# taz.de -- Schwerpunkt: minderjährige Flüchtlinge: „Ich komme nicht zur Ru… | |
> Ali, 16, hat es alleine aus dem Iran nach Deutschland geschafft. Aber er | |
> bangt um seine Familie und seine Zukunft in Deutschland. Ein Protokoll. | |
Bild: Minderjähriger unbegleiteter Flüchtling in einer Unterkunft in Sachsen. | |
„Wir haben alle Angst davor, dass wir mit dem 18. Geburtstag zurück nach | |
Afghanistan müssen. Egal, wie gut du Deutsch sprichst oder ob du eine | |
Arbeit hast. Alle Afghanen, alle Flüchtlinge, leben immer mit dieser Angst. | |
Wir können nicht lernen, wir kommen nicht zur Ruhe. | |
Ich bin mit vielen Träumen nach Deutschland gekommen, und nun droht mir, | |
dass sie mich einfach zurückschicken. Im Iran habe oft ich an | |
Boxwettkämpfen teilgenommen. In Deutschland habe ich im ganzen Jahr noch | |
keinen mitgemacht. Ich dachte, dass es hier besser ist, dass ich mein Leben | |
hier einfach weiterleben kann. Aber es ist nicht so. Es ist wichtig, | |
geduldig zu sein, aber meine Geduld ist am Ende. Seit einem Jahr und drei | |
Monaten lebe ich in einem großen Heim, erst im Wedding, jetzt in | |
Zehlendorf. Ich habe immer noch keine WG, und ich weiß nicht, wann ich | |
umziehen kann oder in eine Wohnung komme. Niemand weiß es. Die | |
Sozialarbeiter sagen, es ist nicht ihre Schuld, es ist der Senat. Ich weiß | |
nicht, was stimmt. | |
Die Lehrerin von meiner Schule hat meinen Vormund angerufen und ihr gesagt, | |
dass ich immer müde bin. Ich muss so früh aufstehen, um halb sechs, denn | |
ich brauche eine Stunde bis zur Schule. Vorher waren es sogar eineinhalb | |
Stunden. Der Weg ist zu lang, aber weil ich nicht weiß, wo ich wohnen | |
werde, gehe ich weiter in diese Schule. Ich bin in einer Willkommensklasse, | |
würde aber gern in eine Regelklasse wechseln, denn ich denke, dass ich da | |
besser lernen kann. An der ersten Schule, wo ich war, hat die Lehrerin mich | |
oft gefragt, warum ich immer traurig bin, aber sie hat uns nicht | |
unterstützt. Sie denkt, es ist eine Hilfe, wenn sie uns sagt, dass es schon | |
nicht so schlimm sein wird, wenn wir nach Afghanistan müssen. | |
Meine Familie ist arm und alt, und ich möchte ihr helfen. Ich bin nicht | |
hergekommen, um zu spielen. Ich bin hergekommen für meine Zukunft. Besser | |
wäre es, wenn ich schon ein bisschen mehr darüber wüsste, was meine Zukunft | |
ist, ob ich hier eine Zukunft habe. Ich wünsche mir einen guten Job, am | |
liebsten als Krankenpfleger oder Rettungssanitäter. Im Iran habe ich viel | |
gearbeitet. Wenn ich wieder in den Iran müsste, könnte ich zehn Jahre lang | |
arbeiten und würde keine Fortschritte machen, nicht vorankommen. Ich finde, | |
wenn jemand sich bemüht und gut ist, sollten andere ihn unterstützen, damit | |
er das werden kann, was er möchte. | |
Meine Freunde haben auch diese Probleme. Manchmal ist es mehr die Situation | |
in Deutschland, manchmal mehr die Familie. In meiner Familie bin ich der | |
Zweitjüngste, ich habe einen älteren Bruder und zwei Schwestern. Anfangs | |
habe ich jede Woche mit meiner Familie telefoniert. Aber meine Mutter hat | |
jedes Mal sehr geweint, dann musste ich auch weinen und war sehr traurig. | |
Jetzt rufe ich nur alle drei, vier Wochen an, das ist besser. Bei meinen | |
Problemen hier können sie nicht helfen. | |
Obwohl ich es mir sehr wünsche, habe ich manchmal Angst, dass ich es mit | |
der Ausbildung nicht schaffe und dass ich im Unterricht nicht mitkomme. Ich | |
habe die dritte und vierte Klasse im Iran ausgelassen und deshalb fehlt mir | |
Wissen. | |
Ich brauche nicht viel. Ich liebe meinen Sport, darin möchte ich immer | |
besser werden. Ich gehe viermal die Woche zum Training. Mein Vormund hat | |
alles für mich gemacht, sie ist toll. Aber wenn man kein Glück hat … | |
Im Iran, wo meine Familie hingegangen ist und wo ich aufgewachsen bin, | |
waren wir immer Flüchtlinge. Hier bin ich jetzt auch Flüchtling. Ich möchte | |
ankommen können und nicht mehr Flüchtling sein.“ | |
25 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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