# taz.de -- Kolumne German Angst: Die Mauer verläuft durchs Mittelmeer | |
> Was kümmert es die EU, dass Libyen ein zerrüttetes Bürgerkriegsland ist? | |
> Der Wunsch nach geschlossenen Grenzen ist einfach zu stark. | |
Bild: Flüchtlinge nördlich von Libyen | |
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann [1][schrieb in der FAS]: „Um die | |
Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die | |
Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten | |
Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und | |
betreut werden.“ | |
Dieser Satz enthält die ganze menschenverachtende Brutalität der | |
EU-Abschottungspolitik. Mit „Geschäftsgrundlage“ meint Oppermann Menschen, | |
die es lebendig nach Europa schaffen. Man zerstört das Geschäft, indem man | |
dafür Sorge trägt, dass sie es nicht mehr tun – dass sie sterben, oder | |
schon weit entfernt festgesetzt werden. | |
In Libyen etwa. Da gibt es 700.000 Flüchtlinge, bis zu 7.000 laut Human | |
Rights Watch interniert in Camps, in denen Folter und sexuelle Gewalt | |
Routine sind. „Versorgt“ und „betreut“, das ist Sozialdemokratisch für | |
„Internierung und staatliche Folter“. Mehrere Tausend Menschen werden pro | |
Jahr allein von der libyschen Küstenwache in die Camps verschleppt. | |
[2][Trainiert wird diese seit 2016 von der EU.] Und sie ist effizient, | |
Hilfsorganisationen wie Sea Watch berichten wiederholt, wie sie | |
Schlauchboote überfiel und Flüchtlinge ertrinken ließ – in unserem Namen. | |
## Das Elend in Europa | |
Aber so weit muss man gar nicht gehen. In den überfüllten Lagern in | |
Griechenland starben letzte Woche fünf Männer. Im Rahmen des | |
Relocation-Programms muss die EU Zehntausende der dort festsitzenden | |
Flüchtlinge aufnehmen, Deutschland 27.500. Doch die Leute sterben weiter. | |
Das letzte Opfer der EU-Verweigerung ist von Freitag: Ein junger Afghane | |
ertrank beim Versuch, die Grenze von Serbien – wo 10.000 Flüchtlinge meist | |
ohne Versorgung hausen – nach Ungarn zu überqueren. | |
Aber Westeuropa nimmt das Elend in Europa kaum mehr zur Kenntnis. Und auch | |
nicht das an seiner Mittelmeergrenze, wo 2016 mehr als 5.000 Flüchtlinge | |
ertranken. Die EU-Regierungschefs beraten stattdessen, wie diese Menschen | |
weiter aus dem Blickfeld und in Vergessenheit geraten können, am besten | |
dorthin, wohin sich schon aus Sicherheitsgründen kein TV-Team mehr verirrt. | |
## Wir haben Frontex | |
Anders gesagt: Die EU-Staaten verkaufen Flüchtlinge an Autokratien und in | |
Kriegsgebiete, liefern sie Folter und Tod aus, unterlaufen das Recht auf | |
Asyl. Wenn man sich die Herkunft derer anschaut, die nie einen Asylantrag | |
in Europa stellen werden können, braucht es hier gar keinen „Muslim Ban“. | |
Wir haben Frontex, den Türkei-Deal, Dublin II, eine steigende Zahl als | |
sicher eingestufter Herkunftsstaaten, Schengen. Jahrelang haben deutsche | |
und EU-Politiker daran gefeilt und einen faktischen Einwanderungsstopp für | |
Menschen aus Syrien, Afghanistan, Libyen, Iran, Sudan, Irak erreicht. Die | |
Mauer der EU, sie verläuft durchs Mittelmeer. Und anders als die USA will | |
die EU sogar selbst dafür bezahlen – die nordafrikanischen Staaten, die | |
ihre Schmutzarbeit erledigen. 200 Millionen Euro ist das den EU-Staaten | |
2017 wert. | |
Pro Asyl bezeichnete den Malta-Gipfel als „Tiefpunkt europäischer | |
Flüchtlingspolitik“. Aber das stimmt nicht. Das ist keine Politik mehr. Es | |
ist Beihilfe zum Massenmord. | |
8 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Fraktionschef-ueber-Bootsfluechtlinge/!5381295 | |
[2] https://migration-control.taz.de/#de | |
## AUTOREN | |
Sonja Vogel | |
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