# taz.de -- G20-Finanzministertreffen: Neue deutsche Einsamkeit | |
> Finanzminister Wolfgang Schäuble will es Konzernen schwerer machen, keine | |
> Steuern zu zahlen. Beginnt bald ein ruinöser Wettbewerb? | |
Bild: Demo gegen eine kritische Verschuldung von 116 Ländern in der Innenstadt… | |
So richtig vertraut wirken Finanzminister Wolfgang Schäuble und sein neuer | |
US-Kollege [1][Steven Mnuchin] noch nicht. Dies Woche weilt der ehemalige | |
Wall-Street-Banker [2][in Deutschland]. Bei der Pressekonferenz nach seinem | |
Antrittsbesuch in Berlin marschierte Mnuchin so schwungvoll auf die Bühne, | |
dass Schäuble im Rollstuhl deutlich zurückfiel. Als Schäubles Sprecherin | |
den Gast aus den USA anspricht, gelingt die korrekte Aussprache seines | |
Namens mit diesem verflixten „Mnu“ am Anfang noch nicht ganz. | |
Auch inhaltlich dürfte es zwischen dem deutschen Politikveteranen Schäuble | |
und dem US-amerikanischen Politikneuling Mnuchin ziemliche Differenzen | |
gegeben haben. Beim Pressegespräch einigten sie sich auf eine Minimalformel | |
an Gemeinsamkeiten. „Wir hatten eine extrem produktive Diskussion“, sagte | |
Mnuchin. „Wir stimmen voll darin überein, dass wir Wachstum und Wohlstand | |
für alle voranbringen wollen“, erklärte Schäuble. Nun gut, wer will schon | |
Abschwung und Armut für alle? | |
Es ist die Woche des großen Beschnupperns der deutschen und der neuen | |
US-Regierung. Angela Merkel weilte bei Trump, für Mnuchin und Schäuble ging | |
es am Freitag weiter nach Baden-Baden, wo sich die Finanzminister und | |
Notenbankchefs der 20 größten Industrienationen bis Samstag zum großen | |
Austauschplausch im Kurhaus treffen. Am Ende des Treffens muss, wie immer, | |
eine gemeinsame Erklärung stehen. Nur wie? Im letzten Communiqué von Juli | |
2016 stand noch, man wolle das UN-Klimaschutzabkommen von Paris umsetzen. | |
Trump aber hat unter der Woche seinen Haushalt präsentiert, er will | |
sämtliche Zahlungen im Kampf gegen den Klimawandel streichen. Die G 20 will | |
eigentlich „allen Formen des Protektionismus widerstehen“, hieß es noch vor | |
einem Jahr. Doch das Repräsentantenhaus in Washington stellte dies Woche | |
unter Absprache mit der Trump-Administration Pläne vor, die Importsteuern | |
vorsehen. Sollte das kommen, drohte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte | |
Zypries am Freitag, werde man die USA womöglich vor der | |
Welthandelsorganisation verklagen. | |
Bei all dem Getöse übersieht man leicht, worum es bei diesen Treffen nicht | |
geht: um Schäubles großes Thema der letzten Jahre – dem Kampf gegen | |
Steuerflucht und Steuerhinterziehung. | |
Für den deutschen Finanzminister sind es Erinnerungen an gute, alte Zeiten, | |
als er im November 2012 zusammen mit seinem britischen Amtskollegen George | |
Osborne die G-20-Staaten genau darauf einschwor. Es sollte gemeinsam Regeln | |
geben, die verhindern, dass Konzerne ihre Gewinne in Länder verlagern, wo | |
die Steuersätze extrem niedrig sind. | |
Schäuble schwebte sogar vor, zumindest innerhalb der EU Mindeststeuersätze | |
einzuführen, um zu verhindern, dass sich Staaten gegenseitig unterbieten. | |
Der Vorschlag hat bis heute keine Chance. „Wir sind da ganz klar in einer | |
Minderheit. Die meisten Staaten wollen sich auf eine solche Diskussion | |
überhaupt nicht einlassen“, heißt es dazu aus dem Finanzministerium. | |
Möglicherweise war es nur ein kleines historisches Zeitfenster, in dem | |
Staaten zumindest versucht haben, die multinationalen Konzerne und reichen | |
Eliten einzufangen, die ihre Geld dorthin schaffen, wo sie möglichst wenig | |
zur Finanzierung des Gemeinwohls beitragen müssen. Das Fenster öffnete sich | |
nach der Finanzkrise von 2008 und den Enthüllungen über Großkonzerne wie | |
Apple, Google Starbucks, die fast keine Steuern entrichten. Aus dem | |
Schäuble-Osbourne-Plan entwickelte sich ein Aktionsprogramm der | |
G-20-Staaten mit der Abkürzung BEPS. Es zeitigt tatsächlich Resultate. | |
## Schlupflöcher sind keine Naturkatastrophe | |
Mittlerweile tauschen Steuerbehörden weltweit Daten aus. Sie verpflichten | |
sich, die Hintermänner von Briefkastenfirmen zu ermitteln, außerdem sollen | |
multinationale Konzerne ihre Bilanzen bald nach Ländern aufschlüsseln. | |
Damit erkennen sie, in welchen Ländern Großkonzerne kaum Umsätze, aber | |
riesige Gewinne machen. Ein deutlicher Hinweis, dass jemand eine Steueroase | |
ausnutzt. | |
Außerdem sind Hunderte von Doppelbesteuerungsabkommen geändert worden. Die | |
waren eigentlich dazu gedacht, dass Firmen, die global unterwegs sind, | |
nicht in mehreren Ländern Steuern auf denselben Gewinn zahlen müssen. Oft | |
führen sie aber dazu, dass sie gar keine Steuern zahlen. | |
Francis Weyzig ist Experte für Steuergerechtigkeit bei Oxfam. Die | |
Organisation setzt sich vor allem für faire Steuerregeln für | |
Entwicklungsländer ein. Viele Löcher in Doppelbesteuerungsabkommen würden | |
momentan gestopft, sagt er. Weyzig hat sogar ein Lob für Wolfgang Schäuble | |
parat: „Deutschland hat in den letzten Jahren eine sehr konstruktive Rolle | |
gespielt, wenn es darum ging, gefährliche Steuersparmodelle abzustellen.“ | |
Attac, die Kirchen und andere Organisationen sehen das etwas anders und | |
protestieren in Baden-Baden. Dominique Plihon, Sprecher von Attac | |
Frankreich und emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der | |
Sorbonne, sagte: „Steuerflucht und Steuervermeidung gehören zu den größten | |
Bedrohungen für unsere Gesellschaft und Demokratie.“ Denn sie seien die | |
Hauptgründe für die Haushaltsdefizite und Verschuldung von Staaten. Und | |
auch Francis Weyzig von Oxfam schränkt ein, dass Deutschland weit weniger | |
konstruktiv sei, wenn es um mehr Transparenz geht. Die wäre wichtig, um die | |
Politik unter Druck zu setzen. Steuerschlupflöcher sind keine | |
Naturkatastrophe Sie werden von Staaten geschaffen, um Geld anzuziehen. | |
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat als Ministerpräsident von | |
Luxemburg sein Land in eine Steueroase verwandelt. Aufgeflogen ist das | |
durch den Whistleblower Antoine Deltour. Während Juncker in Brüssel fest im | |
Sattel sitzt, hat Deltour diese Woche seien Berufungsprozess verloren – er | |
wurde zu einem Jahr auf Bewährung verurteilt. | |
Oxfam fordert, dass Unternehmen verpflichtet werden müssten, ihre nach | |
Ländern aufgeschlüsselten Bilanzen offenzulegen. Künftig könnte so jeder | |
sofort sehen, ob Amazon in Deutschland auch angemessen Steuern abführt oder | |
seine Gewinne ins Ausland verlagert – Letzteres wäre im Weihnachtsgeschäft | |
nicht sonderlich umsatzfördernd. Schäuble lehnt eine solche Offenlegung | |
aber kategorisch als „Pranger“ ab. | |
Momentan sind solche wichtigen Details ohnehin von der Tagesordnung der | |
internationalen Wirtschaftspolitik verschwunden. Großbritannien ist vom | |
Verbündeten zum Gegner geworden: Die britische Premierministerin Theresa | |
May droht der EU offen damit, die Insel zu einem Steuerparadies für | |
Unternehmen auszubauen. Auch die USA wollen nebst Zöllen niedrigere | |
Steuersätze für Unternehmen. Es droht wieder ein ruinöser | |
Standortwettbewerb der Staaten, die sich mit Niedrigsteuern gegenseitig | |
unterbieten. | |
Das will Schäuble verhindern. Sonst bringt das Stopfen von Löchern auch | |
nichts. Denn, so heißt es aus dem Finanzministerium: Wer muss schon vor | |
Steuern fliehen, wenn er sowieso keine zahlen muss. | |
17 Mar 2017 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Ingo Arzt | |
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