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# taz.de -- Stromsperre an Weihnachten: Stille Nacht, dunkle Nacht
> Wer nicht zahlt, dem wird der Strom abgestellt. Die Bremer Linkspartei
> fordert ein Moratorium, um wenigstens an Weihnachten niemanden im Dunkeln
> sitzen zu lassen
Bild: Wenn der Strom gesperrt wurde, ist Kerzenlicht nicht mehr besinnlich, son…
Im Wohnzimmer vor dem Tannenbaum sitzen, im Dunkeln und nur bei
Kerzenlicht: eine romantische Vorstellung nur, wenn man es freiwillig
macht. Ein handfestes Problem ist das freilich für Menschen, denen der
Strom abgestellt wurde – bis Oktober waren das gut 3.700 Menschen im Land
Bremen. Die Linkspartei hat deswegen gefordert, Stromsperren wenigstens
über Weihnachten zu verbieten. Aber das geht nicht, denn die Zulässigkeit
von Stromabschaltungen ist bundesrechtlich geregelt.
Zu Herbert Thomsen vom Bremer Erwerbslosen-Verband kommen regelmäßig
Menschen mit einer Sperr-Androhung. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.
Probleme entstünden etwa, so Thomsen, wenn auf einen Schlag hohe
Nachzahlungen gefordert würden, weil man in einer neuen Wohnung mehr
verbraucht als die Vormieter – aber bis zur Jahresabrechnung die gleichen
monatlichen Abschläge gezahlt hat. Gerade Hartz-IV-Empfänger könnten sich
keine neuen Geräte leisten und besäßen oft Stromfresser wie uralte
Kühlschränke. „Manch ein Alleinstehender kommt deshalb auf über 70 Euro
Stromkosten im Monat“, sagt Thomsen.
Der Deutsche Mieterbund und der Paritätische Wohlfahrtsverband fordern
deshalb, dass der Stromverbrauch von Leistungsempfängern in tatsächlicher
Höhe übernommen wird. Denn bislang muss Strom aus dem normalen Regelsatz
bezahlt werden, und der wird an die explodierenden Strompreise nicht
angepasst.
Säumige Zahler, so Thomsen, könnten mit dem Stromversorger Ratenzahlungen
vereinbaren, „aber wenn Menschen nicht in den üblichen sechs Raten zahlen
können oder früher schon einmal Schulden bei der SWB hatten, gibt es gar
keine Vereinbarung“. Er verweist auf das Nachbarland Belgien: „Dort sind
Stromsperren den ganzen Winter über nicht erlaubt.“ Ähnliches möchte die
Linkspartei. Der Anstieg beim Strompreis in Folge der Energiewende könne
die Situation weiter zuspitzen, heißt es in einer Anfrage der
Linksfraktion. Gefordert seien Stromversorger und der Senat.
„Wir wissen, dass es eine dramatische Situation ist“, sagt Bernd Schneider,
Sprecher des Sozialressorts. Ein Verbot von Stromsperren aber sei nicht
drin. Weder Land noch Kommune hätten dazu die Kompetenz. Allerdings: Sollte
der Strom abgestellt werden, so gehe die Sozialbehörde von „faktischer
Unbewohnbarkeit“ aus: „Das wird behandelt wie eine drohende
Wohnungslosigkeit“, sagt Schneider und das hieße: „Die Energiekosten werden
im Regelfall als Darlehen übernommen.“ Ausnahmen bestünden, wenn jemand
vorsätzlich oder immer wieder nicht gezahlt habe. In der Senatsantwort auf
die Anfrage der Linksfraktion heißt es außerdem: „Mit dem Energieversorger
SWB ist vereinbart, dass die gesperrte Anlage schnellstmöglich (in der
Regel am Folgetag) freigemacht bzw. keine Sperrung vorgenommen wird, wenn
durch das Jobcenter eine Kostenübernahme signalisiert wird.“
Peter Erlanson, sozialpolitischer Sprecher der Bremer Linksfraktion, sagt
dazu: „Ich glaube nicht, dass es in der Realität so reibungslos läuft; umso
besser, dass der Senat sich hier schwarz auf weiß festlegt und eine Art
Anrecht formuliert.“
Herbert Thomsen kennt die Realität:t: „Weil Strom im Regelsatz enthalten
ist, heißt es bei den Mitarbeitern im Jobcenter oft, sie hätten damit
nichts zu tun und dass es Privatschulden seien.“ Bei Menschen, die keine
Leistungen beziehen, sei es noch schwieriger: „Die werden zur Bank
geschickt, um sich einen Kredit aufzunehmen. Formaljuristisch aber ist das
ein Notstand.“
Immerhin: Der Stromversorger SWB hat vor Weihnachten keine Sperr-Androhung
mehr rausgeschickt. Bei säumigen Kunden, deren Strom derzeit schon
abgestellt ist, bleibt das Unternehmen aber hart. In den letzten Wochen vor
Weihnachten haben sich die Zahlungseingänge gemehrt, die Anzahl der
gesperrten Anlagen habe sich laut SWB stündlich verringert. „Nicht
ungewöhnlich, kurz vorm Jahreswechsel“, so SWB-Sprecherin Angela Dittmer.
269.000 Mahnungen hat die SWB 2011 verschickt. Das wäre beinahe eine pro
Haushalt. Aber „manche kriegen eben ganz viele“, sagt Dittmer. Und: „Es
gibt Wiederholungstäter.“ Verplombt wird der Zähler erst nach zwei, drei
Mahnungen. Wenn danach der Inkasso-Knecht vor der Tür steht und kein Bares
sieht, wird’s dunkel. 4.654 Mal hat die SWB 2011 in Bremen Strom, Gas oder
Wasser abgestellt. Das übrigens gehe „querbeet“, sagt Dittmer, „durch al…
Stadtteile“ – nicht nur bei armen Menschen.
23 Dec 2012
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Energiekonzerne
Bremen
Wasserversorgung
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