# taz.de -- Ökologie gegen Ökologie: Windkraftfirma vertreibt Vögel | |
> Im Kreis Friesland kämpfen Vogelschützer gegen neue Windräder: Für die | |
> Vertreibung seltener Arten hätten die Betreiber keine Genehmigung. | |
Bild: Im Wangerland sollen die Vögel schon Weichen, noch eh die Windräder geb… | |
HANNOVER taz | Noch knattern die Flatterbänder an 2.800 Bambusstäben im | |
Wind. Der Lärm soll Bodenbrüter fernhalten, damit auf den drei Feldern im | |
Landkreis Friesland bald mit dem Bau von 14 neuen Windrädern begonnen | |
werden kann. Doch die Vergrämungsmaßnahme sei nicht genehmigt, kritisiert | |
der Naturschutzbund (Nabu) – für die Windräder würden gefährdete Vogelart… | |
vertrieben. | |
Im konkreten Fall geht es vor allem um den Großen Brachvogel. Der | |
braun-gescheckte Vogel mit dem langen Schnepfenschnabel brütet in flachen | |
Mulden, die er sich mit Gras oder Moos auslegt. In Deutschland gilt seine | |
Population als bedroht. Vertreter ebendieser Art lebten und brüteten auf | |
den geplanten Windkraftstandorten in der Gemeinde Wangerland, sagt Ulrich | |
Thüre, der Sprecher des Nabu in Niedersachsen. | |
Um den Bau der Windräder und zunächst die Vergrämungen zu stoppen, zog der | |
Verband vor Gericht – jedoch ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht Oldenburg | |
wies den Antrag des Nabu aus formalen Gründen zurück, die Flatterbänder in | |
einer Vorabentscheidung, einem sogenannten Hängebeschluss, zu verbieten. | |
Denn die Vergrämungen seien nicht von den immissionsschutzrechtlichen | |
Genehmigungen des Landkreises erfasst, gegen die der Nabu in dem | |
Eilverfahren eigentlich vorgegangen war. | |
„Es werden also ohne Genehmigung Vögel vergrämt“, schließt Thüre daraus. | |
Die Betreiberfirma, die Bürgerenergiegesellschaft Wangerland, habe „die | |
Flächen unbrauchbar gemacht“, kritisiert auch Peter Kremer, der | |
Rechtsanwalt des Nabu. Indem die Flatterbänder noch vor der eigentlichen | |
Brutzeit aufgestellt worden seien, sei von vornherein verhindert worden, | |
dass dort Vögel nisteten. Das Naturschutzgesetz regele jedoch, dass | |
Fortpflanzungsstätten nicht beeinträchtigt werden dürften, sagt Kremer. „In | |
diesem Fall bedeutet das, dass die Brut ausfällt.“ | |
Der Landkreis Friesland und die Windkraftfirma sehen sich dennoch im Recht. | |
„Die Vergrämungsmaßnahme wurde im Vorfeld mit der unteren | |
Naturschutzbehörde abgestimmt“, sagt Nicola Karmires, die Sprecherin des | |
Landkreises. Eine Genehmigung sei nicht notwendig gewesen, da die | |
„Vergrämungsmaßnahme keine erhebliche Störung der Erhaltungsziele der | |
Population“ darstelle. | |
In den Genehmigungen für die Windkraftanlagen, hat der Landkreis allerdings | |
noch betont, dass mit den Bauvorbereitungen nicht in der Kernbrutzeit | |
zwischen März und Juni begonnen werden darf – es sei denn, ein Ornithologe | |
bestätigt, dass es keine Nester gibt. | |
Einen solchen Gutachter habe die Bürgerenergiegesellschaft hinzugezogen, | |
sagt Stefan Dierkes, einer der Rechtsanwälte der Firma. Dass der Große | |
Brachvogel auf den Flächen lebe, „haben wir nicht festgestellt. Sonst | |
würden wir nicht bauen.“ Zwar habe sich gezeigt, „dass es ihn im Großraum | |
gibt“, jedoch nicht auf den Bauflächen. | |
Nächste Woche solle mit dem Bau der Zufahrtswege und der Betonfundamente | |
für die Windkraftanlagen begonnen werden, sagt Dierkes. Das Unternehmen | |
habe sich penibel an die Vorgaben des Landkreises gehalten und aus diesem | |
Grund auch „etliche Hektar“ für Ausgleichsflächen von Landwirten gepachte… | |
Diese würden nun hergerichtet. | |
Der Landkreis bestätigte der taz, dass es Kompensationsflächen gibt. Für | |
Naturschützer ist das eine Mindestanforderung: Denn bestehende Flächen | |
seien von anderen Vögeln bereits besetzt, sagt Nabu-Anwalt Kremer. „Dass | |
die Tiere einfach woanders hingehen, funktioniert nicht.“ | |
Der Eilantrag des Nabu für einen kompletten Baustopp läuft am | |
Verwaltungsgericht Oldenburg noch. Zudem hat Kremer beim | |
Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschwerde gegen die Entscheidung über die | |
Vergrämungen eingelegt. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass es vor | |
Baubeginn noch eine Entscheidung gibt. | |
18 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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