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# taz.de -- Kritik an Österreichs Flüchtlingspolitik: Gabriel erklärt die We…
> Der Außenminister reist nach Österreich. Und erklärt seinem Amtskollegen,
> wie europäische Flüchtlingspolitik funktioniert – eher undiplomatisch.
Bild: Gabriel und Kurz im Gespräch: rechts der alte Hase
Eigentlich könnte Sigmar Gabriel von seinem Gastgeber noch etwas lernen.
Der 57-jährige Außenminister ist ja gewissermaßen Anfänger, gerade mal
einen Monat im Amt und an diesem Montag zum Antrittsbesuch in Wien.
Sebastian Kurz dagegen, sein konservativer Kollege aus Österreich, ist zwar
erst 30, amtiert dafür aber seit mehr als drei Jahren als Chefdiplomat. Ein
Routinier quasi.
Dieser Erfahrungsvorsprung ist Gabriel allerdings egal. Und das lässt er
seinen Kollegen am Montagmittag auch spüren.
„Die Politik hat die Aufgabe, zu durchdenken, was sie vorschlägt“, mahnt
der Deutsche den Österreicher auf der gemeinsamen Pressekonferenz nach
ihrem Treffen in Wien. Es geht um die Migrationspolitik, in der sich Kurz
in den vergangenen Jahren als Hardliner profilierte. Zwar ist auch Gabriel
nicht für sein übergroßes Herz für Flüchtlinge bekannt. Gerade steht er von
links unter Druck, weil er die Sicherheitseinschätzung des
Außenministeriums für Afghanistan umschreiben könnte, um so Abschiebungen
zu verhindern – was er aber nicht vorhat. Eines der Lieblingsprojekte von
Kurz lehnt Gabriel dann aber doch entschieden ab: Auffanglager für
Flüchtlinge in Nordafrika.
Unmittelbar vor Gabriel warb der Österreicher auf der Pressekonferenz mal
wieder außerordentlich selbstbewusst für diesen Vorschlag. „Wenn sich
jemand illegal auf den Weg nach Europa macht, muss er unmittelbar gestoppt
und zurückgeschickt werden“, sagte er. Das gelte nicht nur für die Ägäis
zwischen der Türkei und Griechenland, sondern auch für das zentrale
Mittelmeer. Diese Idee werde so langsam auch mehrheitsfähig. „Ich finde es
gut, dass die Diskussion ehrlicher wird und nicht mehr so verlogen läuft
wie vor einiger Zeit, als ich das zum ersten Mal eingefordert habe.“
## Die Auffanglager würden abschrecken
Mehrheitsfähig mag in diesem Zusammenhang relativ sein. Außerdem hat Kurz
das Konzept der Auffanglager sicherlich nicht erfunden; unter Rot-Grün
hatte es schon ein deutscher Innenminister namens Otto Schily skizziert.
Konjunktur hat das Thema seit einiger Zeit aber durchaus. Der heutige
Innenminister Thomas de Maizière treibt es seit Monaten voran. Kanzlerin
Angela Merkel könnte es in dieser Woche auf ihrer Ägypten-Reise ansprechen.
Und erst am Montagmorgen bezeichnete auch EU-Parlamentspräsident Antonio
Tajani die Errichtung solcher Auffanglager in Libyen als „richtig“.
Der Zuspruch hat einen Grund: In den ersten sechs Wochen dieses Jahres
kamen an der italienischen Küste schon fast 10.000 Migranten an. Viele
starten auf Schleuserbooten in Nordafrika, werden auf hoher See von
europäischen Schiffen aufgegriffen und dann in italienische Häfen gebracht.
Hardliner wie der Österreicher Kurz befürchten, dass ab dem Frühling noch
einmal deutlich mehr Menschen über diese Route nach Europa kommen könnten.
Die Auffanglager würden abschrecken: Wer im Mittelmeer aufgegriffen wird,
soll zurück nach Nordafrika geschickt und dort in gesonderten Einrichtungen
untergebracht werden. Erst dort könnten die Betroffenen einen Asylantrag
stellen und auf die Aufnahmebereitschaft der Europäer hoffen.
Eine Idee, die Gabriel jedoch für überhaupt nicht umsetzbar hält. „Mit
welchem Land sollen wir das denn machen?“, fragt er in Wien. In Libyen gebe
es überhaupt keinen Staat, mit dem Europa den Bau von Aufnahmeeinrichtungen
vereinbaren könne. Das fragile Tunesien würde durch solch ein Projekt
womöglich noch weiter destabilisiert.
„Ich habe am meisten Sorge davor, dass wir Dinge öffentlich vorstellen, die
wir dann nicht realisieren können. Die Enttäuschung wird sonst umso größer,
auch in der eigenen Bevölkerung“, sagt er. Und legt dann noch eine
Belehrung nach: Ein funktionierendes Libyen oder ein stabiles Tunesien
wären toll. „Ich rate aber dazu, sich nicht eine Welt zu malen, die nicht
existiert.“ Das Einzige, was sich Gabriel verkneift: seinen Kollegen aus
Österreich bei diesem Satz auch noch anzuschauen.
27 Feb 2017
## AUTOREN
Tobias Schulze
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Sigmar Gabriel
Sebastian Kurz
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Flüchtlinge
Schwerpunkt Angela Merkel
Nordafrika
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Fluchtrouten
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