# taz.de -- Neuer Präsident in Somalia: „Mister Käse“ soll es richten | |
> Mohamed Abdullahi Mohamed, genannt „Farmaajo“ (Käse), hat überraschend | |
> die Wahl gewonnen. Er könnte ein Ende der Korruption einleiten. | |
Bild: Der Jubel nach der Wahl ist groß | |
Nairobi taz | „Somalia wird bald ein anderes Somalia sein.“ Das ist die | |
Überzeugung bei großen Teilen der somalischen Bevölkerung. Nachdem Mohamed | |
Abdullahi Mohamed am Mittwochabend vom ernannten somalischen Parlament zum | |
neuen Präsidenten des Landes gewählt wurde. Unerwartet schlug der frühere | |
Premierminister in der zweiten Runde des Wahlgangs den Amtsinhaber Hassan | |
Sheikh Mohamud. | |
Der neue Staatschef hat den Ruf, transparent und nicht korrupt zu sein. Er | |
war sehr beliebt während seiner kurzen Zeit als Regierungschef 2010/2011. | |
Damals sorgte er dafür, dass Regierungssoldaten bezahlt wurden und Minister | |
ihre Vermögenswerte offenlegen: eine ganz neue Art der Transparenz in | |
Somalia. Kein Wunder, dass der Premier daraufhin politischen Machenschaften | |
zum Opfer fiel. | |
„Farmaajo“, wie Mohamed in einer somalischen Verballhornung des | |
italienischen Wortes für Käse genannt wird – der Süden Somalias war früher | |
italienische Kolonie –, kehrte daraufhin zurück in sein zweites Vaterland, | |
die USA, wo er an Universitäten arbeitete und auch wie früher an der New | |
Yorker Verkehrsbehörde. Er hält beide Staatsbürgerschaften. Seine Anhänger | |
gründeten in Somalia die Partei „Tayo“ (Qualität). | |
Der scheidende Präsident Hassan Sheikh Mohamud, der 2012 bei einer | |
indirekten Wahl bestimmt wurde, bekam weder die Korruption noch die | |
Sicherheit in den Griff. Die islamistische Miliz Al-Shabaab, die zeitweise | |
fast den gesamten Süden Somalias beherrschte, kontrolliert zwar keine | |
Städte mehr, aber verübt regelmäßig Anschläge. Somalias Hauptstadt | |
Mogadischu bleibt eine Stadt im Kriegszustand. Die Präsidentschaftswahl | |
jetzt fand auf einem Hochsicherheitsgelände im hermetisch von ausländischen | |
Eingreiftruppen abgeriegelten Flughafen von Mogadischu statt. Es waren | |
wahrscheinlich die längsten Wahlen der Welt. Normale Bürger konnten nicht | |
wählen. Klanälteste bestimmten über 14.000 Delegierte, die wiederum 275 | |
Parlamentsabgeordnete wählten. Die Parlamente der sechs designierten | |
Bundesländer Somalias – Puntland, Somaliland, Jubbaland, South West State, | |
Galmudug, Hirshebelle – bestimmten 54 Mitglieder des Senats. Beide Häuser | |
zusammen wählten den neuen Präsidenten. | |
Der Wahlprozess begann im Oktober 2016 und offenbarte, wie Politiker | |
Stimmen kauften, mit manchmal Hunderttausenden von Euro. Viele der | |
Parlamentarier haben wie Mohamed eine doppelte Nationalität. Sie führten | |
einen Teil ihrer Kampagne in den USA, wo viele Somalier leben. | |
Obwohl es keine normalen Wahlen waren, glauben viele in Somalia, dass es | |
der erste Schritt zur Normalität sei in einem Land, das seit 1969 keine | |
normalen Wahlen kannte und seit Ende der 1980er Jahre keinen Frieden. | |
Präsident Mohamed muss jetzt zeigen, dass er die Bevölkerung nicht | |
enttäuscht wie sein Vorgänger. Die Menschen in Somalia wollen Frieden und | |
ein Ende der tief verwurzelten Korruption. Eine riesige Aufgabe für den | |
neuen Staatschef. Freudenkundgebungen in Mogadischu nach seiner Wahl | |
machten deutlich, wie groß die Hoffnungen sind, die in ihn gesetzt werden – | |
und die Erwartungen. | |
9 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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