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# taz.de -- Beratung für Schuldner eingestellt: Vattenfall knipst das Licht aus
> VERSORGUNG Mehr als 17.000 Haushalten hat Vattenfall 2013 den Strom
> abgestellt. Jetzt finanziert das Unternehmen auch keine Beratung für
> säumige Kunden mehr
Bild: Wenn hier nichts mehr rauskommt, wird's dunkel
Am Telefon geht keiner mehr dran: „Unsere Beratungsstelle ist ab sofort
geschlossen“, heißt es auf dem Anrufbeantworter der GVS, der Gemeinnützigen
Gesellschaft für Verbraucher- und Sozialberatung. Die Ursache: Vattenfall
möchte die Arbeit der Energieschuldenberater nicht mehr finanzieren.
280.000 Euro ließ der Konzern sich das Engagement für die gute Sache bisher
jährlich kosten. Der Energietisch kritisiert Vattenfall und fordert den
Senat auf, die Arbeit der Beratungsstelle mit Steuergeldern zu retten.
Im vergangenen Jahr wurde in Berlin in 17.184 Haushalten derStrom
abgeklemmt. Dies darf der Stromanbieter, wenn der Kunde mit seinen
Rechnungen mehr als 100 Euro im Rückstand ist. Außerdem muss die Sperre
vier Wochen vorher angedroht werden.
Bisher konnten sich Stromkunden mit Zahlungsproblemen an die GVS wenden.
300 Beratungen habe es im Schnitt pro Jahr gegeben, so Vattenfall-Sprecher
Hannes Hönemann. Energieschuldenberaterin Sibylle Zenker sagte Anfang des
Jahres in einem Interview: „Wir haben viele Haushalte, die seit längerer
Zeit von Arbeitslosengeld II leben, d. h. sie müssen ihren Haushalt auf
Verschleiß fahren.“ Ihr Kollege Sven Gärtner erläuterte: „In der Regel s…
es plötzlich 400 bis 500 Euro an Forderungen, für die es ein Zahlungsziel
von vier Wochen gibt. Meist kommen die Klienten kurz bevor die Frist
abläuft oder erst dann, wenn eine Stromsperre verhängt wurde.“ Die Berater
konnten zum Beispiel eine Ratenzahlung vereinbaren und so die Stromsperre
abwenden.
Vattenfall stellt die Finanzierung der Beratungsstelle einerseits ein, um
Kosten zu sparen, erläutert Unternehmenssprecher Hönemann. Das
Jahresergebnis des Konzerns war von einem Nachsteuergewinn von 1,84
Milliarden Euro im Jahr 2012 auf einen Verlust von 1,46 Milliarden im Jahr
2013 eingebrochen.
Außerdem habe Vattenfall in den fünf Jahren, in denen das Projekt lief,
dazugelernt. Hönemann: „Eine wesentliche Erkenntnis war: Wenn die Leute
schon ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen, dann haben sie oft auch viele
weitere Schulden.“ Eine Beratung allein zur Stromrechnung helfe also nicht,
das grundsätzliche Schuldenproblem zu lösen. Daher würden die Kunden jetzt
an eine Schuldnerberatungsstelle verwiesen, die zum Beispiel ein
Verbraucherinsolvenzverfahren einleiten kann.
„Berlins Grundversorger Vattenfall stiehlt sich aus der Verantwortung und
lässt von der Stromabklemmung Betroffene im Stich“, kritisiert
Energietisch-Sprecher Michael Efler. Das Unternehmen „drückt sich vor
seiner sozialen Verantwortung“. Er forderte ein Gesetz, durch das
Grundversorger wie Vattenfall verpflichtet werden, kostenlose
Energieschuldenberatung zu finanzieren. „Für die Zwischenzeit fordert der
Berliner Energietisch den Berliner Senat auf, die
GVS-Energieschuldenberatung kurzfristig mit öffentlichen Geldern zu
retten.“
Der Energietisch hatte ein Volksbegehren zur Gründung eines landeseigenen
Stadtwerks initiiert. Ausdrückliche Aufgabe dieses Unternehmens wäre es
auch gewesen, „Energiearmut“ durch Stromsperren möglichst zu vermeiden. Bei
der Abstimmung im November 2013 verfehlte der Vorschlag aber knapp die
notwendige Stimmenzahl.
Eine vom Energietisch initiierte Petition haben bisher 476 Personen
unterschrieben.
Für Menschen mit abgesperrten Stromanschluss wird das Mitmachen allerdings
auch nicht leicht gemacht – da es eine Online-Petition ist, braucht man
einen funktionsfähigen Computer.
5 Dec 2014
## AUTOREN
Sebastian Heiser
## TAGS
Berlin
Energieversorgung
Schulden
Beratung
Delmenhorst
Energiekonzerne
Braunkohle
Vattenfall
Kohlekraft
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