Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neuausrichtung bei Radio Sputnik: Glatt gebügelter Sound
> Bei MDR Sputnik, Nachfolger des legendären Ost-Jugendradios DT 64, gibt
> es jetzt auch die "Hot Rotation". Damit wird die Welle immer
> austauschbarer.
Bild: Kommt ja nur noch Mainstream raus: Radio Sputnik.
Angekündigt wurde nichts, sondern einfach um- und durchgesetzt: Im Sommer
richtete sich Sputnik, die Jugendwelle des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR),
neu aus. In großem Stil. Und ohne die Hörer mitzunehmen. Die Nachrichten
auf Englisch, die den Sender bis dahin prägten? Gestrichen. Das
Musikprogramm? Hörbar mehr Mainstream.
Der MDR ist seitdem geprügelt worden, vor allem in Foren und Blogs;
"Sputnik hart gelandet", tickerten die Agenturen. Nun ist es nicht so als
würden sich die Verantwortlichen verstecken. Wer etwa zusammen mit
Sputnik-Chef Eric Markuse und MDR-Hörfunkdirektor Johann Möller die
Hintergründe der "Reform" diskutieren will, stößt auf offene Ohren - und
findet sich rasch in Möllers Büro wieder. Dort fallen dann Sätze wie "Die
Nische in der Nische ist der Tod" und "Wenn diese Debatte etwas gebracht
hat, dann das Bekenntnis zu Sputnik".
Das Problem an der Sache ist aber: Möller erklärt damit bloß, wie der
Nachfolger des legendären DDR-Radios DT 64 inhaltlich abgewickelt wird.
Damals, 1990-1991, gingen Tausende für ihr "Jugendradio" auf die Straße, es
gab sogar Hungerstreiks. Doch die Politik blieb hart: DT 64 wurde wie der
gesamte zentrale ex-DDR-Rundfunk abgewickelt. Die ARD funkt seitdem auch im
Osten und erreicht junge Menschen vor allem mit - dem DT 64-Nachfolger
Sputnik. Der und der SWR-Sender Das Ding binden die jüngsten Hörer aller
ARD-Radios - 28 Jahre sind sie im Schnitt. Und das in einer Zeit, in der
Sender-Hierarchen händeringend Rezepte suchen, um junges Publikum zu
erreichen.
2008 hatte der Rundfunkrat der Anstalt in einem klugen Papier fest
gehalten, "warum der MDR zwei verschiedene junge Radioprogramme anbieten
muss": Jump soll dem Gute-Laune-Dudelfunk von RTL und NRJ Paroli bieten und
müsse daher als "Massenpopuläres Programm für die Nachwendegeneration"
auftreten. Sputnik sei hingegen für den MDR eine "multimediale
Experimentierplattform" zum "Testen neuer Verbreitungswege und
Programmkonzepte", heißt es darin. Genau diese Trennschärfe ist es, die dem
Hörfunkdirektor un seinen Sendern nun abhanden gekommen ist.
Johann Möller giert ohne Zweifel nach mehr Publikum - und deshalb soll auch
Sputnik mehr von dem bringen, womit die Privaten so erfolgreich sind. Damit
das klappt, hat sich Möller einen Mann ins Haus geholt, der die Maschen der
Privaten in- und auswendig kennt: Ulrich Manitz. Der lernte das Geschäft
unter anderem bei RTL-und war zuletzt für die Inhalte beim Privatradio RPR1
zuständig. Seit Februar dieses Jahres aber arbeitet der Berater für diese
Abteilung: "MDR Hörfunkdirektion - Zentrale Aufgaben".
Stille Programmreform
Und jetzt gibt es auch bei Sputnik die "Hot Rotation". Eine Liste, nicht
von Musikredakteuren gemacht, sondern auf Marktforschung basierend. Ein
gutes Dutzend Titel, die zwingend mehrfach pro Tag gespielt werden müssen.
Möller verteidigt das Konzept. Auch wenn er zugibt, dass sich Jump und
Sputnik nach der stillen Programmreform in Sachen Musikfarbe nun zu rund 30
Prozent überschneiden: "Lässt man diese Titel weg, suchen sich viele einen
anderen Sender." Neben dem Besonderen wolle das Publikum nämlich "auch das,
was in aller Munde ist", sagt Möller.
Sputnik-Chef Erich Markuse ist anzumerken, wie unwohl ihm das Alles ist. Er
wolle die Reform am liebsten zurückdrehen, heißt es MDR-intern, müsse aber
den Weisungen seines Direktors folgen. "Sputnik wird seinen breiten
Musikteppich halten", sagt Markuse fast ein bisschen trotzig, es seien noch
immer "deutlich über 1.000 Titel", die gespielt würden - früher war es die
Hälfte mehr. Aber auch eigene Themen, eine eigene Ansprache und sogar eine
eigene "politische Haltung" werde sein Kanal weiter bieten: "So glatt
gebügelt sind wir nicht, dass wir den Privaten in unserer Region Konkurrenz
machen."
Man muss ihm und Möller zugestehen, dass sie in einer schwierigen Lage
sind. Immerhin rechnet der MDR damit, in den nächsten fünf Jahren insgesamt
115 Millionen Euro sparen zu müssen. Für Sputnik, das bisher 4,5 Millionen
Euro im Jahr kosten durfte, bedeutet das zunächst ein Minus von einer
dreiviertel Million Euro. "Das ist eine Größenordnung, die man nicht leicht
wegsteckt", sagt Markuse, der nun weniger Geld für Experimente,
Spielereien, aber auch echte und damit teure journalistische Formate hat.
Diplomatisch - schließlich hockt sein Direktor gleich daneben - glaubt er
aber auch "fest daran, dass damit nicht der Nukleus von Sputnik wegfällt".
Zudem leidet Sputnik an einem schweren Geburtsfehler: Auf UKW ist der
Sender nur in Sachsen-Anhalt zu hören, nicht aber - wie Jump und die
anderen MDR-Wellen - auch in den beiden anderen MDR-Ländern Sachsen und
Thüringen. Bislang hatte Sputnik aus dieser Not eine Tugend gemacht und so
Pionierarbeit in Sachen Radio im Internet und für digitalen Empfang auch
über moderne Handys geleistet. 576.000 Mal wurde zuletzt im Monat der
Livestream angeklickt - und das für durchschnittlich 67 Minuten. Was
beweist, dass Sputnik sehr wohl in der Lage ist, eigene Hörer zu finden.
Und dabei noch Maßstäbe im sogenannten Community-Building setzt.
Heute betreibt die Redaktion nicht nur eine eigene Internet-Plattform, auf
der sich Sputnik-Hörer austauschen können, sondern machen diesen Job gleich
auch noch mit für die RBB-Jugendwelle Fritz und YouFM vom Hessischen
Rundfunk.
Nicht jeder findet die Entwicklung bei Sputnik unplausibel: "Unsere Musik
ist meist altersneutral", sagt Jochen Rausch; von ein paar extremen Sachen
abgesehen, funktionierten nämlich "die heutigen Titel über alle
Altersgruppen hinweg: Alle hören gerne Rihanna, ob nun Jugendliche oder
deren Eltern." Rausch weiß, wovon er redet, schließlich ist er Chef bei
1Live, der Jugendwelle des Westdeutschen Rundfunks. Auf die in der ARD alle
ziemlich neidisch sind, denn Rausch hat viel mehr Geld als die anderen
öffentlich-rechtliche Musikwellen - und in Nordrhein-Westfalen keine starke
private Konkurrenz.
Rausch ist einer, der wie Möller dem so genannten Formatradio durchaus
einiges abgewinnen kann. "Wir machen Radio nicht für unsere Redakteure,
sondern für unsere Hörer", erklärt Rausch. "Also geht es darum, in erster
Linie ihren Geschmack zu treffen." Und der scheint so zu sein, wie es sich
bei den Privatsendern schon immer anhört: austauschbar.
Der WDR-Mann hat trotzdem eine Methode gefunden, sich abzusetzen, auch wenn
es nicht die Musik ist - sondern das Wort "Wir haben festgestellt: 1Live
war zu flach geworden", sagt Rausch. Also haben sie "damit aufgehört,
überwiegend sogenannte gebaute, also vorproduzierte Beiträge zu senden und
mehr live eingespielt". Moderator und Reporter haben so die Chance, spontan
Gespräche zu entwickeln, aktuell zu sein und - vor allem - ihre Hörer
einzubeziehen.
Junge Radio-Alternative
Der Unterschied zwischen Köln und Halle ist bloß: Während es zu 1Live keine
junge Alternative gibt, war Sputnik eine - eben für den hauseigenen
Popkanal Jump. Und die Neuausrichtung bei Sputnik, die das Management
lieber "Programmoptimierung" nennt, ist ein heikler Weg. Denn was wird,
wenn wenn die Finanznot beim MDR noch ein bisschen größer werden sollte
(womit zu rechnen ist) - "Runter vom Sofa, Sputnik retten" wie einst bei DT
64?
"Wir werden unser Programm noch austarieren", verspricht Sputnik-Chef Eric
Markuse. "So, wie es jetzt ist, wird Sputnik nicht bleiben." Beim neuen
Kurs seiner Direktion hört sich das allerdings fast wie eine Drohung an.
2 Oct 2010
## AUTOREN
Daniel Bouhs
## TAGS
WDR
## ARTIKEL ZUM THEMA
Reformen im öffentlich-rechtlichen Radio: Fremdwort Vielfalt
Der WDR kürzt sein Funkhaus Europa zusammen. Der Vorzeigewelle droht das
Aus. Die Angebote für Minderheiten im Rundfunk sterben aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.