| # taz.de -- Polnischer Film „Pokot“ auf der Berlinale: Mord im Wolfspelz | |
| > Agnieszka Holland hat mit „Pokot“ einen Öko-Feminismus-Thriller gedreht. | |
| > Ihre einsiedlerische Heldin lebt allein unter Tieren. | |
| Bild: Agnieszka Mandat als Einsiedlerin. Ein Mord ist geschehen | |
| Vielleicht hat es ja tiefliegendere Bedeutung, dass gleich beide | |
| Hirsch-Wettbewerbsfilme (als Gattung leider noch nicht etabliert) von | |
| Regisseurinnen und diese wiederum aus ostmitteleuropäischen Ländern | |
| stammen, deren Führungselite immer männlich-autoritärer auftritt. | |
| Während jedoch die Budapester Schlachthaus-Angestellten in Ildiko Enyedis | |
| „On Body und Soul“ den Wildtieren nur in ihren Träumen begegnen, haust | |
| Agnieszka Hollands einsiedlerische Heldin in „Spoor“ („Pokot“) tief im | |
| Wald, mitten unter Tieren. Solange diese noch leben. | |
| Denn der grausamen Mordserie, die in diesem arg konventionell von | |
| Mega-Kranfahrten und reichlich anstrengendem Trommelwirbel getragenen | |
| Genre-Mix den Mystery-Teil ausmacht, geht ein unmenschliches Abschlachten | |
| von Tieren voraus. Das sei Mord, gibt pani Duszejko (die Seele im Namen) | |
| bei den Behörden regelmäßig erfolglos zu Protokoll. | |
| ## Hemmungslose Macho-Attitüde | |
| Denn die Ämter und Instanzen sind allesamt von Männern besetzt, für die die | |
| Jagd politische Bühne und die Wilderei hemmungslose Macho-Attitüde ist. Der | |
| harte Kern dieser Dunkelwald-Patriarchen (auch der Pfarrer, schön | |
| schmerzhaft im Reich der katholischen Kirche polnischer Ultraprägung) muss | |
| jedenfalls dran glauben. Ihre Leichen tragen die Spuren der Rache von | |
| Tieren. | |
| Die mal komödiantische, mal sozialkritische Message dieses „anarchistischen | |
| Öko-Feminismus-Thrillers“, wie die polnische Starregisseurin „Pokot“ | |
| charakterisiert, trägt die Figur der Duszejko. Als ehemalige volkspolnische | |
| Brückenbauerin in Libyen und Syrien hat sie Englischkenntnisse erworben und | |
| sich damit im Kaff zur Lehrerin qualifiziert. | |
| Wir wuchsen einst in einer Zeit auf, die die Welt noch verändern wollte, | |
| steht im Abspann. Dass es heute vorbei ist mit dem revolutionären Geist, | |
| und wir brave, aber dumme Lämmer sind, will Duszejko nicht glauben. Beim | |
| Karneval des Pilzsammlervereins zieht sie den Wolfspelz an … | |
| Das Detail mit dem sozialistischen Internationalismus ist autobiographisch | |
| (Hollands Mutter hat Brücken gebaut). Der Rest stammt bis hin zur | |
| esoterischen Ader der Aktivistin (die in der Astrologie mehr Wahrheit | |
| findet als in der Genetik) aus dem Roman „Der Gesang der Fledermäuse“ von | |
| Polens Starautorin Olga Tokarczuk. | |
| Die Frau und die Natur, so diese, sind die Schwachstellen der Gesellschaft. | |
| Ihnen verleiht auch „Pokot“ eine Stimme, leider aber über-explizit. Die | |
| dubiose ‚neue Kommune‘ am Filmende bringt es auf den Punkt: entschieden | |
| unentschieden, Komödie eben, keine Realutopie. | |
| 13 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Wurm | |
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