogar 51 Prozent. „Wie soll man | |
| da einen Durchschnittswert von 35 Prozent realisieren?“ | |
| Ähnlich äußerte sich die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie | |
| Hubig (SPD). Dass sich Familien mit Migrationshintergrund vermehrt in | |
| bestimmten Regionen ansiedeln, sei bundesweit „ein normaler Prozess“. Die | |
| Kinder und Jugendlichen müssten aber dort in die Schule gehen können, wo | |
| sie wohnen. Und wo sie ihre Eltern hinschicken wollen. Dafür muss man bei | |
| denen werben, die die Vermischung nicht wollen. Ob sie | |
| Migrationshintergrund haben oder nicht. | |
| 26 Apr 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Pauli | |
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