# taz.de -- Schlechtere Frequenz für Interkulturelles: Radio Bremen macht Cosm… | |
> Das interkulturelle Radioprogramm Cosmo ist Sprungbrett für migrantische | |
> Moderatoren. Auf neuer Frequenz hat sich die UKW-Reichweite jetzt massiv | |
> verringert | |
Bild: Dieser Rias-Sendemast wurde gesprengt: Cosmo musste nur die Frequenz wech… | |
Radio Bremen spricht von einer „Optimierung der UKW-Frequenzen“, die | |
Medienzeitschrift der Gewerkschaft Ver.di von einer „Nacht- und | |
Nebelaktion“. Die Äußerungen beziehen sich auf die Verbreitung von Cosmo. | |
Cosmo ist ein interkulturelles Radioprogramm, das sich unter anderem | |
dadurch auszeichnet, dass es über Flucht und Migration aus der Perspektive | |
der Betroffenen berichtet. Anfang Februar verkündete Radio Bremen einen | |
„Frequenztausch“ zwischen Cosmo und dem 2016 gestarteten Jugendprogramm | |
Bremen Next. | |
Hinter diesem unverfänglichen Begriff verbirgt sich allerdings eine | |
radikale Reduzierung des UKW-Empfangs von Cosmo. Bis vor Kurzem war es auf | |
der Frequenz 96,7 in den westlichen Landesteilen Niedersachsens bis | |
Cuxhaven und Wilhelmshaven zu empfangen – und im Osten bis Soltau und | |
Nienburg. Auf der neuen Frequenz 95,6 ist das nun nicht mehr der Fall. Für | |
Cosmo verringerte sich die UKW-Reichweite durch die Tauschmaßnahme somit | |
schlagartig um rund 2,1 Millionen Menschen. | |
Der technische Hintergrund ist, dass die Frequenz 96,7 eine Sendeleistung | |
von 50 Kilowatt hat, die Frequenz 95,6 nur eine von 0,2 Kilowatt. Im | |
norddeutschen Raum ist das Programm über UKW nun nur noch in weiten Teilen | |
des Stadtgebiets von Bremen und Bremerhaven zu empfangen. Über die starke | |
Frequenz sendet nun Bremen Next. | |
Cosmo, das bis Ende 2016 unter dem altbackenen Namen Funkhaus Europa | |
firmierte, ist ein Gemeinschaftsprogramm, zu dem der WDR, der RBB und Radio | |
Bremen Sendungen beitragen. Die Bremer sind für das Tagesprogramm an den | |
Wochenenden zuständig. Der NDR ist auch involviert: Er liefert zwar keine | |
Inhalte, übernimmt aber Teile von Cosmo für sein Digitalradioprogramm NDR | |
Info Spezial. | |
Zwischen dem WDR, dem wichtigsten Cosmo-Programmlieferanten, und Radio | |
Bremen kam es vor einem Jahr zu Unstimmigkeiten. Eine Programmreform | |
brachte es mit sich, dass die auf die Zielgruppe des damaligen Funkhauses | |
Europa zugeschnittene Nachrichtensendung, die bis dahin Radio Bremen | |
produziert hatte, an den WDR überging. „Das war für uns ein schwerer | |
Verlust“, sagt Jan Weyrauch, der als trimedialer Programmdirektor sowohl | |
für Hörfunk und Fernsehen als auch für Online zuständig ist. Der | |
Rundfunkrat von Radio Bremen kommentierte seinerzeit, man bedauere es, dass | |
„diese Entscheidung des WDR im Laufe der Umstrukturierungsüberlegungen | |
nicht mehr verhandelbar war“. Das muss man, gemessen an den | |
Sprachregelungen, die öffentlich-rechtliche Kontrollgremien pflegen, schon | |
als harte Kritik auffassen. | |
Die Reform bedeutete Einschnitte in vielen Bereichen: Mehrere | |
muttersprachliche Informationssendungen, etwa das Polski Magazin Radiowy | |
(polnisch) und Radio Forum (bosnisch, serbisch, kroatisch), wurden gekürzt, | |
Nischensendungen profilierter Musikjournalisten und DJs abgeschafft. Das | |
Musikprogramm hat dennoch weiterhin ein Alleinstellungsmerkmal. Es läuft | |
globale, moderne Popmusik, darunter Hip-Hop und Artverwandtes in | |
zahlreichen Sprachen. Der experimentelle Pianist und Soundtrack-Komponist | |
Hauschka ist hier durchaus schon mal kurz nach 18 Uhr zu hören – anderswo | |
wäre das nur im Nachtprogramm vorstellbar. | |
Den Frequenztausch begründet Jan Weyrauch nun damit, dass der | |
gesetzgeberische Auftrag des Senders in erster Linie laute, Programm für | |
das Land Bremen zu machen. Er bezieht sich dabei auf Paragraph 2, Absatz 1 | |
des Radio-Bremen-Gesetzes: „Die Anstalt hat die Aufgabe, nach Maßgabe | |
dieses Gesetzes sowie des ARD-Staatsvertrages und des | |
Rundfunkstaatsvertrages im Land Bremen Rundfunk zu veranstalten und | |
Telemedien anzubieten.“ | |
Bei Cosmo, das in vier Bundesländern über UKW zu empfangen ist – neben | |
Nordrhein-Westfalen und Bremen noch in Berlin und Brandenburg – „können wir | |
schlecht Themen setzen, die nur für unsere Region relevant sind“, sagt | |
Weyrauch. Dennoch kam die Entscheidung auch intern teilweise nicht gut an, | |
sie war das alleinige Thema einer Personalversammlung am 20. Februar. | |
Radio Bremen hat mit der Entscheidung für Bremen Next die Verbreitung eines | |
Gemeinschaftsprogramms reduziert, um eine eigene Welle zu stärken. Man hat | |
ein einzigartiges Programm geschwächt – und die Reichweite der eigenen | |
Jugendwelle, die inhaltlich mit dem NDR-Angebot N-Joy konkurriert, | |
gestärkt. | |
Das ist durchaus ein Politikum. „Deshalb habe ich die Direktoren der | |
anderen Landesrundfunkanstalten auch vorab informiert“, sagt Weyrauch. Die | |
Kollegen hätten es „zur Kenntnis genommen“. Rechtlich verpflichtet sei | |
Radio Bremen zu dieser Vorabinformation nicht gewesen. „Jeder ARD-Sender | |
entscheidet autark über seine Frequenzen.“ | |
Jenseits der rundfunkpolitischen Brisanz wirkt die Maßnahme instinktlos, | |
weil der Berichterstattung rund um das Thema Migration derzeit eine | |
besondere Bedeutung zukommt. Zumal es im Radio-Bremen-Gesetz in Paragraph 3 | |
(„Allgemeine Grundsätze“) heißt: „Die Angebote der Anstalt haben die | |
besonderen Belange von Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen. Die | |
Integration von Menschen mit Migrations-Hintergrund und Flüchtlingen ist | |
nachhaltig zu unterstützen.“ Der Zusatz „und Flüchtlinge“ wurde erst bei | |
einer Novellierung vor einem Jahr ergänzt. | |
Der Bremer Rat für Integration hat bereits gegen den Frequenztausch | |
protestiert. Cosmo erfüllt nach Auffassung der Ratsmitglieder „mit seinem | |
vielfältigen, werthaltigen Programm eine wichtige Funktion. Wir fordern | |
deswegen Radio Bremen auf, die Entscheidung zu revidieren und den Tausch | |
der Frequenzen rückgängig zu machen“. | |
Diese Art von Kritik hält Programmdirektor Weyrauch entgegen, dass man sich | |
der Bedeutung des Themas Flucht und Migration durchaus bewusst sei. Dies | |
zeige zum Beispiel das Programm von Bremen Next – also jener Welle, die vom | |
Frequenztausch profitiert. „30 Prozent der 15- bis 29-Jährigen in Bremen | |
haben einen migrantischen Hintergrund“, sagt Weyrauch, und diese Zielgruppe | |
werde von den Bremen-Next-Machern besonders stark berücksichtigt. Im Team | |
der Jugendwelle liege der Anteil von Mitarbeitern mit migrantischem | |
Hintergrund im Übrigen noch wesentlich höher als 30 Prozent. | |
Die frequenztechnische Vernachlässigung von Cosmo will man in der | |
Senderspitze keineswegs als Auftakt zu einem Rückzug aus dem Programm | |
verstanden wissen. Der Kooperations-Vertrag mit dem WDR läuft Ende 2017 | |
aus, aber Programmdirektor Weyrauch hat das Ziel, über diesen Zeitpunkt | |
hinaus mit dem bisherigen Partner zusammenzuarbeiten. Die diesbezüglichen | |
Verhandlungen laufen noch, es gibt einen Dissens über die Kostenverteilung, | |
sagt Weyrauch: „Bis Mitte des Jahres wollen wir Klarheit haben.“ | |
12 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
René Martens | |
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