# taz.de -- Österreichischer Jugendfußball: Ein Stück Glanz für Österreich | |
> RB Salzburg hat das beste Jugendteam Europas. Doch weil er immer mehr zum | |
> Zulieferbetrieb von Leipzig wird, wird der Konzernklub oft gekränkt. | |
Bild: Spieler des OGC Nizza und des RB Salzburg (rechts) springen dem Ball (nic… | |
SALZBURG taz | Wer nicht glauben wollte, welch emotionale Wirkung der Sieg | |
einer U19-Mannschaft auslösen kann, konnte sich am vergangenen Wochenende | |
in Salzburg zur Verehrung der Jugend bekehren lassen. Es spielte die | |
Herrenmannschaft von Red Bull Salzburg gegen die SV Ried, ein blutleeres | |
Ligaspiel, das gar nicht mal so egal war: Den vierten Meistertitel in Folge | |
hätte es Salzburg bescheren können. Rund 10.000 Zuschauer sind da, etwa | |
doppelt so viele wie sonst, zu dieser alljährliche Feierei, die dann doch | |
nicht stattfindet, weil Salzburg nur ein 1:1 holt. | |
Tieftraurig wirkt keiner. Die Meisterschaft ist zugleich Routine und Limit: | |
Bei einer finanziellen und sportlichen Dominanz auf Bayern-Niveau ist sie | |
eingeplant wie Sommerreifen aufziehen. Und in etwa so euphorisierend. | |
Darüber hinaus ist aber in Salzburg nichts zu gewinnen, auch nicht über | |
zehn Jahre nach Beginn des großzügigen Red-Bull-Investments. Und das | |
erklärt in Teilen die Reaktion in der Halbzeitpause. | |
„Was ist das für ein Moment“, ruft der Stadionsprecher. „Kein Barca konn… | |
sie aufhalten, kein Manchester City, kein Paris Saint-Germain.“ Und alle | |
stehen – in der Sitzplatzarena. Zum einzigen Mal an diesem Abend. | |
Minutenlanger Applaus erfasst die Ränge, als die U19 der Salzburger den | |
Rasen betritt, die am 24. April mit einem 2:1 gegen Benfica Lissabon die | |
Youth League gewann, das eher mittelmäßig bekannte Juniorenpendant zur | |
Champions League. | |
Und während der Sprecher einzeln die „Helden von Nyon“ aufruft und erzähl… | |
wie ganz Österreich stolz sei und dass es Sonder-T-Shirts geben wird, für | |
25 Euro das Stück, und dass man auch in Ried stolz sei, was aus dem | |
Gästeblock mit Stinkefingern beantwortet wird, und wie Europa staunt, kann | |
man sich fragen, ob so vielleicht die Meisterfeier ausgesehen hätte. Oder | |
ob der Triumph der Jugend bedeutender ist. | |
## Der Konzern liebt die formbare Jugend | |
„Die Reaktionen in Österreich waren schon heftig“, sagt der deutsche | |
Trainer Marco Rose, Exprofi bei Mainz und Hannover, der das Team zum Sieg | |
führte. „Es hat große Wellen geschlagen. Ich glaube, dass der Fußball in | |
Österreich durch den Titel einen großen Imagegewinn bekommt.“ Der Nachhall | |
des ersten internationalen Titels einer österreichischen Vereinsmannschaft | |
ist enorm. Endlich hat auch das neureiche RB Salzburg seine | |
Underdoggeschichte: Im Vergleich mit den Man Citys und Barcelonas dieser | |
Welt ist man ein Verein mit recht überschaubarer Strahlkraft und eher | |
unvorteilhafter geografischer Lage. | |
Trotzdem wurden die Großklubs reihenweise besiegt, mit einer Mannschaft, in | |
der zeitweise sechs Österreicher in der Startelf standen. Das ist, | |
Red-Bull-Millionen hin oder her, ein sehr beeindruckendes Statement. | |
Leistungsträger wie Xaver Schlager, Konrad Laimer oder Hannes Wolf sind aus | |
der RB-Jugendakademie entsprungen, die sich als modernste des Kontinents | |
anpreist. Und, ja, vom weithin verhassten RB erhofft man sich jetzt schon | |
ein Stück Glanz für Österreich. Und fürs Nationalteam. | |
Der Konzern, das ist mittlerweile eine Binsenweisheit, liebt die formbare | |
Jugend. „Wir setzen sehr auf junge Spieler“, sagt Trainer Marco Rose. „Der | |
Weg hier ist für die Jungs klar vorgegeben. Sie müssen die Chance nur | |
nutzen.“ Der Weg ist für die meisten Spieler der Karrierepfad von Red Bull | |
über die Jugendakademie zum hauseigenen Zweitligisten FC Liefering, weiter | |
zu RB Salzburg und von dort gern zur deutschen Filiale nach Leipzig. | |
Die wettbewerbsrechtlich zweifelhafte Lieferkette bringt für die | |
Nachwuchsarbeit entscheidende Vorteile: Sowohl Liefering als auch Salzburg | |
sind faktisch Ausbildungsvereine. Junge Spieler bekommen wesentlich mehr | |
Einsätze als bei den internationalen Großklubs, auch mehr Chancen. Hat | |
Liefering den Salzburgern einen Wettbewerbsvorteil verschafft? Gewiss, Rose | |
findet, das sei ein „kleines Ammenmärchen“. Aber er sagt auch: „Wir sind | |
uns bewusst, dass es uns geholfen hat.“ | |
## Das System bestimmt die Trainer | |
Geografisch gesehen ist Salzburg ein Außenseiter, strukturell aber nicht. | |
Es gibt die Jugendakademie, auch die Partnerakademien in Afrika und | |
Südamerika, die zuverlässig Talente liefern. Und die Investitionen in | |
Nachwuchsspieler von außerhalb, angeblich so hoch wie sonst nur bei wenigen | |
europäischen Topklubs. Unerklärlich ist der Erfolg nicht. Aber Geld zu | |
haben ist die eine Sache, etwas daraus zu machen eine andere. Auch in Paris | |
oder Manchester haben sie Mittel zur Verfügung. Doch nirgendwo verehrt man | |
die Jugend so wie bei RB. | |
Trainer Marco Rose, ein direkter, bescheidener Typ, ist ein Mosaikstein der | |
Erfolgsgeschichte, einer mit dem idealen Lebenslauf. Als Profi beeinflusst | |
von Trainern wie Jürgen Klopp, Thomas Tuchel und eben Ralf Rangnick, als | |
Trainer bald von Rangnick in der Salzburger Akademie platziert, wie so | |
viele Deutsche. Rose ist in Rangnicks Spielidee hineingewachsen. „Unsere | |
Idee basiert auf Agieren“, sagt er, „auf aktivem Fußball. Wir wollen Bälle | |
gewinnen, aber wir wollen auch Fußball spielen.“ | |
Das System bestimmt die Trainer; auch wenn man das bestreitet. Wie viele | |
Gestaltungsmöglichkeiten hat ein Coach in Salzburg? „Es gibt zwar eine | |
einheitliche Spielidee, die aber von jedem Trainer mit sehr viel eigener | |
Note versehen werden kann“, sagt Rose. „Es wird nicht bedingungslos darauf | |
beharrt, dasselbe zu machen.“ Und überhaupt will er den Erfolg, diesen | |
Youth-League-Sieg, nicht auf die Spielidee reduziert sehen. „Es gibt eine | |
Idee, und die erkennt man auch. Aber das Thema wird oft überstrapaziert.“ | |
Vermutlich hat er recht. Aber das ist auch hausgemacht: Kaum ein Großklub, | |
vielleicht mit Ausnahme des FC Barcelona, ist so religiös auf eine | |
einheitliche Spielidee fixiert wie die RB-Vereine. Sie sind Ralf Rangnicks | |
real existierendes Taktikexperiment; das Konzept zählt mehr als die Köpfe. | |
Eine Philosophie, die sich mit der Werbestrategie des Red-Bull-Konzerns | |
deckt: Kein Spieler soll größer werden als die Marke. Sie sind ein | |
Kollektiv, erst die Jungbullen, dann die Bullen. Jeder kann durch das | |
System glänzen. Und jeder kann ersetzt werden. | |
Für Österreich bedeutet das auch: Was können Spieler, die von Jugend an so | |
konsequent auf eine Spielidee trainiert wurden, außerhalb der Vereinswelt | |
von Red Bull erreichen? Viel, glaubt Marco Rose. Allerdings ergibt sich die | |
Frage selten: Von den sechs teuersten Transfers vor dieser Saison gingen | |
vier innerfamiliär nach Leipzig. Innenverteidiger Martin Hinteregger, der | |
nach Augsburg ging, kritisierte die Transferfarce öffentlich: „Die Art und | |
Weise, wie Leipzig Salzburg kaputt macht, ist nicht schön anzuschauen.“ | |
## Wer ist schon gern Zwischenstation? | |
Und wer verstehen will, warum die erfolgsverwöhnte Salzburger | |
Anhängerschaft an diesem Abend so frenetisch einen U19-Sieg bejubelt, muss | |
auf Hinteregger schauen. Salzburg ist in der eigenen Weltanschauung | |
gesunken, vom Nabel des Dosenimperiums zum Zulieferer für Leipzig. „Wie | |
lange dauert es wohl, bis wir die Champions League gewinnen?“, soll | |
Dietrich Mateschitz Bayern-Boss Kalle Rummenigge einst gefragt haben. „Das | |
schaffen Sie nie“, erwiderte Rummenigge trocken. „Sie kriegen keine | |
Weltklassespieler nach Österreich.“ Der Konzern, der Flügel verleihen will, | |
verschob seinen Fokus. Seitdem ist die Stimmung in Salzburg nicht mehr so | |
gut. | |
RB Salzburg hat in dieser Saison den niedrigsten Zuschauerschnitt seit der | |
Übernahme durch Red Bull; von einst 16.000 verbleiben 6.000. Es gab | |
Protestbriefe, in denen Fanclubs auf den „Selbstbedienungsladen Salzburg“ | |
schimpften. Wer will, kann leise Kritik bei Marco Rose hören, wenn er sagt: | |
„Ich finde, dass man die Fans unbedingt respektieren muss. Ich kann schon | |
nachvollziehen, dass sie traurig sind, wenn wichtige Spieler den Verein | |
verlassen. Es ist wichtig, dass man das sauber kommuniziert.“ | |
Bei Red Bull fand man das eher nicht. Rose sagt aber auch, dass sich an der | |
Ausgangssituation nichts ändern lasse: „Wenn man ein kleines Land ist, kann | |
man es den Spielern nicht übel nehmen, dass sie in die Bundesliga oder die | |
Premier League wollen. Und wenn sie nicht nach Leipzig gehen, gehen sie | |
nach Dortmund oder Hoffenheim.“ Das wird kaum ein Anhänger bestreiten. Das | |
Problem ist – und ein Schelm, wer bei der Salzburger Kaderplanung Kalkül | |
vermutet –, dass sie vor allem nach Leipzig gehen. | |
Wahrscheinlich profitiert Salzburg paradoxerweise sogar von der Situation: | |
Je interessanter Leipzig für junge Spieler wird, desto interessanter wird | |
Salzburg als Zwischenstation. Manch einer könnte bleiben. Und der große | |
internationale Glanz war vermutlich auch ohne Leipzig nie realistisch. Aber | |
wer ist schon gern Zwischenstation? Der Sieg in der Youth League ist ein | |
Booster für den gekränkten Fanstolz. Zu den Youth-League-Partien kamen | |
teils mehr Zuschauer als zu den Ligaspielen der Herren. „Der Pokal ist in | |
Salzburg – die Zukunft beginnt jetzt!“, hieß es auf einem Banner bei der | |
Siegesfeier. Für die Kollegen in Leipzig gilt das ganz sicher. Für | |
Österreich möglicherweise. Für Salzburg? Vermutlich wird man hier auch in | |
Zukunft eine Durchreisestation bleiben. | |
6 May 2017 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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