# taz.de -- Vergütungsregeln im Journalismus: Gewerkschaften kritisieren Verle… | |
> Der Verlegerverband kündigt branchenweit gültige Vergütungsregeln für | |
> freie AutorInnen. Grund ist ein Gesetz, das Verbandsklagen ermöglicht. | |
Bild: Mit Stift und Papier: Freie JournalistInnen verdienen oft extrem wenig Ge… | |
Arm, ärmer, Autor – dieser launigen Alliteration bedienen sich freie | |
MitarbeiterInnen in den Medien häufig, wenn sie Außenstehenden ihre | |
Arbeitsbedingungen skizzieren. Denn die haben kaum etwas mit dem Klischee | |
üppiger Spesenpauschalen und schöner Penthouse-Schreibstuben zu tun. | |
Besonders hart trifft es selbständige JournalistInnen bei Tageszeitungen: | |
Aufwand und Ertrag hängen hier bisweilen in einer regelrecht asozialen | |
Schieflage. Diese könnte nun noch weiter kippen. | |
In bewundernswerter Offenheit hatte vor bald zehn Jahren die Autorin | |
Gabriele Bärtels in der Zeit über die Folgen dieser Preispolitik berichtet: | |
[1][„Schreiben macht arm“, notierte sie], erzählte von ganzseitigen | |
Reportagen mit mehreren Tagen Aufwand für 250 Euro und dass sie – wenn es | |
ihr dann richtig schlecht ging – gar Freunde anpumpen musste, damit sie | |
sich die damals erhobene Praxisgebühr und damit einen Arztbesuch leisten | |
konnte. | |
Für viele Autoren, die „nach Zeile“ bezahlt werden, war der Januar 2010 ein | |
Lichtblick: Damals traten [2][branchenweit gemeinsame Vergütungsregeln] in | |
Kraft, quasi ein Mindestlohn für freie SchreiberInnen. Nun aber hat der | |
Zeitungsverlegerverband BDZV diese Vereinbarung gekündigt. | |
Grund dafür ist das „Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der | |
Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung“, [3][das Anfang | |
März in Kraft trat]. Tatsächlich birgt das Gesetz für die Verlage ein | |
großes Risiko: Es führt ein Verbandsklagerecht ein – für die Urheber, also | |
hier die freien Journalisten, ein Gewinn. | |
## Klagen gegen Dumpinghonorare | |
Dank dem Verbandsklagerecht müssen nicht mehr einzelne AutorInnen gegen | |
teils mächtige Medienhäuser vor Gericht ziehen. Es können nun ihre Verbände | |
gegen Dumpinghonorare klagen. Das Problem: Mit der Kündigung sind die | |
gemeinsamen Vergütungsregeln dafür kein Maßstab mehr. Der Deutsche | |
Journalistenverband (DJV) spricht von einem „Affront gegen die Freien“, | |
Verdi nennt den Schritt „entblößend“. | |
Die gemeinsamen Vergütungsregeln waren durchaus effektiv. So erstritten | |
etwa zwei freie Journalisten vor Kölner Gerichten Honorare von insgesamt | |
knapp 23.000 Euro – ausdrücklich mit Verweis auf die branchenweit | |
ausgehandelten Mindestzeilensätze. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies | |
erst vor gut einem Jahr. In dem Rechtsstreit ging es unter anderem um | |
gezahlte Zeilensätze von 21 Cent. Kläger und Richter fanden 56 Cent pro | |
Zeile angemessen, orientiert an den gemeinsamen Vergütungsregeln. | |
## „Panische Verleger“ | |
Der Prozesserfolg löste damals bei den Gewerkschaften auch wegen einer | |
pikanten Personalie Jubel aus: Nachzahlen musste ausgerechnet der Bonner | |
Generalanzeiger, dessen jahrzehntelanger Verlagsgeschäftsführer einst für | |
den BDZV die Verhandlungen über die Vergütungsregeln geführt hatte. Die | |
Entscheidung wird Vorbildcharakter haben, doch Klagen wären sicher | |
erfolgsversprechender, könnten KlägerInnen auf branchenweit ausgehandelte | |
Sätze zeigen. | |
„Die Kündigung kurz vor Toresschluss wirkt wie eine Panikattacke der | |
Zeitungsverleger“, sagt der DJV-Vorsitzende Frank Überall. Er arbeitet | |
selbst als freier Journalist, wenn auch eher für den Hörfunk. Der | |
stellvertretende Verdi-Vorsitzende Frank Werneke mutmaßt sogar, die | |
Zeitungsverleger wollten die Bedingungen für ihre freien MitarbeiterInnen | |
„offensichtlich noch weiter verschlechtern“. | |
Der Schritt sei „zwingend geboten“ gewesen, heißt es vonseiten des BDZV. | |
Der Verband sei aber zu Gesprächen mit den Gewerkschaften bereit, um zu | |
klären, „wie künftig gemeinsame Vergütungsregeln unter Berücksichtigung d… | |
neuen Gesetzessystematik [. . .] aussehen können“. Mit einer schnellen | |
Einigung ist indes nicht zu rechnen: Die Verhandlungen für die nun | |
gekündigten Vergütungsregeln hatten sieben Jahre gedauert. | |
1 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.zeit.de/2007/45/C-Freie-Journalistin | |
[2] /Mehr-Rechte-fuer-freie-Journalisten/!5144557 | |
[3] /Verguetungsregeln-fuer-freie-Journalisten/!5264856 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bouhs | |
## TAGS | |
Verdi | |
Journalismus | |
Verleger | |
Gewerkschaft | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
DJV | |
Schwerpunkt Zeitungskrise | |
re:publica | |
PR | |
Presserecht | |
Journalist | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kongress der deutschen Zeitungsverleger: Schuld sind die anderen | |
Beim Jahreskongress schimpfen Verleger auf Facebook, Google und die | |
Öffentlich-Rechtlichen. Die eigenen Fehler kommen nicht zur Sprache. | |
Onlineplattformbetreiber über Textarbeit: „Der Markt ist kaputt“ | |
Viele Texter verdienen im Netz nicht mehr als Hartz IV. Ein Gespräch mit | |
Unternehmer Arne-Christian Sigge über neue Geschäftsmodelle. | |
Wechsel vom Journalismus zur PR: Des Geldes wegen, aber nicht gern | |
Immer wieder gehen JournalistInnen in einen PR-Job. Eine qualitative | |
Befragung der Uni Mainz ergründet ihre Motivation – und ihre Zufriedenheit. | |
Neuer Presseausweis ab 2018: Hauptsache hauptberuflich | |
Innenminister und Presserat führen den einheitlichen Presseausweis wieder | |
ein. Kleinere Verbände wie Freelens müssen sich fügen. | |
Vergütungsregeln für freie Journalisten: Halbherzige Hilfe bei Honoraren | |
Freie Journalisten werden schlecht bezahlt. Das soll sich ändern – doch DJV | |
und Verdi finden den Gesetzentwurf des Justizministers lückenhaft. | |
Mehr Rechte für freie Journalisten: Doch niemand jubelte | |
Obwohl seit Februar 2010 Regeln für Mindesthonorare inkraft sind, werden | |
freie Journalisten weiter mit Mini-Zeilengeldern und Schummel-Vorteilen | |
abgespeist. | |
Debatte Freie Journalisten: Arm, ärmer, Autor | |
Die Lage freier Journalisten ist dramatisch. Medien und Institutionen | |
zahlen immer geringere Honorare, gleichzeitig drängen ehemals | |
Festangestellte auf den Markt. |