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# taz.de -- Lärm durch Windkraft: Watt is immer
> Der Windkraftbetreiber Norderland will das Nachtbetriebsverbot für einige
> Windanlagen aufheben lassen. Anwohner beklagen höhere Lärmbelastungen.
Bild: Sollen auch nachts Geld einspielen: Windräder in der Gemeinde Utarp
Leer taz | Es zwuscht und rauscht – ununterbrochen. Zwischen Norden und
Wilhelmshaven an der ostfriesischen Nordseeküste ballen sich industrielle
Windenergieanlagen. Und das direkt angelehnt an Naturschutzgebiete und das
Weltnaturerbe Wattenmeer. Dörfer wie Utgast, Utarp und Roggenstede sind von
Rotoren geradezu umzingelt.
„Der Lärm der Anlagen macht uns krank“, sagt Kerstin Harms, Sprecherin der
Bürgerinitiative Roggenstede. Deswegen gibt es jetzt erneut Ärger mit dem
Windkraftbetreiber Johann Eisenhauer. Der mit Finanzwelt, Lokalpolitik und
dem Auricher Windanlagenbauer Enercon bestens vernetzte Chef der Norder
Firma Norderland möchte einige Anlagen im Landkreis Wittmund auch nachts
rotieren lassen.
## Vertrag schließt Nachtbetrieb aus
Um die Windanlagen überhaupt in Utarp, Samtgemeinde Holtriem (Landkreis
Wittmund) bauen und aufstocken zu können, hatten der Betreiber Norderland
und die Samtgemeinde Holtriem einen Vertrag geschlossen. In diesem Vertrag
verzichtet Norderland auf einen Nachtbetrieb. Der Grund: Die Anlagen machen
zu viel Lärm.
Jetzt hat Norderland aber eine Zulassung des Nachtbetriebes beim
zuständigen Landkreis Wittmund beantragt. „Wir sind kein Vertragspartner
von Norderland. Wir entscheiden selbstständig nur nach dem
Bundesimmissionsgesetz“, stellt Landkreissprecher Ralf Klöker klar. „Damit
ist unser Vertrag möglicherweise gegenstandslos“, befürchtet die
Bürgermeisterin der Samtgemeinde vor der Presse. Ein am Dienstagmittag
angesetzter Gesprächstermin mit dem Landkreis, der Firma Norderland und
Einwendern gegen den Nachtbetrieb nährt diese Befürchtungen. „Es wurde viel
geredet. Es wurden vom Betreiber merkwürdige Messdaten präsentiert“,
BI-Sprecherin Harms frustriert. „Wir Anwohner der Windparks werden wieder
mal nicht ernst genommen.“
Norderland begründet seinen Antrag mit den vielen Ausfallzeiten der
Windmühlen tagsüber. Verantwortlich dafür sei, neben mangelndem Wind, das
Management des nahe gelegenen Militärflughafens Wittmundhafen, so
Norderland. Fliegen die Tornados müssen, die Windräder still stehen. „Die
mangelnde Auslastung der Windparks bei Tage treibt den Betreiber
möglicherweise in die Insolvenz“, erklärt Betreiber Eisenhauer. „Wir müs…
profitabler produzieren, das heißt, die Anlagen müssen auch nachts laufen.“
Nach Angaben des Landkreises Wittmund haben elf Einwender gegen die
Aufhebung des Nachtbetriebes Einspruch erhoben. Hinter diesen Einwendern
stehen aber jeweils ganze Dorfgemeinschaften.
## Rotoren sollen ruhen
Um dem Ärger im Vorfeld die Spitze zu nehmen, bot Norderland an, bei
Nordwind die Anlagen doch noch abzuschalten. Damit würden einige Dörfer aus
dem Schallkorridor fallen. Der Wind weht an der Küste aber regelmäßig aus
entgegengesetzter Richtung. „Unser Dorf ist mitten in den Schallwellen
drin“, empört sich Harms von der BI Roggenstede.
Um das Ausmaß der Lärmbelästigung gibt es seit Langem Gerangel. Norderland
hat dem Antrag auf Nachtbetrieb neuere Messdaten beigelegt. Ergebnis: Die
Lärmbelästigung sei unbedenklich. Die BI Roggenstede hatte schon früher ein
Lärmgutachten erstellen lassen. Ergebnis: erheblich gesundheitsschädigend.
Weil es immer wieder Streit um die Gutachten gab, hatte die anliegende
Gemeinde Dornum schon früher ihre Lärm-Grenzwerte „geliftet“: Statt 45
Dezibel am Tage legte sie 60 Dezibel fest. Für die Nacht stieg der Dornumer
Grenzwert von 35 auf 45 Dezibel. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt
als Höchstwert grundsätzlich 45 Dezibel.
Sven Johannsen vom Zentrum für Umweltmessung im hessischen Birkenau hat
selbst vor Ort im Auftrag der BI Messungen durchgeführt. „Die Werte waren
linear gemessen und beurteilt schon recht hoch und maßgebliche Teile davon
waren den Windkraftanlagen vor Ort eindeutig zu zuschreiben“, sagt
Johannsen. „Im Bundesimmissionsgesetz gibt es verbindliche Grenzwerte. Aber
die Methode der Messungen ist nicht festgelegt.“ Behördliche Messungen
filterten meist die Tiefenfrequenzen aus dem Ergebnis, so der Gutachter.
„Aber das sind genau die Frequenzen, die besonders verantwortlich sind für
Herz- und Kreislaufstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Depressionen und
Schlaflosigkeit.“ Genau so eine gefilterte Messung hat Eisenhauer von
Norderland vorgelegt.
31 Jan 2019
## AUTOREN
Thomas Schumacher
## TAGS
Windkraft
Lärmschutz
Ostfriesland
Wattenmeer
Windkraft
Schleswig-Holstein
Erneuerbare Energien
Nabu
Umweltbundesamt
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