| # taz.de -- Deutsche Investitionen in Afrika: Ein riesiger Markt | |
| > China investiert schon seit Jahren in die Infrastruktur afrikanischer | |
| > Länder – auch im schnell wachsenden Kenia. Deutschland hinkt hinterher. | |
| Bild: Schon in den 1970ern wurde hier produziert: Arbeiter im neu eröffneten V… | |
| Nairobi taz | „Matatus“ heißen die Autobusse, die jeden Tag Millionen von | |
| Menschen durch Kenias Hauptstadt Nairobi befördern. Sie sind berüchtigt, | |
| vor allem wegen des Fahrstils. Die Busfahrer ignorieren alle Regeln, halten | |
| wo und wann sie wollen und drängeln rücksichtslos. Aber ohne Matatus geht | |
| in Nairobi nichts. | |
| „Was für einen Ruf die Matatus auch haben, wir sind auf sie angewiesen. Und | |
| uns bringen sie ein gutes Geschäft“, sagt Joyce Tibira. Die kenianische | |
| Unternehmerin führt zusammen mit ihrer Schwester Peninah Wambui die Firma | |
| „Enwati“, die Matatu-Fahrgestelle herstellt. Jetzt sitzen sie in einem | |
| Luxushotel in Nairobi als Teilnehmer des Zweiten Deutsch-Afrikanischen | |
| Wirtschaftsgipfels. „Wir suchen hier deutsche Partner für unser Geschäft“, | |
| erklärt Tibira. „Die Deutschen haben einen guten Ruf in der Autobranche und | |
| stellen hochwertige Materialien her. Technologisch sind sie besser als die | |
| Chinesen.“ | |
| Die beiden Kenianerinnen wollten schon länger Kontakt mit deutschen | |
| Konzernen herstellen. Aber sie hatten keine Ahnung, wo sie anfangen | |
| sollten. Auf dem Gipfel trafen sie nun Vertreter verschiedener Firmen aus | |
| der Branche. „Die Begegnungen waren kurz, aber nützlich“, sagt Wambui | |
| begeistert. „Und wir hoffen, dass etwas dabei rauskommt.“ Dann runzelt sie | |
| die Stirn: „Unsere Regierung propagiert die Chinesen. Aber ich hoffe, dass | |
| auch deutsche Betriebe dieselben Möglichkeiten bekommen.“ | |
| China ist seit über zehn Jahren die Nummer eins, was den Aufbau von | |
| Infrastruktur in Afrika angeht. Im schnell wachsenden Kenia bauen | |
| chinesische Unternehmen neue Straßen und Eisenbahnstrecken. Die Regierung | |
| hilft ihnen, indem sie günstige Finanzierungsbedingungen organisiert. | |
| Unternehmern aus anderen Ländern wird es meistens nicht so leicht gemacht, | |
| darüber klagen deutsche Firmen. Noch stehen Deutschlands wirtschaftliche | |
| Beziehungen mit dem afrikanischen Kontinent in den Anfängen. Es gibt | |
| Aufholbedarf, wenn Berlin auf der Welle des afrikanischen | |
| Wirtschaftswachstums mitschwimmen will. | |
| Deutschlands Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), der zusammen mit der | |
| Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) zur Gipfeleröffnung nach | |
| Nairobi gekommen ist, sieht in Afrika eine große Zukunftschance. „Die | |
| afrikanische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppelt haben auf zwei | |
| Milliarden Menschen“, sagt er. „Ein riesiger Markt!“ | |
| Der Mittelstand wächst zwar, aber in vielen Ländern des Kontinents lebt | |
| ungefähr die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze und von weniger | |
| als zwei Euro pro Tag. Im Schnitt sind zwei Drittel der Einwohner jünger | |
| als 30 Jahre. Hunderttausende von ihnen unternehmen jedes Jahr gefährliche | |
| Reisen, ziehen durch die Sahara und überqueren das Mittelmeer, in der | |
| Hoffnung, eine bessere Zukunft in Europa zu finden. Lieblingsziele sind | |
| Deutschland und Großbritannien. | |
| ## „Nimm uns nicht die Fische weg – lehre uns, zu angeln“ | |
| Den europäischen Regierungen ist klar geworden, dass mehr | |
| Entwicklungsmöglichkeiten in den Herkunftsländern entstehen müssen, um den | |
| Zustrom von Wirtschaftsmigranten aus Afrika zu bremsen. Deshalb hat Gerd | |
| Müller in Kenia seinen „Marshallplan mit Afrika“ lanciert, mit dem Ziel vor | |
| allem für junge Menschen Arbeitsplätze zu schaffen. | |
| Es gibt bereits Ansatzpunkte: Die Getränkefirma Kevian im kenianischen | |
| Städtchen Thika 50 Kilometer außerhalb von Nairobi ist mit deutschem Geld | |
| und Technologie zu einem Großbetrieb gewachsen. Da die Früchteproduktion in | |
| Kenia selbst inzwischen zu klein ist, wird auch in Nachbarländern | |
| eingekauft. Vor allem die Mangosäfte sind populär. Grundstoffe und fertige | |
| Produkte werden auch nach Deutschland exportiert. | |
| Kevian-Direktor Richard Kimani ist zufrieden über seine Zusammenarbeit mit | |
| deutschen Finanzinstitutionen und Betrieben. Er findet den Enthusiasmus bei | |
| den mehr als 400 Gipfeldelegierten reizend, aber er warnt: Die Regierung in | |
| Berlin muss genau wie deutsche Betriebe gründlich recherchieren, was sie in | |
| Afrika erwartet. | |
| „Für Erfolg muss man wissen, wie es in den verschiedenen Ländern Afrikas | |
| zugeht. Das ist nun mal oft anders als in Deutschland“, meint der Kenianer. | |
| „Und wichtig ist auch, dass es zur Zusammenarbeit kommt. Nicht zur | |
| Übernahme, wie damals durch die britischen Kolonisatoren und jetzt durch | |
| die Chinesen. Die Deutschen sollen zufrieden sein – und wir auch.“ | |
| Auch Audace Ndayizeye hat sich die Reden der Deutschen in Nairobi angehört. | |
| Der Präsident der burundischen Industrie- und Handelskammer und des | |
| Ostafrikanischen Wirtschafsrats, bedauert, dass das Wirtschaftsinteresse | |
| von Deutschland an Afrika erst jetzt wächst. „Aber lieber spät als nie.“ | |
| Er findet, dass die Chinesen schon zu viel übernommen haben. „Aber es gibt | |
| noch Raum und Möglichkeiten. Wir brauchen Zuversicht, gute Technologie und | |
| Know-how. Das liefern deutsche Betriebe. Ich weiß das, weil ich einen alten | |
| Mercedes fahre, der mich nie im Stich lässt.“ Burundis Nordprovinz Kayanza, | |
| wo Ndayizeye aktiv ist, betrieb einmal eine Partnerschaft mit | |
| Baden-Württemberg, Heimat der deutschen Autoindustrie – in früheren Zeiten, | |
| bevor in Burundi Krieg herrschte. | |
| Ndayizeye hofft, dass die deutschen Konzerne und Investoren sich in Afrika | |
| nicht benehmen wie die Chinesen. „Nimm uns nicht die Fische weg, sondern | |
| lehre uns, zu angeln“, umschreibt er sein Wunschbild der Zusammenarbeit. | |
| „Es soll eine Win-win-Situation sein.“ | |
| ## Der Kampf gegen die Korruption soll Priorität haben | |
| Der gute Wille gegenüber Deutschland ist groß, und Gerd Müller lässt sich | |
| nicht einschüchtern durch die riesige chinesische Anwesenheit. „Ich will | |
| kooperieren mit den Chinesen in Afrika: Eine trilaterale Zusammenarbeit, wo | |
| Chinesen das Geld liefern und Deutschland die Technologie.“ Die Frage ist, | |
| ob die Chinesen das auch wollen – und ob afrikanische Regierungen daran | |
| interessiert sind. | |
| Deutschland mag weltweit bewundert werden für seine Technologie. Aber China | |
| ist der Liebling vieler afrikanischer Staaten, auch Kenias. Denn Chinesen | |
| machen anders als die Europäer keinen Wirbel um die oft riesige Korruption. | |
| Kenias Regierung ist bereit, für die Chinesen die eigene Wirtschaft zu | |
| opfern. Voriges Jahr schlossen Batteriehersteller Eveready und | |
| Autoreifenproduzent Sameer die Türen. Fast 1.000 Arbeitnehmer verloren ihre | |
| Jobs. Eveready und Sameer hatten erfolglos die Regierung um Schutz gegen | |
| chinesische Billigimporte gebeten. Man muss sich daher fragen, warum Kenias | |
| Präsident Uhuru Kenyatta, der den Deutsch-Afrikanischen Wirtschaftsgipfel | |
| eröffnen sollte, kurzfristig absagte. Kenyatta eröffnet in Kenia sonst | |
| alles: Konferenzen, renovierte Kirchen, sogar neue Fußgängerbrücken – vor | |
| allem jetzt, im beginnenden Wahlkampf. Es sah lange danach aus, dass | |
| Präsident Kenyatta und seine Partei die Wahlen im August locker gewinnen | |
| würden. Doch die Oppositionsparteien haben sich zusammengeschlossen und der | |
| Ruf der Regierung litt außerdem durch riesige Korruptionsskandale innerhalb | |
| der Behörden. Blieb Kenyatta jetzt also dem Gipfel nur fern, weil der | |
| deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) selbst kurzfristig nicht kam? | |
| Oder war es, weil die Korruption zur Sprache kommen könnte? | |
| „Wir sind ganz deutlich und sagen offen, dass der Kampf gegen die | |
| Korruption Priorität haben soll“, sagt Gerd Müller in Nairobi. Er verwies | |
| darauf, dass Kenia im Korruptionsindex von Transparency International | |
| voriges Jahr im untersten Viertel der Liste sitzt. | |
| Es ist nicht leicht, ein Geschäft in Kenia anzufangen. Bürokratische Hürden | |
| gibt es reichlich und höchstwahrscheinlich wird irgendwo Schmiergeld | |
| verlangt. Über Investitionen und Partnerschaften hinaus müssen auch | |
| Arbeitskräfte besser ausgebildet werden. | |
| In Thika, wo die Getränkefirma Kevian sitzt, gibt es auch ein | |
| Berufsausbildungszentrum der deutschen Firma Krones. In den letzten vier | |
| Jahren wurden dort beinahe 300 Mechatroniker ausgebildet. „Ich werde dieses | |
| Jahr fertig mit meiner Ausbildung und hoffe meine eigene Firma zu gründen“, | |
| erzählt Samuel Gachara, einer der Absolventen. Er hat ein Hochschuldiplom | |
| in Elektrotechnik. „Ich war schon ein Profi“, sagt er stolz. „Aber jetzt | |
| werde ich ein Superprofi. Wie meine deutschen Kollegen.“ Und wenn es nicht | |
| klappt mit dem eigenen Betrieb? „Ich würde dann ins Ausland gehen. Hier | |
| gibt es zu wenig Betriebe, wo ich meine Expertise anbieten kann.“ Also nach | |
| Deutschland? „Nein. Amerika!“ | |
| 15 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Ilona Eveleens | |
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