# taz.de -- Minderjährige Flüchtlinge in Berlin: Wohin sind sie verschwunden? | |
> 400 minderjährige Flüchtlinge, die ohne Begleitung nach Berlin kamen, | |
> fehlen in der Statistik des Senats. Sind sie tatsächlich verschwunden? | |
> Der Senat rechnet nach. | |
Bild: Wo gehen sie hin? Hier sind minderjährige unbegleitete Flüchtlinge unte… | |
Zuerst sieht es aus wie eine einfache Rechenaufgabe mit einem | |
erschreckenden Ergebnis. Rund 3.100 minderjährige Flüchtlinge sind seit | |
Januar 2015 ohne Begleitung ihrer Eltern in Berlin angekommen. Diese Zahl | |
nennt die zuständige Senatsverwaltung für Bildung und Jugend. Das Land | |
Berlin hat 1.900 minderjährige Flüchtlinge in Obhut untergebracht, rund 800 | |
befinden sich in der Obhut der Bezirke. Macht eine Differenz von 400. | |
Bedeutet dies, dass rund 400 geflüchtete unbegleitete Kinder und | |
Jugendliche in Berlin im letzten Jahr verschwunden sind? | |
„Nein“, sagt Ilja Koschembar, Sprecher der Senatsverwaltung für Jugend. �… | |
ist nicht so, dass hier 400 Kinder verschwunden sind.“ Drei Gründe nennt | |
er, die erklären würden, warum diese Zahlen nicht zusammenpassen. „Erstens | |
sind einige der Jugendlichen inzwischen volljährig geworden. Zweitens sind | |
einige bei Familienangehörigen untergebracht worden. Und drittens ist es | |
möglich, dass sie auf eigene Faust weitergereist sind.“ All dies seien | |
Möglichkeiten, warum die jugendlichen Flüchtlinge aus der Statistik | |
herausfallen. Wie viele Jugendliche deswegen nicht mehr vom Senat oder den | |
Bezirken betreut werden, könne er derzeit nicht sicher sagen. Denn auch für | |
die Senatsverwaltung ist es eine Rechnung mit mehreren Unbekannten. | |
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden nicht vom Landesamt für | |
Gesundheit und Soziales (Lageso), sondern in einer besonderen | |
Erstaufnahmestelle registriert. Danach werden sie von der Senatsverwaltung | |
für Jugend und Bildung vorläufig in Obhut genommen und untergebracht, oft | |
in Hostels oder Jugendgästehäusern, weil die Erstaufnahmestelle nur über | |
rund 100 Plätze verfügt. | |
„Die Bedingungen, unter denen die Jugendlichen hier über Monate geparkt | |
werden, sind nicht gut“, sagt Johanna Karpenstein, Referentin beim | |
Bundesfachverband für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (Bumf) über | |
die Situation in Berlin. „Sie haben kaum eine Perspektive, auch die | |
Betreuer können ihnen oft nicht sagen, wie und wann es für sie weitergeht.“ | |
Viele würden über einen langen Zeitraum nicht beschult werden, so | |
Karpenstein weiter. Die Jugendlichen würden in den Hostels zwar ambulant | |
betreut, viele der Träger seien auch sehr engagiert, aber es gebe keine | |
Standards für den Umgang mit ihnen. „Die Jugendlichen werden im Nichts | |
stehen gelassen. Wir sind in der Einzelfallberatung immer wieder | |
erschreckt, wie demotivierend das auf sie wirkt, wie es sie zermürbt“, sagt | |
Karpenstein. Der Mangel an Perspektive sei durchaus ein Grund für einige | |
Jugendliche, einfach weiterzureisen. | |
Außerdem sei es teilweise unübersichtlich, wie die Unterbringung bei | |
Verwandten organisiert werde und bei wem die Jugendlichen letztlich lebten. | |
„Wir kennen Fälle, wo die angeblichen Verwandten nicht mal eine Vollmacht | |
von den Eltern vorzeigen mussten. Auch das kann ein Tor für Ausbeutung oder | |
Menschenhandel sein“, sagt sie. Viele Jugendliche seien auch auf der Flucht | |
schon ausgebeutet worden. „Das wischt man nicht so einfach weg.“ | |
Am vergangenen Wochenende hatte die europäische Polizeibehörde Europol | |
gemeldet, dass europaweit 10.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge | |
vermisst würden und auf die Gefahr hingewiesen, dass diese Opfer von | |
Kriminalität geworden sein könnten. | |
„Wir arbeiten daran, dass wir mehr dauerhafte Plätze zur Verfügung haben“, | |
sagt Koschembar. Außerdem würde die Senatsverwaltung ihre Datenbanken neu | |
organisieren, damit diese schneller aktualisiert werden könnten. Denn dass | |
die Zahlen so weit auseinanderklaffen, liege auch daran, dass Jugendliche | |
auf handschriftlich ausgefüllten Bögen erfasst worden wären. „Da gab es | |
viele Doppelregistrierungen“, sagt er. | |
4 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Uta Schleiermacher | |
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