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# taz.de -- Sexistische Reality-Show „Kelim“: Kirgistan sucht die Superbraut
> Eine kirgisische Realityshow testet Frauen auf ihre Hausfrauenqualitäten.
> Dazu gehört auch, sich ohne Widerworte erniedrigen zu lassen.
Bild: Ist klar: Die gute Ehefrau backt selbst
Die junge Frau knetet nervös ihre Finger, als der Moderator sie in die
Mangel nimmt. Wie sich die Kandidatin denn verhalten würde, sollte die
Schwiegermutter etwas anderes essen wollen als der Ehemann? Dann werde der
Wunsch der Schwiegermutter erfüllt, kommt prompt die Antwort. Besagte
imaginäre Schwiegermutter – eine bekannte Schauspielerin, die alles genau
beobachtet – quittiert das Gehörte mit einem wohlwollenden Kopfnicken. Doch
ob das fürs Weiterkommen reicht?
Dieser bizarren Fragestunde konnten die Fernsehzuschauer in der
zentralasiatischen Republik Kirgistan unlängst zum ersten Mal beiwohnen.
„Kelim“ (auf Deutsch „Braut“) heißt die neue Realityfernsehshow im
staatlichen Sender KTRK, die derzeit vor allem in den sozialen Netzwerken
für Diskussionen sorgt.
26 unverheiratete Frauen treten in der ersten Runde an. Am Ende bleiben 10
übrig. Hier könnten sie endlich einmal ihr Können unter Beweis stellen,
verspricht die Anmoderation. Worauf es ankommt, wird sofort klar: auf
profunde Kenntnisse am Herd sowie in der Haus- und Gartenarbeit. Und wie
frau sich korrekt zu kleiden habe. Den Siegerinnen winken als „Mitgift“
eine Schlafzimmergarnitur, ein Satz Geschirr sowie eine Reise für zwei in
die Türkei.
Man habe sich vor Bewerberinnen kaum retten können, sagte die Produzentin
der Show, Hadija Harsanowa, dem Internetnachrichtenportal Sputnik.kg. Da
sich die Sendung insbesondere an die ländliche Bevölkerung richte, seien
vor allem Städterinnen ausgesucht worden. Ihnen seien häusliche Pflichten
fremd. Einige hätten noch nie eine Kuh gesehen, geschweige denn gemolken.
## Kritiker starten Gegen-Petition
Die Show beschreibe stereotype Beziehungen, in denen Frauen von ihren
Schwiegermüttern erniedrigt würden, kritisiert die Feministin Reina
Arturowa. Außerdem befördere sie Gewalt gegen Frauen.
Ähnlich äußerte sich Bektur Iskender, einer der Gründer des alternativen
[1][Nachrichtenportals Kloop.kg]: „Diese Show ist nichts anderes als eine
Ansammlung von diskriminierenden Klischees“, schreibt er. Schon das Wort
„Kelim“ beziehe sich auf jemanden am untersten Ende der Familienhierarchie,
eine Art Sklave. „Wenn Sie über ‚Kelim‘ empört sind, werden Sie zu einem
Beispiel für Feminismus im täglichen Leben. Das können Sie auch als Mann.
Denken Sie nicht so viel darüber nach, was jemand zwischen den Beinen hat.
Sie werden herausfinden, dass seinen Job gut zu machen und Ergebnisse zu
erreichen nichts mit Genderidentität zu tun hat“, heißt es in einem
weiteren Kommentar auf kloop.kg.
Gleichgesinnte von Iskender haben jetzt eine Onlinepetition gestartet, in
der der Sender aufgefordert wird, die Show aus dem Programm zu nehmen.
Unterstützt werden sie in ihrem Anliegen von einigen weiblichen
Abgeordneten, die eine Debatte über „Kelim“ fordern.
Und die ist überfällig. In ihrem jüngsten Bericht [2][nennt die
US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch] alarmierende Zahlen:
Allein im Jahr 2015 seien 10.469 Frauen in Kirgistan Opfer häuslicher
Gewalt geworden. Dabei dürfte die tatsächliche Zahl weitaus höher liegen.
In Kirgistan ist der sogenannte Brautraub immer noch eine weit verbreitete
Praxis. Jedes Jahr werden laut der UN-Organisation UN Women rund 12.000
Fälle dokumentiert. Und das, obwohl die Verheiratung minderjähriger Frauen
seit 2016 unter Strafe steht.
Nach der ersten Runde der TV-Show wurden die zehn Gewinnerinnen befragt.
Sollte ihr Ehemann sie demütigen, würden sie sich nicht zur Wehr setzen und
sich gemäß den Wünschen ihrer Schwiegermütter kleiden, sagten sie.
22 Feb 2017
## LINKS
[1] https://kloop.kg/
[2] https://www.hrw.org/world-report/2017/country-chapters/kyrgyzstan
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Sexismus
Fernsehen
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