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# taz.de -- Debatte Freie Journalisten: Arm, ärmer, Autor
> Die Lage freier Journalisten ist dramatisch. Medien und Institutionen
> zahlen immer geringere Honorare, gleichzeitig drängen ehemals
> Festangestellte auf den Markt.
Vor einem guten Jahr schrieb die freie Journalistin Gabriele Bärtels in der
Zeit "Schreiben macht arm". Der Text erreichte einen, noch bevor man die
Zeitung aufgeschlagen hatte. Von Dutzenden, Hunderten Freien eifrig an
sämtliche Freunde weitergemailt, landete der Link zu Bärtels Text gleich
mehrfach auch in meiner Mailbox. Sie klagte über die miserable
Arbeitssituation und Bezahlung freiberuflicher Journalisten, sie sprach uns
allen aus der Seele, auch viele fest angestellte Redakteure waren
schockiert. Hat es aber etwas genützt?
Die Lage der freien Autoren ist, so will es mir nach einem Blick ins
Auftragsbuch und die dort vereinbarten Honorare scheinen, eher noch
schlechter geworden. Die Budgets der meisten Medien sind weiter
geschrumpft. Also sparen die Redakteure, ohne böse Absicht, oft sogar
unwissentlich, an uns. Ich will den fest angestellten Kollegen nicht zu
hart gegen das Schienbein treten; sie sind meine Auftraggeber, und viele
dieser Auftraggeber auch meine Freunde. Und auch ich habe schließlich
einmal innerhalb einer Redaktion gearbeitet, sieben Jahre lang, und
Aufträge an Freie vergeben.
Falls Kollegen einmal zu fragen wagten, wusste ich damals oft nicht zu
sagen, wie viel Honorar wir für die jeweilige Textsorte zahlten. Ebenso
wenig kenne ich auch heute - trotz umgekehrten mehrfachen Nachfragens - von
den meisten der Medien, für die ich arbeite, das Zeilengeld. Immerhin weiß
ich jetzt, was diese mangelnde Auskunft für den Menschen am anderen Ende
des Internets oder des Telefons bedeutet. Es bedeutet, dass dich jemand
anruft und mit dir einen verbindlichen, termingebundenen Auftrag
vereinbart, bei dem du trotzdem viele Wochen später noch nicht weißt, wie
viel du daran verdienen wirst. (Die meisten Zeitungen rechnen nur einmal im
Monat ab, und es gilt der Monat nach jenem, in dem der Text erschienen
ist.)
Wenn die Abrechnung kommt, ewig später, erfährst du, dass eine Summe, auf
die du insgeheim gehofft hattest, wieder einmal nicht eingetroffen ist. Für
die Rezension in einer Tageszeitung hat man vielleicht ein 400-seitiges
Buch sorgfältig Seite für Seite gelesen; leider wurde aus Platzgründen nur
eine Kurzfassung gedruckt, für die es dann 90 Euro gibt. 140 Euro erhält
man, wenn man Glück hat, in einer überregionalen Tageszeitung für einen
Kurzessay wie diesen, nachdem man mit dem Thema zwei Wochen schwanger
gegangen ist, einen Tag geschrieben und zwei weitere daran gefeilt hat. Zum
Glück hat die Woche der Freiberufler sechs bis sieben Tage; Urlaub machen
wir sowieso fast nie. Einige Kollegen, die ich kenne, haben sich zum Ziel
gesetzt, monatlich 2.000 Euro brutto zu verdienen; dann blieben ihnen
nämlich etwa 1.200 Euro netto, bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden.
Das Ziel bleibt Traum; die 2.000-Euro-Marke wird von den wenigsten
erreicht.
Wenn es denn nur die Zeitungen wären, die immer stärker sparen - aber die
anderen Einrichtungen stehen ihnen ja nicht nach! Jede hat ihren eigenen
Budgetrahmen, und jede bietet einem ein anderes Trostpflaster an. Nach
einem Vortrag im politischen Rahmen sprach mich ein Herr aus einer Partei
an, ob ich über ein ähnliches Thema auch in seiner Gruppierung referieren
könne. Er zog sein Angebot zurück, als er erfuhr, dass ich nicht in Berlin
lebe - eine Fahrkarte könne sein Verband leider nicht zahlen. Bei der
Gelegenheit stellte sich heraus, dass auch keineswegs an ein Honorar
gedacht worden war. "Ich dachte, Sie schütteln das aus dem Ärmel", meinte
er. Es war als Kompliment gedacht, und als solches habe ich es zunächst
gern angenommen. Aber auch ein Ärmel muss gekauft, gewaschen und gebügelt
werden, überlegte ich. Und merkte, dass ein solches Kompliment
zweischneidig ist. Sollte ich jetzt zugeben: "Was sich so simpel angehört
hat, dafür habe ich drei Tage recherchiert, drei weitere nachgedacht und
einen geschrieben"?
Neulich bekam ich eine E-Mail von einer deutschen Kultureinrichtung aus dem
Ausland, wegen einer Podiumsdiskussion. Drei Wochen lang konnte man mir
nicht sagen, wie viel Honorar man dafür zahlen würde. Dann schrieb man mir:
"Als Honorar bieten wir Ihnen 250,00 Euro an. Ich bin mir darüber im
Klaren, dass es klein ist, aber Sie würden mit dem Aufenthalt in einer der
interessantesten europäischen Städte darüber getröstet werden." - Einen Tag
hin, Veranstaltung, einen Tag zurück … Ich mache das nicht als Urlaub, das
ist Arbeit! Und der schöne Blick auf Paris, Oslo oder Madrid zahlt daheim
die Miete nicht.
Am selbstbewusstesten sind vermutlich die Leute vom Fernsehen. Sie kommen
zu dir nach Hause, erfragen deine Expertenmeinung, die du tagelang
aufgefrischt und vertieft, Pardon, aus dem Ärmel geschüttelt hast. Nachher
kämpfst du mehrere Wochen um einen Betrag von 150 Euro (wer Fernsehbudgets
kennt, weiß, das ist ein Witz). "Aber so etwas ist doch Werbung für dich",
entfuhr es einer Freundin, die selbst beim Fernsehen arbeitet. Werbung -
wofür? Dafür, dass ich danach irgendwo anders das nächste unterbezahlte
Gespräch führen darf?
Es ist ja nicht so, dass ich im Brotberuf Wäscheklammern verkaufe, die ich
während eines Interviews in die Kamera halten könnte. Ich habe nichts zu
bewerben und nichts zu verkaufen außer meiner Kompetenz, meinem Urteil,
meinen Worten. Denn viele Freie sind auf einigen Gebieten hoch
spezialisiert; solches Wissen muss aufwendig gepflegt werden. Gleichzeitig
müssen wir Generalisten sein, sonst werden wir zu selten gebraucht. Zur
Unterstützung können wir weder auf Sekretärinnen noch Hilfskräfte, noch auf
eigene Archive zählen. Wir sind ein ganzes Büro in einer Person. All das
müsste beim Festsetzen von Honoraren mitbedacht werden; sonst leidet
zunächst zwar nur der Mensch, später aber auch die Qualität - in genau
dieser Reihenfolge. An der Qualität fangen sämtliche Freiberufler, die ich
kenne, als Letztes zu sparen an.
Paradoxerweise wird unsere Leistung immer stärker nachgefragt, während
gleichzeitig die Preise weiter sinken. Immer mehr Redakteure werden
entlassen und verstärken den Pool der Freien; immer mehr von uns rangeln
sich um immer kleinere Budgets. Wer will da "selbstbewusst verhandeln", wie
es in wohlfeilen Ratgebern heißt? Wer will einem Redakteur mit Geldfragen
auf die Nerven gehen, wenn im Hintergrund so viele Kollegen stehen, die
lieber die angebotene Summe bekämen als gar nichts?
Ich glaube nicht, dass sich dieses Problem - die Sicherung von Existenzen
und damit auch von publizistischer Qualität - durch die Hartnäckigkeit
einzelner Freiberufler allein lösen lässt. Wir brauchen verbindliche,
quasigewerkschaftliche Verhandlungen und Preislisten, die den Abwärtstaumel
der Honorare stoppen. Wir brauchen Solidarität von den Kollegen aus dem
Innern der Redaktionen. Wir brauchen Fairness. Angesichts dessen, was wir
für die deutsche Medienlandschaft leisten, ist doch hoffentlich nicht auch
das schon zu viel verlangt.
27 Feb 2009
## AUTOREN
Hilal Sezgin
Hilal Sezgin
## TAGS
Augsburger Allgemeine
Verdi
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