# taz.de -- Jüdischer Naschmarkt in Berlin: Endlich wieder Hummus! | |
> Karpfen! Und Schakschuka! In aller Welt gibt es Food-Festivals der | |
> jüdischen Küche. Nur in Berlin nicht. Das soll sich jetzt ändern. | |
Bild: Während des Nosh-Festivals widmen sich die Teilnehmer eine Woche lang de… | |
Was eigentlich ist jüdische Küche? Viele Berliner mögen dabei zuerst an | |
israelische Gerichte wie Hummus oder das zunehmend auch hier beliebte | |
Tomate-Ei-Frühstück Schakschuka denken, an zweiter Stelle vielleicht noch | |
an Gefilte Fisch, zumeist gehackter Karpfen, ein Klassiker der | |
aschkenasischen Tradition, also jener aus Ost- und Mitteleuropa stammenden | |
jüdischen Küche. | |
„Genau das ist es“, sagt Laurel Kratochvila, Betreiberin der Buchhandlung | |
Shakespeare & Sons in Friedrichshain und der im selben Haus befindlichen | |
Bäckerei Fine Bagels. Die „eine“ jüdische Küche gebe es nicht. | |
Über die Jahrhunderte sind in der Diaspora verschiedene Speisetraditionen | |
entstanden, die ihre Ursprünge oft in landestypischen Essgewohnheiten haben | |
und diese ihrerseits bis heute beeinflussen. So gibt es eben eine | |
aschkenasische, eine mitteleuropäische, eine orientalische oder auch eine | |
nordamerikanische jüdische Küche. | |
In den vergangenen Jahren ist in Berlin eine jüdische und von jüdischen | |
Einflüssen geprägte Food-Szene gewachsen. „Diese wollen wir zeigen, | |
erklären und erweitern“, sagt Kratochvila. Die aus Boston stammende | |
Bäckerin veranstaltet deswegen das erste Berliner Festival der jüdischen | |
Küche, „Nosh“, Jiddisch für Essen oder Naschen, das an diesem Sonntag | |
beginnt. | |
## Menschen, die gern essen | |
Bis zum 26. März, also eine ganze Woche lang, finden an verschiedenen Orten | |
in der Stadt Verkostungen, Märkte, Workshops, Lesungen oder | |
Filmvorführungen statt. Dabei spielen unter anderem die osteuropäische, | |
orientalische, persische oder italienische Küche eine Rolle. | |
Den Auftakt macht um 10 Uhr am Sonntag ein Frühstücksmarkt in der | |
Markthalle Neun in Kreuzberg. Mit dabei sind mehr als 30 Buden, darunter | |
etwa die von Mogg & Melzer, die ihre Pastrami-Sandwiches anbieten. Bereits | |
2013 wurde das schicke Deli in Mitte vom berühmten Restaurantkritiker der | |
New York Times, Pete Wells, in den Himmel gelobt. Das Pastrami, | |
gepökeltes Rindfleisch, stehe dem Original der US-amerikanischen Ostküste | |
in nichts nach, ja es sei sogar besser. | |
Auch das israelische Café Gordon wird einen Stand in der Markthalle haben. | |
Dessen Betreiber Doron Eisenberg und Nir Ivenizki haben es geschafft, einen | |
Treffpunkt für einen Teil der israelischen Community in Neukölln zu | |
etablieren. Und was servieren sie? Natürlich Schakschuka und Hummus. | |
Im Rahmen des Festivals aber bieten nicht nur Berliner ihre Gerichte an. | |
„Nosh“-Veranstalterin Kratochvila hat eine Vielzahl von Köchen und Foodies | |
eingeladen – Foodies: So heißen heute, ganz großstädtisch, Menschen, die | |
gern essen. Am Montag etwa führen bei Fine Bagels Mitglieder des JCC | |
Krakau, eines dortigen Gemeindezentrums, in die polnisch-jüdische Küche | |
ein. Vor allem Heringe – ob nun zwischen zwei Bagelhälften, süßlich oder | |
einfach nur mit Zwiebeln – werden zubereitet. Darüber, dass die Gäste nach | |
dem Fischverzehr ob des Atems nicht miteinander ins Gespräch kommen | |
könnten, macht Kratochvila sich keine Sorgen. „Schließlich stinken alle“, | |
sagt sie. | |
## Judentum und Vegetarismus | |
Am Dienstag gibt dann die Bloggerin Amy Kritzer eine Einführung in Speisen, | |
die an Pessach, einem der wichtigsten jüdischen Feiertage, gegessen werden, | |
natürlich samt Probierrunde. Ohnehin sind viele Blogger und Buchautoren bei | |
„Nosh“ vertreten; es soll nicht bloß gekocht, sondern auch theoretisiert | |
werden. So findet in der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg eine | |
Podiumsdiskussion zum Thema „Judentum und Vegetarismus“ statt. Die | |
Teilnehmer fragen zum Beispiel, warum es ausgerechnet in Tel Aviv derart | |
viele vegetarische Restaurants gibt. | |
Im vergangenen Jahr hatte Kratochvila den New Yorker Kochbuchautor Jeffrey | |
Yoskowitz zu Gast in ihrer Buchhandlung. Dieser fand es merkwürdig, dass es | |
in anderen Metropolen weltweit jüdische Food-Festivals gebe, aber | |
ausgerechnet in Berlin nicht. Das musste geändert werden! Kratochvila | |
setzte sich mit einer Freundin zusammen und fing an, Leute anzuschreiben, | |
nach Locations zu suchen. „Alle waren begeistert von der Idee und sehr | |
zuvorkommend, viele Teilnehmer verlangen keine Gagen“, sagt sie. Ihr | |
Festival finanziert Kratochvila selbst, für das nächste Jahr aber hofft sie | |
auf öffentliche Förderungen. | |
„Mit ‚Nosh‘ wollen wir die kulinarische Szene in Berlin voranbringen“, | |
erzählt Kratochvila. „Vor dem Zweiten Weltkrieg war dies die kulturell und | |
ethnisch vielfältigste Stadt Europas – und heute sind wir wieder auf dem | |
Weg dorthin.“ Das zeige sich laut Kratochvila auch am Essen. Berlin sei ein | |
kulinarischer Schmelztiegel, hier kommen verschiedene Traditionen zusammen | |
und Neues entstehe. | |
18 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Philipp Fritz | |
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