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# taz.de -- Die Petition der Woche: Mediensucht in Kitas?
> Wann sollen Kinder Zugang zu digitalen Geräten kriegen? Eine Petition
> fordert: nicht im Vorschulalter, ihr Wohl sei in Gefahr. Doch es gibt
> Gegner.
Bild: Das Grauen! Ein Kind tippt auf ein Tablet
Unsere Kinder seien in Gefahr, glauben die Initiatoren der Petition
[1][„Digital-KITA? – NEIN!“] und ihre Unterzeichner. Was den Nachwuchs
bedrohe, sei die Nutzung digitaler Geräte bereits im Vorschulalter. Die
hemme die Hirnentwicklung und schleiche sich Schritt für Schritt immer
weiter in Kinderzimmer und Kitas. Es gehe „nicht um
Technologie-Feindlichkeit“, heißt es. Sondern „um den Schutz des
Entwicklungsraums Kindheit, um das Kindeswohl, das Menschenrecht auf
Kindheit, damit Jugendliche und Erwachsene kompetente Nutzer von
Technologie werden.“
Mehr als 30.000 Menschen haben die Petition Mitte März bereits
unterzeichnet, 100.000 sollen es bis Mai noch werden, und dann möchte man
Jugendministerin Manuela Schwesig die Forderungen übergeben. Aber was wird
eigentlich gefordert?
Laut Petition geht es darum, ein Netzwerk gegen die Digitalisierung in
Kinderzimmern und Kitas aufzubauen. Außerdem will man „konstruktive
Bildungsinvestitionen“. Einigen, die auf der Petitionsseite diskutieren,
ist das zu unkonkret. Die Erklärung des Initiators, Michael Wetenkamp: „Man
muss in die Beziehung zwischen Kind und Erziehern investieren, nicht in die
Digitalisierung.“ Wetenkamp ist im Vorstand der Vereinigung der
[2][Waldorfkindergärten], arbeitet selbst aber nicht mit Kindern.
Um seine Forderung zu unterstützen, führt er Statistiken an: 70 Prozent der
Zwei- bis Fünfjährigen in Deutschland verbrächten eine halbe Stunde pro Tag
am Smartphone, heißt es da. Und dass die Lieblings-App der Sechsjährigen
Facebook sei. „Dafür hätte ich gerne mal eine Quelle“, kommentiert ein
Kritiker. Doch die Zahlen wirken: Einige Unterzeichner*innen schreiben, wie
schockiert sie angesichts der Digitalisierung in Kindergärten seien.
## Praxis und Statistiken
Es gibt freilich Praktiker, die die Situation längst nicht so dramatisch
darstellen. Lisa Müller leitet eine Kindertagesstätte in München. Dort gibt
es einen Laptop. „Den nutzen wir aber eigentlich nicht“, sagt sie. Der
Schwerpunkt liege auf der Gruppenzusammenarbeit, nicht auf der Vorbereitung
auf digitale Medien. „Du hast ja auch gar nicht 25 Laptops für alle,
deswegen kannst du gar nicht so viel damit arbeiten.“ Außerdem könnten die
Kinder nicht so lange und so oft an den Laptop, wie sie wollen. Der liege
außer Reichweite und werde nur dann ein Thema, wenn die Erzieherinnen ihn
dazu machten. Trotzdem ist Müller für die Petition.
Diese listet erschreckende Nebenwirkungen digitaler Medien auf:
Sprachstörungen, Empathieverlust, Neigung zu kriminellem Verhalten,
[3][Suchtverhalten]. All das sei wissenschaftlich bewiesen.
Falsch – sagt Professor Stefan Aufenanger. Er unterrichtet Medienpädagogik
am Institut für Erziehungswissenschaften in Mainz. „Natürlich gibt es
kritische Studien zu Apps. Aber es gibt auch eine ganze Menge, die
Fortschritte bei den Kindern sehen, besonders im Zahlenverständnis.“ In der
Petition ist zudem von negativen Auswirkungen die Rede, die
neurowissenschaftlich bewiesen seien. Auch das ist laut Aufenanger nicht
die ganze Wahrheit: Die Studien, die es dazu gebe, seien Tierversuche oder
Versuche mit Erwachsenen.
Der Wissenschaftler beteiligt sich an einem Pilotprojekt des Landes
Rheinland-Pfalz. Im Oktober 2015 startete das Modellprojekt KiTab. Seitdem
arbeiten dort drei Kindergärten mit Tablets: Die Kinder spielen darauf,
drehen etwa selber kleine Trickfilme – alles unter Aufsicht und Anleitung
von Erzieher*innen. Die Kinder seien höchstens eine halbe Stunde am Tag am
Gerät. Dass die Petition insinuiere, die Kinder hätten ständig und ohne
Aufsicht Zugang zu den Tablets, bezeichnet Aufenanger als Frechheit und
weltfremde Unterstellung.
Doch was soll es den Kindern bringen, am Tablet zu spielen? Laut KiTab: Sie
würden kreativ und aktiv, außerdem fördere es die Beziehung zwischen den
Kindern, ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbewusstsein. Es handle sich
aber nicht um einen Ersatz fürs Spielen und Toben.
Wetenkamp, der Initiator der Petition, sieht das anders: „Wir brauchen im
Kindergarten überhaupt keine digitalen Endgeräte. Mit 12 Jahren, da wäre
das das Richtige. Davor sollen die Kinder ihre Sinne schulen.“
21 Mar 2017
## LINKS
[1] https://www.openpetition.de/petition/online/digital-kita-nein-ja-zu-konstru…
[2] /!5344820
[3] /Sinkender-Drogenkonsum/!5392699
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
## TAGS
Kita
Erziehung
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Jugendliche
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