# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Somalia: Längste Wahl der Welt dauert lä… | |
> Das Land ohne Staat soll wieder einen gewählten Staatschef bekommen. Das | |
> Prozedere läuft schon seit Monaten, ein Ende ist nicht absehbar. | |
Bild: Diese Frau gibt ihre Stimme für die Wahl zum Parlament von Somaliland ab… | |
Nairobi taz | Einen Präsidenten in Somalia zu wählen, nimmt viel Zeit in | |
Anspruch. Die Bürger können nicht direkt wählen. Klanälteste haben über | |
14.000 Delegierte bestimmt, die die 275 Mitglieder des nationalen | |
Parlaments wählen. Die Parlamente der sechs zu Bundesländern erklärten | |
Staatsgebilde auf dem somalischen Staatsgebiet – Puntland, Somaliland, | |
Jubbaland, South West State, Galmudug, Hirshebelle – stimmen für einen | |
Senat. Schließlich wählen beide Parlamentskammern den neuen Präsidenten. | |
Die gesamte Prozedur begann im Oktober. Wann sie endet, ist derzeit unklar. | |
Kurz vor dem 28. Dezember, als die bereits verschobene Wahl stattfinden | |
sollte, wurde sie erneut verschoben – diesmal auf den 24. Januar 2017. | |
Grund ist, dass der Rest des Wahlprozesses chaotisch ist und langsamer | |
abläuft als geplant. | |
Das hängt zum einen mit der Unsicherheit im Land zusammen. In vielen Teilen | |
des Landes hat immer noch die islamistische Al-Shabaab-Miliz das Sagen. Sie | |
verüben regelmäßig Anschläge in der Hauptstadt Mogadischu und anderen | |
Städten, besonders im Vorlauf dieser Wahlen – denn die lehnen sie ab. | |
Die 22.000 Mann starke Amisom-Eingreiftruppe der Afrikanischen Union (AU) | |
hat auf Anschläge keine Antwort. Die AU-Soldaten aus Uganda, Burundi, | |
Äthiopien, Kenia, Dschibuti und Sierra Leone vertreiben zwar | |
Shabaab-Milizionäre aus Städten, aber sobald sie abziehen, kommen die | |
Shabaab zurück. | |
Überdies hat Somalia seit einem Vierteljahrhundert keinen Staat mehr. Seit | |
1991 Diktator Siad Barre gestürzt wurde, steckt das Land in einem Strudel | |
der Gewalt. Es gibt kein Wahlregister und keinen Überblick, wer wo lebt. | |
Die endlosen Kriege zwischen Milizen um lokale Macht und wirtschaftliche | |
Möglichkeiten sind fruchtbarer Boden für Extremisten. | |
Die Langsamkeit der Wahl hängt auch eng zusammen mit Bestechungen und | |
Drohungen. Es gibt mehr als ein Dutzend Kandidaten für das Amt des | |
Präsidenten, einschließlich des aktuellen Übergangspräsidenten. Die Wahl | |
der Parlamentarier gleicht einem Markt, auf dem Millionen ausgegeben | |
werden, um Stimmen zu kaufen. | |
## Anwärter werden an der Teilnahme gehindert | |
Somalias Generalstaatsanwalt Nur Farah behauptet, Beweise zu haben, wie | |
Kandidaten Tausende Euro zahlen, um Parlamentssitze zu gewinnen. „Zwei | |
Sitze, einer in Galmudug und einer in Hirshabelle, gingen an die höchsten | |
Bieter für zusammen mehr als eine Million Euro“, sagte Farah. Andernorts | |
wurden Anwärter bedroht oder körperlich an der Teilnahme an der Abstimmung | |
gehindert. | |
Trotzdem gibt es einigen Optimismus unter den Somalis – sie sind einiges | |
gewöhnt. „Jede Wahl bringt uns einen Schritt nach vorne“, stellt Ibrahim | |
Farah fest, ein Somali, der an einer Universität in Kenia unterrichtet. | |
„Erst fanden die Wahlen außerhalb des Landes statt. Das war die Zeit, als | |
Präsidenten Warlords waren. Aber der derzeitige Staatschef kommt aus der | |
Bürgerbewegung, und nun findet eine Art von Wahl im Land statt“, zählt er | |
die Fortschritte auf. „Ich stelle fest, dass die Hoffnung größer ist als | |
die Angst. Somalia wird eines Tages ein Land sein, auf das man stolz sein | |
kann. Aber es wird Zeit und Geduld erfordern.“ | |
Die derzeitige Übergangsregierung ist berüchtigt für Korruption. | |
Millionensummen ausländischer Hilfsgelder sind aus unerklärlichen Gründen | |
verschwunden. Somalia braucht einen „großen Bruder“, glaubt Farah. „Ich | |
sehe keinen guten Kandidaten dafür in dieser Region von Afrika. Aber die | |
Türkei könnte ein guter Kandidat sein, auch weil wir die gleiche religiöse | |
Affinität teilen.“ | |
Die Türkei hat in den letzten fünf Jahren viel Geld nach Somalia gepumpt, | |
vor allem in die Hauptstadt Mogadischu. Als eines der ersten Länder | |
eröffnete es dort eine neue Botschaft und richtete reguläre | |
Flugverbindungen ein. Die Türkei hat sogar eine Militärbasis in Somalia, wo | |
sie versucht, die äußerst schwache somalische Armee aufzubauen. | |
28 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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