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# taz.de -- Mehr Rechte für freie Journalisten: Doch niemand jubelte
> Obwohl seit Februar 2010 Regeln für Mindesthonorare inkraft sind, werden
> freie Journalisten weiter mit Mini-Zeilengeldern und Schummel-Vorteilen
> abgespeist.
Bild: Fachtagung des Journalistenverbandes zum Thema.
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. So war bisher der Verdienst vieler
freier Journalisten. Doch seit 1. Februar gelten erstmals bundesweite
Vergütungsregeln. Auf dem Papier hat sich die Lage damit für viele Freie
deutlich verbessert. Aber können sie ihre Ansprüche in der Praxis auch
durchsetzen?
Beate Franck ist eine erfahrene freie Journalistin, sie schrieb unter
anderem für die Frankenpost in Hof. Als die neuen Vergütungsregeln kamen,
freute sie sich. Wenn sie bisher für die Hofer Lokalausgabe arbeitete,
bekam sie 35 Cent pro Zeile. Laut Vergütungsregeln sind jetzt aber 52 Cent
Minimum. Also schrieb sie Anfang März gemeinsam mit ihrem Kollegen Ronald
Dietel, der noch viel weniger Zeilengeld bekam, an die Frankenpost. Franck
und Dietel baten, künftig nach den Vergütungsregeln bezahlt zu werden.
Die Antwort kam postwendend und war ein Schock: "Haben Sie Dank für Ihr
großzügiges Angebot, auf das wir leider nicht zurückgreifen können. Ich
wünsche Ihnen für Ihre berufliche Zukunft alles Gute." Unterzeichnet war
der zynische Dreizeilen-Abchiedsbrief von Johann Pirthauer, dem
Chefredakteur der Frankenpost.
Was konkret gemeint war, erfuhr Ronald Dietel einen Tag später. Er dürfe
nicht mehr eingesetzt werden, teilte ihm sein lokaler Redaktionsleiter mit,
Anweisung der Zentrale.
Bekommen Freie, die Ihre Rechte einfordern, bei der Frankenpost
Schreibverbot? Diesen Eindruck will Redaktionsdirektor Werner Mergner nicht
stehen lassen. "Wir waren aus beruflichen Gründen unzufrieden mit Frau
Franck und wollten uns eh von ihr trennen", sagte er zur taz. Die Forderung
nach gesetzlicher Bezahlung habe nur "das Fass zum Überlaufen gebracht."
Mit Ronald Dietel wolle man jedoch weiter zusammenarbeiten und werde sich
mit ihm einigen. "Es ist völlig verkehrt, die Frankenpost in die
Bescheißer-Ecke zu stellen", empört sich der Redaktionsdirektor.
Beate Franck hält das für eine billige Ausrede: "In all den Jahren wurde
nie Kritik an meiner Arbeit geübt" Auch Ronald Dietel ist perplex über die
Erklärung der Frankenpost: "Bei mir hat sich noch niemand gemeldet." Bisher
sind das Einzelfälle, aber sie werfen ein Schlaglicht auf die
Machtverhältnisse im Metier. "Das Recht muss an der Seite der Schwachen
stehen", sagte 2002 die damalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin
(SPD). Sie setzte durch, dass freie Journalisten einen gesetzlichen
Anspruch auf "angemessene" Bezahlung haben. Was angemessen ist, sollten
Verleger und Gewerkschaften in so genannten Vergütungsregeln festlegen.
Dann wurde jahrelang verhandelt. Seit Februar sind die Regeln nun in Kraft.
Sie definieren Mindesthonorare, gestaffelt nach Auflage der Zeitung und Art
des Textes. Zusätzlich müssen auch Auslagen erstattet werden. Im Gegenzug
erhalten die Verleger neben dem Druckrecht ohne Aufpreis auch das Recht zur
Veröffentlichung im Internet.
Doch niemand jubelte.
Die Freischreiber, ein neugegründeter Berufsverband der freien
Journalisten, halten die neuen Vergütungssätze immer noch für "völlig
unzureichend". Viele Freie dagegen zögern, von ihren Verlagen
Verbesserungen um bis zu 300 Prozent zu fordern, sie haben Angst,
ausgelacht oder sogar abgestraft zu werden. Die Verleger haben über ihren
Verband BDZV zwar die Vergütungsregeln unterzeichnet, finden aber, dass
Honorarerhöhungen eigentlich nicht in die Zeit passen. Angesichts sinkender
Auflagen und Anzeigenerlöse sei eine Ausweitung der Honoraretats nicht
möglich. Der Deutsche Journalistenverband (DJV) und das ver.di-Pendant dju
empfehlen, dass die Freien ihre Ansprüche kollektiv geltend machen sollen,
um den Verlagen Sanktionen zu erschweren.
Sie gehen aber davon aus, dass nur wenige Zeitungen mit einem Auftragsstopp
à la Frankenpost reagieren werden. "So etwas kann nämlich teuer werden",
warnt dju-Rechtsexperte Wolfgang Schimmel, "der Freie kann das angemessene
Honorar immerhin drei Jahre rückwirkend einklagen."
Auch viele Verlage sehen inzwischen, dass sie die Vergütungsregeln nicht
einfach ignorieren können, schließlich hofft die Branche an vielen anderen
Fronten auf Hilfe vom Gesetzgeber. Manche Redaktionen wenden nun zwar die
Vergütungsregeln an, interpretieren sie aber kreativ. Statt eines
Erstruckrechts will etwa der Weserkurier nur das billigere
Zweitdruckhonorar zahlen. Damit ist den Freien der parallele Verkauf des
Textes an andere Zeitungen erlaubt - was aber gerade für Lokaljournalisten
überhaupt keine reale Möglichkeit ist.
"Ein Zweitdruck-Honorar ist an Orten mit nur einer Zeitung kein
angemessense Honorar", sagt Benno Pöppelmann, Justiziar des DJV. In der
Praxis zahlen viele Verlage ihren Freien allerdings längst schon Tages-
oder Monatspauschalen, die den Journalisten unter dem Strich mehr bringen
als die Vergütungsregeln. Für Verlage, die bisher fair bezahlt haben, ist
der Anpassungsbedarf also gar nicht so hoch. Rund 10.000 freie Journalisten
arbeiten in Deutschland hauptberuflich für Tageszeitungen. Für Schüler,
Studenten, Pensionäre und Vereinsvorsitzende gelten die Vergütungsregeln
dagegen nicht.
Doch wie geht es nun weiter mit den beiden Freien bei der Frankenpost?
Beate Franck hat die Hoffnung aufgegeben, bei Tageszeitungen auskömmliche
Honorare zu erhalten. Sie wird sich verstärkt anderen Auftraggebern, etwa
Fachzeitschriften, zuwenden. Ronald Dietel hat dagegen die Gewerkschaft
eingeschaltet.
12 Apr 2010
## AUTOREN
Christian Rath
Christian Rath
## TAGS
Verdi
Freischreiber
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