| # taz.de -- Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst: Harmonie wie nie | |
| > Es waren viele zähe Stunden, aber plötzlich zeigten die Verhandler beste | |
| > Laune: Bsirske, Seehofer und Co. gelang ein komplizierter Tarifabschluss. | |
| Bild: Nach zähem Ringen gab's Friede, Freude, Eierkuchen | |
| Potsdam dpa | Um fünf Minuten vor Mitternacht wollte Horst Seehofer sehen, | |
| was los ist. Der CSU-Innenminister durchquerte das Foyer des Potsdamer | |
| Verhandlungshotels zum Kongresssaal, in dem die Tarifkommission von Verdi | |
| tagte und tagte. Nach drei Minuten kam er wieder heraus und stöhnte: „Es | |
| dauert noch eine Stunde.“ Als Verdi dem Tarifergebnis dann am frühen | |
| Mittwochmorgen zugestimmt hatte und die Verhandlungsführer von Bund, | |
| Kommunen und Gewerkschaften endlich den Durchbruch verkünden konnten, | |
| zeigte sich der 68-Jährige hocherfreut: „Das ist ein einzigartiger | |
| Tarifvertrag.“ | |
| Fast drei Tage intensives Ringen gingen dem Abschluss für die 2,3 Millionen | |
| Beschäftigten des öffentlichen Dienstes von Bund und Kommunen voraus. Zu | |
| unterschiedlich waren die Interessen für einen schnellen Abschluss. Zu groß | |
| war zudem die Lohnkluft zwischen den einzelnen Tarifgruppen. Verdi, mit | |
| seinen vielen Mitgliedern in den unteren Einkommensbereichen, wollte vor | |
| allem für diese etwas herausholen – deshalb die Forderung nach einem | |
| Mindestbetrag von 200 Euro mehr. Die Kommunen wollten vor allem mehr für | |
| ihre Fachkräfte tun, damit sie im immer härter werdenden Konkurrenzkampf | |
| mit der Privatwirtschaft überhaupt noch Chancen bei der Personalgewinnung | |
| haben. | |
| Dazwischen Seehofer, der Tarifneuling, der als Verhandlungsführer des | |
| Bundes Dienstherr nur von rund jedem zehnten Betroffenen ist. Das Gros ist | |
| kommunal beschäftigt. Im Oktober hat er als CSU-Chef in Bayern eine | |
| Landtagswahl zu bestreiten. Ein Scheitern wäre für den Verfechter des | |
| starken Staats mit seinen Polizisten und Grenzschützern blamabel gewesen. | |
| Nun freute sich Seehofer: „Wir haben zwei wichtige Ziele verfolgt, nämlich | |
| die Entgelte so zu gestalten, dass der öffentliche Dienst in Zukunft | |
| wettbewerbsfähig ist, dass wir IT-Leute, Ingenieure et cetera auch für den | |
| öffentlichen Dienst gewinnen.“ Daneben sei eine Großreform gelungen, „an | |
| die ich am Anfang nicht glaubte“. Unterm Strich gibt es 7,5 Prozent mehr | |
| Geld bei einer ungewöhnlich langen Laufzeit von 30 Monaten. Alle | |
| Beschäftigte haben ein Plus von mindestens 6,8 Prozent, aber manche | |
| deutlich mehr – denn die Gehaltsgruppen wurden weitgehend neu geordnet und | |
| tariflich neu einsortiert. | |
| ## Die alten Hasen wurden herzlich mit Seehofer | |
| Verdi-Chef Frank Bsirske seinerseits hob einen „deutlichen Sprung“ bei den | |
| unteren und mittleren Lohngruppen hervor. Um im Schnitt zehn Prozent würden | |
| die Löhne bei Beschäftigungsbeginn steigen. „Das ist ein Ergebnis, das auf | |
| die Attraktivierung des öffentlichen Dienstes insgesamt zielt“, meinte er. | |
| „Gute Leute, gute Arbeit, gutes Geld – das gehört zusammen.“ Dass vom | |
| verlangten Mindestbetrag so nicht viel übrig geblieben ist und die Laufzeit | |
| mehr als doppelt so lang ist wie gefordert, scheint Bsirske nicht zu | |
| stören. | |
| Noch am Abend hatte es so ausgesehen, als ob neue Warnstreiks nach den | |
| jüngsten massiven Ausständen etwa im Nahverkehr noch nicht vom Tisch seien. | |
| Zuerst drohte sich die Mitgliederversammlung des kommunalen | |
| Arbeitgeberverbands VKA querzulegen, vor allem wegen der Gehälter in den | |
| Sparkassen. Bsirske eilte zur VKA – über die Sparkassen wird nun noch | |
| einmal extra verhandelt. Dann zog es sich in die Länge, weil sich die | |
| Verdi-Tarifkommission lange keinen Ruck gab. | |
| 7,5 Milliarden Euro kostet der Abschluss die Kommunen. Für den Bund fallen | |
| laut Seehofer 2,2 Milliarden an. Angesichts der Rekordeinnahmen der | |
| öffentlichen Hand dürfte das verschmerzbar sein. „Das sind uns unsere | |
| Beschäftigten wert“, sagte Seehofer. Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich | |
| Silberbach, sprach von einem „guten Tag für den öffentlichen Dienst“. | |
| Zuletzt wurden die alten Hasen in dem Geschäft noch herzlich mit Seehofer. | |
| Böhle, mit Bsirske über Jahre schon im Tarifpoker geübt, meinte: „Ich fand | |
| es sehr angenehm, meinen fünften Innenminister zu erleben.“ Bsirske sagte: | |
| „Ich würde mich freuen, noch viele Verhandlungen mit ihm zu machen.“ Der | |
| Angesprochene konterte: „Insofern war das auch ein Jungbrunnen für meine | |
| politische Tätigkeit.“ Bsirske wirkte etwas verblüfft nach den vielen zähen | |
| Verhandlungsstunden, als er noch anmerkte: „Soviel Harmonie war selten.“ | |
| 18 Apr 2018 | |
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