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# taz.de -- Treffen mit Varoufakis: Nur noch schnell Europa retten
> Griechenlands ehemaliger Finanzminister Yanis Varoufakis hat viele Ideen
> für die Zukunft der EU – zu viele für ein Espresso-Date.
Bild: Ökonomie-Vorlesung mit Yanis Varoufakis.
Wir treffen uns bei einem beliebten Italiener im Brüsseler Europaviertel.
Yanis Varoufakis bestellt einen doppelten Espresso und einen Orangensaft.
Er blickt mich fragend an, mit seinem typischen bohrenden Blick und einem
breiten Lächeln. Und dann schießt er los.
„Griechenland ist in derselben Lage wie 2015“, sagt der ehemalige
Finanzminister, der nach dem Clash mit Deutschland die Brocken hinwarf. Das
dritte Hilfsprogramm habe nichts verbessert, sondern die Schuldenlast nur
noch vergrößert. Auch Europa stehe auf der Kippe.
„Die EU ist unter der Eurokrise zusammengebrochen“, doziert der unorthodoxe
Ökonom. Aus der Finanz- sei eine Schulden- und dann eine politische Krise
geworden. Doch die EU-Politiker hätten es immer noch nicht begriffen. „They
are in denial“ – sie leugnen den Ernst der Lage.
Das stimmt natürlich nicht ganz. Gerade erst hat Kommissionspräsident
Jean-Claude Juncker fünf Szenarien zur Zukunft der EU vorgelegt – und
gewarnt, ein bloßes „weiter so“ sei keine Option. Auch Kanzlerin Angela
Merkel steuert um – sie will ein Europa à la carte.
## Die Europäische Union ist in Gefahr
Das greife alle viel zu kurz, entgegnet Varoufakis. Der Brexit habe doch
gezeigt, wohin die Reise geht. „Es gibt die reale Gefahr, dass das ganze
europäische Gebäude zusammenbricht“, warnt er. Sein Blick verdüstert sich,
einen Moment lang ist das ironische Lächeln verschwunden.
Was tun? Varoufakis, der nun die Demokratie-Bewegung DiEM 25 leitet,
schlägt einen Aktionsplan vor, der ohne Änderung der EU-Verträge auskommen
soll. Der Kern: Ein gigantisches Investitionsprogramm, das mit Anleihen der
Europäischen Investitionsbank finanziert werden soll.
Die EZB, also die Euro-Zentralbank in Frankfurt, könnte die Anleihen
besichern, so Varoufakis weiter. Außerdem soll die EZB die nach dem
Maastricht-Vertrag erlaubten, “guten“ Staatsschulden in Höhe von 60 Prozent
der Wirtschaftsleistung übernehmen – so würden Krisenländer wie Italien
oder Griechenland entlastet.
## Varoufakis fordert die Freigabe der „Greek Files“
Durch Entschuldung und Investitionen könne die EU wieder stabilisiert
werden, so Varoufakis. Erst danach könne man über weitere Reformen
nachdenken. Außerdem fordert er mehr Demokratie und Transparenz bei den
EU-Institutionen in Brüssel und bei der EZB in Frankfurt.
Besonders am Herzen liegen ihm die „Greek Files“ – geheime Rechtsgutachte…
die EZB-Chef Mario Draghi auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise um
Griechenland 2015 angefordert hat. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob
die Schließung griechischer Banken rechtmäßig war.
Zusammen mit dem Europaabgeordneten Fabio De Masi von der Linken hat
Varoufakis eine Kampagne zur Freigabe dieser Dokumente gestartet. „Wir
verlangen nichts Unmögliches. Wir wollen nur, dass die EZB genauso handelt
wie die Federal Reserve in den USA“, betont Varoufakis.
Jetzt ist er wieder ganz der Alte – so, wie wir ihn aus den beinharten
Verhandlungen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble 2015 kennen. Engagiert.
Leidenschaftlich. Man merkt, dass es ihm ernst ist. Der Espresso ist schon
bezahlt, wir sollen unseren reservierten Tisch verlassen.
Doch Varoufakis redet weiter, immer weiter. Er hat eine neue Mission
gefunden. Diesmal geht es nicht mehr „nur“ um Griechenland, sondern um ganz
Europa.
10 Mar 2017
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Schwerpunkt Krise in Griechenland
Europa
Schwerpunkt Brexit
Schulden
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