Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Stromsperren in Hamburg: Keine Kohle, kein Strom
> Stromsperren in Hamburg sind um 64 Prozent gestiegen. Nicht nur wegen
> verkürzter Mahnverfahren, sondern weil Hartz-IV-Sätze zu niedrig sind.
Bild: Der Strom ist weg: Eine Familie sitzt im Dunkeln
Hamburg taz | Wer in Hamburg seine Stromrechnung nicht zahlen kann, sitzt
schneller im Dunkeln. Der Anteil der Stromsperren ist im Jahr 2016
gegenüber 2015 um 64 Prozent gestiegen. Insgesamt macht das 10.948 Sperren.
Wie das kommt? Durch ein verändertes Mahnverfahren, sagt Stromnetz Hamburg,
genauer: die Verkürzung der Frist zwischen Ankündigung und Stromsperre. Sie
wurde von der Bundesnetzagentur – warum, war auf taz-Anfrage nicht zu
erfahren – 2016 von mehreren Wochen auf sechs Tage verkürzt, sodass
Stromnetz Hamburg seine letzte Warnung nicht mehr verschicken konnte.
Die Hamburger waren aber gewöhnt, dass nach drei Mahnungen des
Stromanbieters eine vierte von Stromnetz Hamburg folgte. Sie reagierten zu
spät und saßen im Dunklen. Daraus würden sie lernen, glaubt Stromnetz
Hamburg-Sprecherin Anette Polkehn-Appel. „2017 hat sich das Problem sicher
erledigt.“
Das ist nicht sicher. Auch ohne das Mahnungsproblem nähmen seit einem
halben Jahr die Stromschulden von Hartz-IV-Empfängern zu, sagt
Schuldnerberaterin Kerstin Föller von der Verbraucherzentrale Hamburg. Das
liege daran, dass die Hartz-IV-Sätze nicht mit den Energiepreisen Schritt
hielten. „Und leider kommen viele erst, wenn das Kind im Brunnen liegt“,
sagt Föller.
Dabei sei es wichtig, vor der Sperre Kontakt mit dem Stromanbieter
aufzunehmen. „Man kann Ratenzahlungen vereinbaren, sofern man glaubhaft
macht, dass man die Abschläge künftig pünktlich zahlt“, sagt Föller.
Vattenfall-Sprecher Hannes Hönemann bestätigt, dass man Kulanz übe, solange
sich die Ratenzahlung nicht zu lange hinziehe.
Um das zu schaffen, kann ein Hartz-IV-Empfänger beim Jobcenter ein Darlehen
beantragen. Auch Sozialämter übernähmen Stromschulden, sagt Enrico Ickler,
Referent von Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD).
Die Krux dabei: Viele Betroffene kennen nicht alle Hilfsangebote, und das
wird so bleiben. Dabei geht es auch anders: 2015 lud Bremens privater
Stromanbieter SWB, vom Senat zum Handeln aufgefordert, zum Runden Tisch zur
Vermeidung von Energie- und Wassersperren ein. Zehn Behörden und
Initiativen nahmen teil, darunter die Umwelt- und Sozialbehörde, das
Jobcenter und die Verbraucherzentrale.
Der Zweck: eine wechselseitige Information über Arbeitsabläufe und Fristen
sowie Vernetzung. „Das führt dann dazu, dass der Kollege vom Jobcenter bei
uns anruft und bittet, den Prozess gegen XY zu stoppen, weil dessen
Darlehen noch nicht beantragt ist.“ Das sei überhaupt das Ziel des Projekts
namens „Zappenduster“: mit den Leuten gemeinsam nach nicht ausgeschöpften
Zuschüssen zu schauen und erst dann zu überlegen, ob sie weiteres Geld
brauchten.
Beworben wird das Ganze durch Flyer, die die beteiligten Institutionen
verteilen. Sie verweisen auf eine Hotline, Hilfsangebote und eine Homepage.
Und es funktioniert: Gleich im ersten Jahr sanken Bremens Stromsperren um
sieben Prozent. Hamburgs Sozialbehörde dagegen bleibt stur. „Ein Runder
Tisch nach dem Muster der Initiative „Zappenduster“, sagt Referent Ickler,
„ist in Hamburg nicht geplant.“
23 Mar 2017
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
Energiekonzerne
Hartz IV
Hamburg
Jobcenter Hamburg
Delmenhorst
Bremen
Berlin
Hartz IV
## ARTIKEL ZUM THEMA
Servicewüste für Arbeitslose in Hamburg: Jobcenter stellt Telefone ab
Seit dieser Woche sind alle Hamburger Jobcenter nur noch über ein
Service-Callcenter erreichbar. Sozialberater sind entsetzt, Die Linke übt
Kritik
Eigentum verplichtet: Unschuldige bald ohne Wasser
Weil die Vermieter kein Geld an die Stadtwerke überweisen, will die Stadt
Delmenhorst zwei voll besetzten Wohnblöcken Wasser und Gas abdrehen
Nutzlose Prävention: Immer mehr Stromsperren
Trotz der Einrichtung eines Runden Tischs und einer Präventionskampagne der
SWB: Die Zahl der Stromsperren in Bremen ist schon wieder angestiegen.
Beratung für Schuldner eingestellt: Vattenfall knipst das Licht aus
VERSORGUNG Mehr als 17.000 Haushalten hat Vattenfall 2013 den Strom
abgestellt. Jetzt finanziert das Unternehmen auch keine Beratung für
säumige Kunden mehr
Stromsperre für Verbraucher: Dunkle Zeiten
Im vergangenen Jahr drehten die Versorger fast 20.000 Haushalten den Strom
ab. Berliner Piraten fordern ein Ende der rigiden Praxis.
Steigende Energiekosten belasten Arme: Acht Jahre ohne Strom
Manche Hartz-IV-Empfänger zahlen fast die Hälfte ihres Regelsatzes für
Strom. In Kiel helfen Energieberater armen Haushalten beim Stromsparen.
Stromsperre an Weihnachten: Stille Nacht, dunkle Nacht
Wer nicht zahlt, dem wird der Strom abgestellt. Die Bremer Linkspartei
fordert ein Moratorium, um wenigstens an Weihnachten niemanden im Dunkeln
sitzen zu lassen
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.