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# taz.de -- Reformen im öffentlich-rechtlichen Radio: Fremdwort Vielfalt
> Der WDR kürzt sein Funkhaus Europa zusammen. Der Vorzeigewelle droht das
> Aus. Die Angebote für Minderheiten im Rundfunk sterben aus.
Bild: Er setzt den Rotstift an: WDR-Intendant Tom Buhrow streicht das „Funkha…
Berlin taz | Zunächst war es nur ein Gerücht, aber jetzt ist es amtlich.
Der Westdeutsche Rundfunk will seine polyglotte Vorzeigewelle, das Funkhaus
Europa, radikal zusammenstreichen. Sowohl im Musikprogramm als auch bei den
fremdsprachigen Sendungen, mit denen der WDR die diversen
Migrantencommunities auf Arabisch, Türkisch, Spanisch oder Polnisch zu
erreichen versucht, sind harte Einschnitte geplant, die das bisherige
Profil des Senders einebnen würden. Am Donnerstag wollte
WDR-Hörfunkdirektorin Valerie Weber, die vom Privatfunk geholt wurde, die
geplante „Programmreform“ dem Rundfunkrat vorstellen.
Einige Details wurden aber schon vorab publik: So sollen die
Minderheiten-Sendungen radikal zusammengestrichen werden, von täglich einer
ganzen Stunde auf eine halbe Stunde, und ihre Sendezeiten sollen sich in
den Abend hinein verschieben. Außerdem sollen sie künftig vorab
aufgezeichnet werden, wodurch Live-Schalten, Call-In-Aktionen und andere
Möglichkeiten der Hörerbindung wegfallen. Radiokenner rechnen dadurch mit
Hörerverlusten.
Aber auch das Musikprogramm soll bluten: sämtliche Autorensendungen wie der
beliebte „Balkanizer“ des Musikers und Buchautors Danko Rabrenovic,
„Mestizo FM“ oder „5 Planeten“ sollen eingestellt werden. Auch die
Radioshow des Berliner DJ-Kollektivs Jazzanova und die Sendung des
Baile-Funk-Entdeckers Daniel Haaksman, die über Podcast auch im Ausland
ihre Fans haben, sollen weichen. Ab 23 Uhr soll anstelle des profilierten
Nachtprogramms nur noch eine Musikrotation laufen. Aus Kreisen der
Mitarbeiter ist von einem „einzigartigen Kahlschlag“ die Rede.
Die Entscheidung fügt sich in einen Trend, der im gesamten
öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu beobachten ist: Minderheitenprogramme
werden gestrichen, Vielfalt wird zu einem Fremdwort. Fast auf den Tag genau
sieben Jahre ist es her, dass der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) sein
„Radio Multikulti“ eingestellt hat, das einst die Blaupause für Funkhaus
Europa bildete. Viele Journalisten mit Migrationshintergrund verloren
damals ihren Job, und der bunte Radiosender hinterließ in Berlin eine
Lücke, die der rbb nie wieder so recht zu füllen wusste.
Kürzlich stellte er sang- und klanglos seine „polnischen Nachrichten“ ein,
mit denen die rbb-Abendschau regelmäßig aus dem Nachbarland berichtete.
Metropole geht anders, beim rbb regiert die Provinz.
## Der WDR nennt „Kostendruck“ als Ursache
Das 1998 gegründete, international und interkulturell ausgerichtete
Funkhaus Europa sendet seitdem – im Verbund mit Mitarbeitern in Berlin und
Bremen – aus Köln auch in die Hauptstadt und in alle Welt. Der Sender ist
ein Ziehkind des Journalisten Fritz Pleitgen, der von 1995 bis 2007 als
WDR-Intendant amtierte.
Sein Nachfolger im Amt, Tom Buhrow, wickelt dessen Erbe jetzt ab. Begründet
werden die Kürzungen bei Funkhaus Europa mit dem Kostendruck: der WDR muss
sparen. Doch warum vor allem das Aushängeschild des Senders unters Messer
kommt, erklärt er nicht.
Als Feigenblatt verweist der WDR außerdem auf seine tägliche, fünfminütige
Nachrichtensendung für Flüchtlinge, das „Refugee Radio“, die das Funkhaus
Europa seit dem vergangenen September zusammen mit dem rbb produziert. Auf
Englisch und Arabisch bietet es Nachrichten und Service-Themen. Damit
spielt der WDR sein Engagement für Flüchtlinge gegen seine langjährige
Verantwortung für alteingesessene Einwanderer aus.
Die fremdsprachigen Sendungen des WDR sind zum Teil aus den ehemaligen
Sendungen für „Gastarbeiter“, wie „Köln Radyosu“ hervorgegangen, die …
als bundesweit erste Sendung in türkischer Sprache über den Äther ging. Mit
seinen Berichten aus Deutschland und der Türkei ist das Magazin bis heute
eine Instanz. Andere fremdsprachige Programme, die nach dem Vorbild von
„Köln Radyosu“ beim BR oder HR entstanden, wurden nach und nach
eingestellt.
11 Feb 2016
## AUTOREN
Daniel Bax
## TAGS
WDR
Kürzungen
Minderheiten
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
Radiosender
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Radio
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Schwerpunkt Flucht
Radio
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