# taz.de -- Kommentar SPD und Flüchtlinge: Oppermanns alternative Wahltaktik | |
> Die Idee, Flüchtlinge in Nordafrika zu internieren, ist alt. Gut war sie | |
> noch nie, und dass die SPD damit Wahlkampf machen möchte, ist fatal. | |
Bild: Endlich muss nicht mehr nur Gabriel jede denkbare politische Position abb… | |
Kaum gelingt es der SPD, sich bar jeder Evidenz mit ihrem neuen | |
Parteivorsitzenden Martin Schulz den Anstrich einer linken Alternative zu | |
Angela Merkel zu geben, bemüht sich Fraktionschef Oppermann, nicht zu viel | |
Euphorie aufkommen zu lassen und [1][auch ein bisschen rechtspopulistische | |
Stimmungsmache] in den Kessel Buntes des kommenden Wahlkampfes einfließen | |
zu lassen. | |
Schon die Prämisse seines Vorschlags, Flüchtlinge in Nordafrika zu | |
internieren, ist falsch. Es ist nicht einmal originär seine Idee. | |
Innenminister Thomas de Maizière, [2][auch sonst kein Freund | |
faktenbasierter Politik], tut schließlich schon seit Ewigkeiten so, als | |
wäre die Zurückweisung von Flüchtlingen an den Außengrenzen Europas und | |
ihre „Versorgung und Betreuung“ in Nordafrika politisch und moralisch | |
gerechtfertigt, rechtskonform oder irgendwie praktikabel. | |
Knapp 200.000 „illegale Grenzübertritte“ zählte die europäische | |
Grenzschutzagentur 2016 im zentralen und westlichen Mittelmeerraum. Die EU | |
hat gut 500 Millionen Einwohner. Gesetzt den Fall, dass jeder dieser | |
Grenzübertritte von einer Person verübt wurde, die dann in der EU verbleibt | |
und Menschen nicht bei mehreren Fluchtversuchen in die Statistik einfließen | |
(was Frontex selber nicht glaubt), wächst die Bevölkerung der EU durch | |
besagte Flüchtlinge also um 0,3 Promille. Promille, nicht Prozent! | |
Wer da ein Problem sieht, kann nicht rechnen. Das weiß auch Thomas | |
Oppermann und bedient sich deshalb derselben Sprachregelung wie seine | |
CDU-Kollegen: Es gehe um die Bekämpfung des unmenschlichen Schlepperwesens. | |
Und ja, jedes gerettete Leben, das nicht auf Bootswracks im Mittelmeer | |
riskiert wird, wäre einigen Aufwand wert. Nur stellt sich die Frage, ob das | |
wirklich der Plan ist. | |
## Unsinnige Prämisse | |
Das Kalkül hinter solchen Vorschlägen ist doch nie reiner Altruismus. Die | |
Botschaft die da an Wählerinnen und Wähler ausgesendet wird, ist klar: Die | |
Ausländer sind zu viele, wir kümmern uns darum, dass es nicht mehr werden. | |
Wählt uns. | |
Statt also den Unsinn europäischer Migrations- und Flüchtlingspolitik | |
anzuprangern, wird die von keiner Realität getrübte Prämisse des „Zuviel“ | |
einfach übernommen. Hat man diesen Rahmen erst einmal akzeptiert, fragt | |
niemand mehr, ob es vernünftig ist, die Überwachungs- und Rüstungsindustrie | |
mit Milliarden zu subventionieren, um ein paar Hunderttausend Menschen (zur | |
Erinnerung: 0,3 Promille) aufzuhalten. Niemand fragt, ob es politisch klug | |
oder moralisch gerechtfertigt ist, Millionen Menschen, die als | |
Binnenflüchtlinge auf dem afrikanischen Kontinent ihr Dasein fristen, sich | |
selbst zu überlassen und Autokraten und Kriegsherren zu Türstehern der EU | |
zu machen. | |
Kurz: Niemand fragt nach Alternativen zu einer Politik, die Menschenleben | |
kostet, Gelder in die Kassen der Großindustrie spült und Demokratie zum | |
verhandelbaren Extra, nicht zur Vorbedingung internationaler Beziehungen | |
macht, insgesamt also zynisch und irrational ist. Aber vielleicht darf man | |
das von einer langjährigen Regierungspartei auch nicht erwarten. Denn das | |
ist die SPD, das ist ihr Erbe, ein Erbe, das bisweilen mehr nach | |
Alternative für Deutschland klingt, als nach Alternative zu Merkel. Das | |
kann auch kein Schulz verdecken. | |
Mehr Informationen zu europäischer Flüchtlings- und Migrationspolitik in | |
Afrika lesen Sie auf unserem Rechercheschwerpunkt | |
[3][taz.de/migrationcontrol]. | |
6 Feb 2017 | |
## LINKS | |
[1] /SPD-Fraktionschef-ueber-Bootsfluechtlinge/!5381295 | |
[2] /De-Maizieres-Luegen-ueber-Fluechtlinge/!5316205 | |
[3] https://migration-control.taz.de/#de | |
## AUTOREN | |
Daniél Kretschmar | |
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