Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streik bei Tageszeitungen: „Frustration hoch, Stimmung gut“
> In Bayern streiken die ZeitungsredakteurInnen. Sie wollen so den
> Arbeitnehmervertretern bei den anstehenden Tarifverhandlungen den Rücken
> stärken.
Bild: In Bayern sollen Printprodukte trotz Streik ausgeliefert werden – aber …
Berlin taz | Statt wie sonst zu recherchieren und zu schreiben, hat sich am
Montag ein Großteil der Münchner Presse, allen voran RedakteurInnen der
Süddeutschen Zeitung, beim Augustiner-Klosterwirt an der Frauenkirche in
der Münchner Innenstadt eingefunden. Im Kellerraum „Kleine Abtei“ ist es
ist voll und laut. An die 200 JournalistInne sind gekommen. Sie tragen sich
in die Listen der Gewerkschaften ein, reden durcheinander, machen sich
gegenseitig Mut. „Das ist eine bombastische Zahl“, jubelt Michael Busch,
Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands (BJV). Unter der Hand sagt
man, dass man mit 60, vielleicht 70 Leuten gerechnet habe.
Die JournalistInnen der Tageszeitungen befinden sich im Warnstreik, in
bundesweit mehr als 50 Zeitungshäusern waren sie von den
Journalistengewerkschaften DJV und Verdi dazu aufgerufen worden. Die
Schwerpunkte liegen in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Sie wollen bei den
Tarifverhandlungen für die bundesweit 13.000 RedakteurInnen, die noch am
Abend in Frankfurt stattfinden sollen, Druck auf die Arbeitgeber ausüben.
Mit einem Abschluss rechnete hier beim Augustiner Klosterwirt niemand,
vielleicht mit einer Annäherung.
Die Positionen liegen weit auseinander: Die JournalistInnen fordern 4,5
Prozent mehr Gehalt für zwölf Monate sowie 200 Euro zusätzlich für
JungredakteurInnen. Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV)
bietet hingegen 2,6 Prozent über einen Zeitraum von 30 Monaten, was pro
Jahr nur 1,04 Prozent wären, sowie 120 Euro für JungredakteurInnen. Auch
wollen die Verleger erneut an die Berufsstaffel ran, nach der
JournalistInnen mit den Jahren automatisch in höhere Tarifgruppen
aufsteigen. Das wollen die Streikenden verhindern. Das Anfangsgehalt einer
RedakteurIn im ersten Berufsjahr liegt derzeit bei 3.253 Euro.
## „Wir kämpfen für das Ansehen unseres Berufsstandes“
„Die Frustration ist hoch, die Stimmung gut“, sagt ein Redakteur vor Ort,
der seinen Namen nicht nennen will. Zur Freude der Zeitungsschreiber ist
auch ein sehr großer Teil der SZ-Onlineredaktion in den Solidaritätsstreik
getreten. Die OnlinerInnen verlangen seit Jahren, dass sie den
Print-KollegInnen gleichgestellt werden, bisher werden sie aber schlechter
bezahlt.
„Wir sind die Billigheimer der Redaktion“, klagt der Redakteur Lars
Langenau. Sein Print-Kollege Franz Kotteder pflichtet ihm bei: „In einem
Haus bei gleichen Aufgaben kann man die Leute nicht unterschiedlich
bezahlen.“ Johannes Welte vom Münchner Boulevardblatt tz sagt zu dem
Arbeitgeberangebot: „Ein Prozent sind ein Witz, gerade in einer Stadt wie
München mit den Irrsinns-Mietpreisen.“
Doch es geht um mehr als nur um Prozente. „Wir kämpfen für das Ansehen
unseres Berufsstandes“, sagt die SZ-Redakteurin Jutta Czeguhn. Über viele
Jahre hinweg verzeichneten ZeitungsredakteurInnen real stets
Einkommenseinbußen, auch an Arbeitszeiten und Urlaubstagen wurde geknappst.
Für gut ausgebildete junge Menschen werde der Journalistenberuf zunehmend
unattraktiver, auch weil neues Personal häufig nur mehr befristete
Jahresverträge erhalten.
## Mal sehen, wie es diesmal ausgeht
BDZV-Verhandlungsführer Georg Wallraf hingegen würdigt, dass die
Tageszeitungen „die Zukunft guter journalistischer Leistung“ sicherten und
„ein attraktives Arbeitsumfeld“ böten.
Wer schon den einen oder anderen JournalistInnenstreik miterlebt hat,
erinnert sich an immer ähnliche Abläufe: Optimismus am Anfang, quälend
lange Verhandlungen, am Ende standen Abschlüsse, für die man sich fast
schämen musste. Mal sehen, wie es diesmal ausgehen wird.
Auf die Zeitungen wirkt sich der Streik indes nur teilweise aus. Während
der überregionale Teil der Süddeutschen Zeitung von RessortleiterInnen und
KorrespondentInnen gefüllt wird, werden die Lokalteile voraussichtlich
äußerst dünn ausfallen und hauptsächlich mit Material der
Nachrichtenagenturen bestückt sein. Manche Regionalausgaben sollen gar
nicht erscheinen.
9 Apr 2018
## AUTOREN
Patrick Guyton
## TAGS
Augsburger Allgemeine
BDZV
Streik
Tarifverhandlungen
Süddeutsche Zeitung
Print
DJV
Tarifabschluss
Schweden
Tarifverhandlungen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Tarifstreit im Zeitungsgewerbe: Streik bei Tageszeitungen beginnt
Der Tarifstreit spitzt sich zu. Journalistengewerkschaften haben sich für
unbefristete Aktionen ausgesprochen. Auch die „SZ“ wird bestreikt.
Tarifstreit im Zeitungsgewerbe: Der Countdown zum Streik
In der Tageszeitungsbranche läuft die Urabstimmung über einen unbefristeten
Streik. Die Tarifverhandlungen mit den Verlegern stocken.
Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst: Harmonie wie nie
Es waren viele zähe Stunden, aber plötzlich zeigten die Verhandler beste
Laune: Bsirske, Seehofer und Co. gelang ein komplizierter Tarifabschluss.
Linke schwedische Zeitung ist pleite: „Fria Tidningen“ erscheint nicht mehr
Mit dem Konkurs des Blattes ist der Plan einer linken Tageszeitungskette
gescheitert. Mitschuld daran hat auch der eigene Verlag.
Tarifverhandlungen bei Zeitungen: Auf, auf zum Kampf
Immer mehr Verlage steigen aus Tarifverträgen aus, zuletzt auch der
Berliner Verlag. Zum Ärger der Gewerkschaften. Erste Streiks sind
angekündigt.
Tarifstreit der Zeitungsredakteure: Stift weglegen - auf in den Kampf
Zeitungsredakteure in Baden-Württemberg wollen unbefristet streiken. Es
geht um Gehaltskürzungen und Einschnitte beim Nachwuchs.
Debatte Freie Journalisten: Arm, ärmer, Autor
Die Lage freier Journalisten ist dramatisch. Medien und Institutionen
zahlen immer geringere Honorare, gleichzeitig drängen ehemals
Festangestellte auf den Markt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.