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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Somaliland: Endlich anerkannt werden
> Kein Staat der Welt erkennt Somaliland an, aber es ist seit 1991
> unabhängig. Jetzt fanden normale Wahlen statt. Im Rest Somalias wäre das
> undenkbar.
Bild: Eine Wählerin in Hargeisa
Hargeisa taz | Geschäftiges Treffen herrscht am Marktplatz von Borama.
Einen Tag vor den Präsidentschaftswahl in Somaliland packen die Polizisten
in dem Städtchen an der äthiopischen Grenze Matratzen und Decken auf Lkws
und fahren an ihren Einsatzort. „Am Montag sind Wahlen. Vergessen Sie
nicht, Ihre Karte mitzubringen“, schallt es aus Lautsprechern. Auf dem Weg
in die Hauptstadt Hargeisa begegnet man immer wieder Fahrzeugkolonnen, die
Urnen und Unterlagen zu den 1.642 Wahllokalen bringen.
Somaliland am Golf von Aden sieht sich als Musterdemokratie. Die drei
Millionen Bewohner Somalilands sind stolz auf den Staat, den sie aufgebaut
haben, seit das ehemalige Britisch-Somaliland sich 1991 unabhängig vom Rest
Somalias erklärt hat. Aber bis heute wird Somaliland von keinem anderen
Staat auf der Welt [1][anerkannt]. In acht Ländern gibt es zwar
diplomatische Vertretungen, etwa in Großbritannien, den USA, Kenia und in
Äthiopien, und acht Länder erkennen den somaliländischen Pass an. Doch
völkerrechtlich gehört Somaliland immer noch zu Somalia.
Ganz im Gegensatz zu Somalia, wo es keine stabile Regierung gibt, herrscht
in Somaliland seit Jahrzehnten Frieden. Es gibt keine Anschläge, immer mehr
Menschen kehren aus der Diaspora zurück. Sie gründen Unternehmen, eröffnen
Restaurants, Cafés und Hotels, seit Kurzem gibt es sogar einen
Essenslieferservice, bei dem man über eine App bestellt. Und zur Zukunft
des Landes gehört auch ein funktionierendes demokratisches System. Der
Slogan, der das Land über die letzten Wochen eines turbulenten Wahlkampfs
zusammenhielt, lautet: „Nabad ku Codee“ – Frieden und Wahlen.
Drei Wochen dauerte der Wahlkampf. Die Parteien wechselten sich täglich mit
Kundgebungen ab. Großflächige Wahlplakate wurden überall am Straßenrand
aufgehängt, ganze Hausfassaden in Parteifarben gestrichen und Flaggen vor
Nomadenhütten gehisst. Zum Auftakt debattierten die drei
Präsidentschaftskandidaten live im Fernsehen.
Die Kulmiye-Partei des derzeitigen Präsidenten Ahmed Silanyo hat Muse Bihi
Abdi ins Rennen geschickt, ausgebildeter Kampfpilot und danach
Widerstandskämpfer in der Guerilla gegen die somalische Diktatur von Siad
Barre in den späten 1980er-Jahren. Sein Herausforderer, Abdirahman Irro von
der Waddani-Partei, die eher die Jugend anspricht, wirbt mit dem Slogan
„Bedaluu!“ (Veränderung). Faysal Warabe von der UCID-Partei sorgt mit
provokanten Aussagen für Aufsehen – etwa, dass äthiopische Flüchtlinge
abgeschoben werden sollen. Dafür erhielt er den Spitznamen „Little Donald
Trump“.
## Erinnerung an den Krieg
Am Wahltag ist Road Number 1 in Hargeisa wie ausgestorben. Autos dürfen nur
mit Sondergenehmigung der Wahlkommission und einem extra angefertigten
rot-weißen Nummernschild fahren.
Am Wahllokal im Stadtteil Sheek Madar, gegenüber des Denkmals, das an die
Bombardierung Hargeisas 1988 erinnert, warten die Menschen schon seit zwei
Uhr früh. Eine halbe Stunde, bevor um sieben Uhr die Wahllokale öffnen,
sind alle an ihren Platz in der Warteschlange zurückgekehrt. Manche haben
nachts mit einem Stein, auf den sie ihren Namen notiert haben, ihren Platz
markiert. Frauen verkaufen Obst, Kinder Samosas aus Plastikschüsseln.
Die Erinnerung an 1988, als Somalias Diktator Siad Barre Hargeisa in Schutt
und Asche bomben ließ, ist noch sehr präsent. Nichts blieb mehr von der
Stadt mehr übrig. „Manchmal kann ich es noch immer nicht glauben“, sagt
Jama Musse Jama und blickt aus einem Restaurant auf das Denkmal und das
Wahllokal daneben. „Alles war weg – und nun werden wieder Häuser gebaut,
Straßen angelegt.“
Jama organisiert seit zehn Jahren eine Buchmesse in Hargeisa, die
internationales Publikum anzieht. Jedes Jahr gibt es ein afrikanisches
Gastland. Doch Somaliland kämpft immer noch um sein Image. Es ist nicht
Somalia, doch noch zu wenige wissen davon. Auch in Somalia wurden im
Frühjahr Präsidentschaftswahlen abgehalten, wo aber nur 328 Wahlmänner und
–frauen stimmberechtigt waren. Gewählt wurde in einem Hangar des Flughafens
in Mogadischu unter den höchsten Sicherheitsvorkehrungen.
„Wir wollen endlich anerkannt werden“, sagt Sagal, eine Frau Anfang
dreißig, die in der Schlange für die Frauen ansteht. „Es ist Zeit. Wir
haben bewiesen, dass wir es auch allein schaffen, aber es wäre alles
leichter.“
Jeder Wähler musste sich registrieren lassen. Mit internationaler Hilfe
wurde zum ersten Mal ein Iris-Scan-Verfahren eingesetzt, das verhindern
sollte, dass Menschen mehrfach ihre Stimmen abgeben, wie noch bei den
Kommunalwahlen 2012. Nach dem Iris-Scan erhielten sie ihre Wahlkarte.
Am Dienstag, eine Woche nach der Wahl, wird das Endergebnis bekanntgegeben:
55,2 Prozent für Kulmiye, 40,8 Prozent für Waddani und 4,2 Prozent für
UCID. Es hat lange gedauert, da die Oppositionspartei Waddani viele
Einsprüche geltend gemacht hat.
Doch wie auch schon im Wahlkampf zeigen sich die Kandidaten nach der Wahl
gemeinsam in der Öffentlichkeit. Sie wollen signalisieren, dass das Land
bereit ist für die Unabhängigkeit. Die ehemalige First Lady Edna Adan
Ismail hat sich vor den Wahlen noch einmal zu Wort gemeldet: „Wir sind
keine ‚Region‘, wir sind nicht Somalia. Wir wollen endlich ein anerkanntes
eigenes Land sein.“
22 Nov 2017
## LINKS
[1] /Hungersnot-in-Ostafrika/!5398695
## AUTOREN
Michaela Müller
## TAGS
Somaliland
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