# taz.de -- Leipziger Fanprojektmitarbeiter im Visier: Ausübung der Arbeit als… | |
> Die sächsische Justiz sagt, ein Mitarbeiter eines Leipziger Fanprojekts | |
> soll Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewesen sein. Und greift zu | |
> harten Mitteln. | |
Bild: Bombenstimmung: Bengalos bei der BSG Chemie Leipzig | |
Leipzig taz | „Es ist ein einzigartiger Fall“, sagt Michael Gabriel: Dass | |
der Angestellte eines Fanprojekts Beschuldigter in einem Verfahren wird, | |
einer, der lediglich seinen Job gemacht habe, gefährde grundsätzlich diese | |
Arbeit – nicht nur in Leipzig, sondern in ganz Deutschland. Über zwanzig | |
Jahre ist Gabriel bei der Koordinationsstelle Fanprojekte beschäftigt, vor | |
mehr als zehn Jahren hat er die Leitung übernommen. Aber mit dem Paragrafen | |
129 des Strafgesetzbuches hat er in diesem Kontext nie etwas zu tun gehabt. | |
Gegen 14 Personen aus Leipzig hat die Generalbundesanwaltschaft Dresden, | |
die höchste Anklagebehörde in Sachsen, drei Jahre lang wegen des | |
Tatbestands „Bildung krimineller Vereinigungen“ ermittelt. Sebastian | |
Kirschner, ein Mitarbieter des Fanprojekts Leipzig, zählt zu diesem | |
Personenkreis. Deshalb ist Gabriel am Montag aus Frankfurt am Main | |
angereist, um gemeinsam mit Steffen Kröner, dem Geschäftsführer von Outlaw | |
gGmbH, dem Träger des Leipziger Fanprojekts, den Fall öffentlich zu machen. | |
Kröner sagt: „Wir sind darauf angewiesen, Transparenz zu schaffen.“ | |
Erfahren hat Kirschner davon, weil das Verfahren aus Mangel an Beweisen | |
eingestellt wurde und die staatlichen Behörden ihrer Informationspflicht | |
über die Schnüffelei nachgekommen sind: Sie hatten über ein Vierteljahr das | |
Handy sowie den Mailverkehr von Kirschner überwacht. Obendrein wurde aus | |
dem Team des Fanprojekts eine weitere nicht in das Verfahren involvierte | |
Person abgehört. Tausende Gespräche mit Fans, Netzwerkpartnern und | |
Journalisten wurden aufgenommen und protokolliert. | |
Als Betreuer der linken Fanszene von Chemie Leipzig hat Kirschner mit | |
Menschen Kontakt gehabt, die bereits im Fokus der Ermittler standen. | |
Auslöser des Verfahrens waren 16 Vorfälle zwischen den Jahren 2014 und | |
2016, bei denen Personen des rechten Spektrums „als Nazis beschimpft, | |
verunglimpft und verprügelt wurden“. Das hatte Oberstaatsanwalt Oliver | |
Möller schon im November der Leipziger Volkszeitung gesagt. | |
## Bildungsfahrt in den sächsischen Landtag | |
Aus den Akten konnte Kirschner entnehmen, dass ihm nicht die Beteiligung an | |
Verbrechen vorgeworfen wurde, sondern schlicht die Ausübung seiner Arbeit. | |
Er sei Teil einer kriminellen Struktur, wurde aufgeführt, weil er für | |
Chemie-Fans den Transport zu Auswärtsspielen und auch rechtliche Beratung | |
organisiere. Auch die Bildungsfahrt mit Fans in den sächsischen Landtag, | |
die unter seiner Leitung stattfand, wird als Beleg für die kriminelle | |
Energie von Kirschner aufgeführt. | |
Steffen Kröner, der Vorgesetzte von Kirschner, sagt, es sei problematisch, | |
wenn die Arbeitsgrundlage seiner Angestellten, nämlich das „Nationale | |
Konzept Sport und Sicherheit“, auf das sich unter anderem auch die | |
Innenminister der Bundesländer geeinigt haben, Anlass für Ermittlungen | |
gäbe. | |
Intensive Nachforschungen haben die staatlichen Behörden in Sachsen | |
angestellt. Aus dem Umfeld des Fanprojekts heißt es, dass die drei ihnen | |
vorliegenden Akten zwischen 800 und 900 Seiten umfassen. 70 weitere Akten | |
sollen noch zu dem Fall noch vorliegen. | |
Leipzig ist vermutlich der komplizierteste Standort für Fanarbeit in | |
Deutschland. Hier überlagern sich verschiedenste Konfliktlinien. Die | |
Rivalität der Traditionsklubs BSG Chemie und Lok Leipzig ist auch von | |
politischer Dimension. Es stehen sich eine links- und rechtsradikale | |
Fanszene unversöhnlich gegenüber. Der Erstligist und Konzernklub RB Leipzig | |
bringt indes nicht nur in der Stadt die Traditionalisten der | |
verschiedensten Ultraszene in Wallung. | |
Auch angesichts dieser komplexen Gemengelage kommt Gabriel zu dem Schluss: | |
„Das Fanprojekt in Leipzig leistet eine hervorragende Sozialarbeit. | |
Sicherheitsrelevante Vorfälle in Leipzig sind zurückgegangen. Auch von der | |
Polizei und der Politik wird die Arbeit gelobt.“ Diese Anerkennung machte | |
sich jüngst auch finanziell bemerkbar. Der Etat für die sechs Fanprojekte | |
im Bundesland wurde von 220.000 auf 450.000 Euro aufgestockt. | |
## Druck auf Fankprojektmitarbeiter wächst | |
Michael Gabriel beobachtet in den vergangen Jahren bundesweit eine | |
zunehmende Tendenz, Druck auf Fankprojektmitarbeiter auszuüben. Häufiger | |
als früher würden die bei Verfahren zu Zeugenaussagen gezwungen. Ein | |
Zeugenisverweigerungsrecht, das Gabriel für diese Berufsgruppe für sinnvoll | |
hält, gibt es nicht. | |
Aus dem Umfeld des Leipziger Fanprojekts ist zu hören, im ersten Moment | |
habe man im Team lachen müssen aufgrund der Absurdität der Ereignisse. Denn | |
die 14 Personen, die der Bildung einer kriminellen Vereinigung verdächtigt | |
wurden, hätten sich teilweise erst nach die Offenlegung der | |
Überwachungsmaßnahmen kennengelernt. Die Angestellten des Leipziger | |
Fanprojekts sind verunsichert. Mit Namen möchte man sich nicht zitieren | |
lassen. Derzeit, erklärt man, überwiege das Gefühl der totalen Ernüchterung | |
und Ratlosigkeit. | |
24 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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