# taz.de -- Stromsperre für Verbraucher: Dunkle Zeiten | |
> Im vergangenen Jahr drehten die Versorger fast 20.000 Haushalten den | |
> Strom ab. Berliner Piraten fordern ein Ende der rigiden Praxis. | |
Bild: Leider ist kein Saft mehr da. | |
Die Energieversorger in Berlin haben im vergangenen Jahr 18.978 Haushalten | |
den Strom und 1.893 Haushalten das Gas abgestellt. Das hat eine Anfrage der | |
Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus ergeben. Deren sozialpolitischer | |
Sprecher Alexander Spies sagte: „Die hohen Zahlen sind ein Skandal.“ Da die | |
Preise für Energie weiter steigen, die Zahl der Menschen mit geringem | |
Einkommen aber nicht sinken würden, sei absehbar, dass in Zukunft noch mehr | |
Menschen von Energiesperren betroffen sein würden. | |
Während ein kleiner Teil der Sperrungen auf technische Erfordernisse wie | |
etwa Renovierungsarbeiten zurückgeht, sind in den allermeisten Fällen | |
offene Rechnungen der Anlass – genaue Zahlen liegen hier nicht vor. Ein | |
Stromversorger darf Kunden, die mehr als 100 Euro Schulden haben und die er | |
ergebnislos abgemahnt hat, von der Versorgung trennen. 2011 geschah dies | |
bundesweit in 312.000 Fällen. Der Gasversorger Gasag macht bei offenen | |
Forderungen von mehr als 50 Euro von der Sperrmöglichkeit Gebrauch. | |
Menschen, die Anspruch auf Sozialleistungen haben, können beim Jobcenter | |
Darlehen beantragen, wenn ihnen die Sperrung ihrer Energieversorgung wegen | |
unbezahlter Rechnungen angedroht wurde. | |
Doch die Bewilligungspraxis der Jocenter sei stark verbesserungswürdig, das | |
zeigten zahlreiche Gespräche mit Betroffenen, sagte Pirat Spies. Außerdem | |
brauche es mehr unabhängige Schuldnerberatungsstellen, damit Menschen in | |
Notsituationen schnell und umfassend Hilfe erhalten könnten. „Vor allem | |
aber muss die rigide Abmahn- und Sperrungspraxis der Energieversorger ein | |
Ende haben“, sagte Spies der taz. | |
Vattenfall als der größte von über 300 Stromanbietern in Berlin hat 2012 | |
über 1,8 Millionen Abmahnungen und 92.373 Sperrandrohungen verschickt. Das | |
Unternehmen biete Kunden mit Zahlungsschwierigkeiten an, den Kontakt zu | |
einer Verbraucher- und Sozialberatung herzustellen, sagte ein | |
Vattenfall-Sprecher. Davon machten jährlich etwa 3.000 Kunden Gebrauch. Wie | |
viele der rund 19.000 tatsächlichen Sperrungen auf das Konto von Vattenfall | |
gehen, ist nicht bekannt. | |
## Sperrungen verbieten | |
Ein generelles Verbot von Stromsperren hatte Ende vergangenen Jahres die | |
Linkspartei gefordert. Der Gesetzentwurf des noch bis Juni laufenden | |
Volksbegehrens „Neue Energie für Berlin“ sieht vor, dass die zu gründenden | |
Stadtwerke es „im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten vermeiden“, Menschen | |
den Strom abzustellen. Außerdem soll der kommunale Versorger | |
Energiesparberatung anbieten und insbesondere einkommensschwache Kunden mit | |
Förderprogrammen dabei unterstützen, alte Haushaltsgeräte durch | |
energiesparende Modelle zu ersetzen. „Die öffentliche Hand darf sich bei | |
diesem Thema nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagte die | |
Vertrauensperson des Volksbegehrens, Michael Below. „Wir wollen Stadtwerke, | |
die für eine ökologische und soziale Energiewende sorgen.“ Es sei | |
„schizophren“, dies von privaten, profitorientierten Unternehmen zu | |
erwarten | |
[Anmerkung d .Red.: In einer früheren Version dieses Textes endete der | |
erste Absatz mit einer falschen Formulierung. Dies haben wir korrigiert.] | |
18 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
Sebastian Puschner | |
## TAGS | |
Energiekonzerne | |
Liberia | |
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