# taz.de -- Chinesische Eisenbahn in Ostafrika: Typisch Kenia | |
> Von Nairobi nach Mombasa geht es auf Schienen in knapp fünf Stunden. | |
> Sitze bequem, Klimaanlage gut – nur mit den Fahrkarten gibt es ein | |
> Problem. | |
Bild: Bahnfahren wie die Chinesen: im Schnellzug Nairobi-Mombasa | |
Afrika hat eine neue Schnellzuglinie: von Kenias Hauptstadt Nairobi in die | |
Hafenstadt Mombasa, Ostafrikas wichtigste Handelsroute. Die Strecke, von | |
einem chinesischen Konsortium für fast 4 Milliarden Euro auf Kredit gebaut, | |
verläuft neben den alten Gleisen, die in der britischen Kolonialzeit | |
verlegt wurden. Der alte Zug wurde in Kenia „Lunatic Express“ genannt, weil | |
der Bau dieser Strecke so verrückt schien. Den neuen Zug nennen viele jetzt | |
schon „Lunatic Express 2“. taz-Korrespondentin Ilona Eveleens stieg ein. | |
Syokimau, Donnerstag, 7.15 Uhr | |
Es ist wenig Betrieb am Fahrkartenschalter in Syokimau. Auf der anderen | |
Seite des ultramodernen neuen Bahnhofs in einem Vorort Nairobis sammeln | |
sich Fahrgäste für die 500-Kilometer-Fahrt nach Mombasa. Karten können nur | |
genau drei Tage vor der Abreise gekauft werden. Alle Karten für die zweite | |
Klasse am Sonntag sind ausverkauft, sagt der Verkäufer in blau-rot-goldener | |
Uniform, die aussieht wie ein Import aus China. „Unmöglich“, erwidere ich: | |
In 15 Minuten alle Karten verkauft, und kein Mensch ist da? „Es gibt aber | |
noch erste Klasse“, sagt der Mann. | |
Es wird also eine Fahrkarte für umgerechnet 30 statt für 7 Euro. Übrigens | |
werden die Preise erhöht, wahrscheinlich kurz nach den Wahlen im August. | |
Am Bahnhof stehen zwei ältere Frauen. „Wir hatten gespart für das Erlebnis, | |
mit dem Zug zu fahren. Schon um 5 Uhr sind wir in den Bus gestiegen, um | |
rechtzeitig hier zu sein. Und jetzt sind alle Karten für die zweite Klasse | |
schon weg“, sagt eine. Syokimau liegt 17 Kilometer außerhalb der Innenstadt | |
Nairobis, in der Nähe des Flughafens. Die Frauen sind von der anderen Seite | |
der Stadt gekommen, sie mussten dreimal umsteigen. | |
Der Sicherheitsbeamte schüttelt nur den Kopf. „Die Chinesen haben die | |
Eisenbahnstrecke zwar gebaut, aber sie haben vergessen, dass wir hier in | |
Kenia sind. Zwischenhändler kaufen die Karten irgendwie schon vorher und | |
verkaufen sie gegen Aufpreis in der Stadt oder auch hier auf dem Parkplatz. | |
Kenianer haben nun mal ein Auge für Business.“ | |
Syokimau, Sonntag, 8 Uhr | |
Das Taxi zum Bahnhof kostet 10 Euro. In Nairobis Innenstadt steht zwar ein | |
hübscher alter Bahnhof, aber der wird nur benutzt, um Passagiere umsonst | |
nach Syokimau zu fahren. | |
Schon vor dem Bahnhof gibt es eine Sicherheitskontrolle. Das frisch | |
gebackene Brot, das ich für Freunde gekauft habe, weil es das in Mombasa | |
nicht gibt, schafft Probleme. „Nicht erlaubt!“ Ich frage, wer das | |
beschlossen hat. Die Beamtin schüttelt den Kopf. „Wenn sie es nicht | |
hierlassen, wird es am Scanner bestimmt rausgeholt.“ | |
Der Mann am Scanner hat kein Probleme mit dem Brot. Er will aber, dass ich | |
ihm meine Käsebrote gebe – oder sie auf der Stelle aufesse. Erstaunt | |
erzähle ich ihm, dass in den Zeitungen immer geraten wird, Essen mit in den | |
Zug zu nehmen. Er lässt mich und meine Brote in Ruhe. | |
Brot und Butterbrote sind erlaubt, erklärt später die kenianische | |
Eisenbahnbehörde. Die Beamten, schlecht bezahlt, hofften wohl auf etwas | |
Leckeres. | |
Syokimau, Sonntag, 8.59 Uhr | |
Eine Minute zu früh fährt der Zug ab. Die Sitze sind bequem. Die Fenster | |
können nicht geöffnet werden, aber die Klimaanlage macht eine angenehme | |
Temperatur. In jedem Waggon steht eine Frau oder ein Mann, wieder in | |
chinesisch aussehenden Uniformen. Sie sollen die Fahrgäste betreuen – unter | |
den wachsamen Augen chinesischer Aufseher. | |
Ein Passagier sucht nach einem Abfalleimer. Einer der Aufseher schickt | |
eine uniformierte Frau, die um den Abfall bittet. Der Mann fragt, warum es | |
keine Abfallbehälter gibt. Sie erklärt, dass das Abfallsammeln zu ihrer | |
Arbeit gehört. Als sie geht, murmelt er: „Wir sind die Briten los, die uns | |
als Sklaven benutzten, und jetzt sorgen die Chinesen dafür, dass unsere | |
Frauen es normal finden, den Dreck anderer wegzuräumen.“ | |
Mtito Andei, Sonntag, 11.20 Uhr | |
Die Reise ist angenehm, Kenias Landschaft abwechslungsreich: Bauerndörfer, | |
Berge am Horizont, Städtchen, Savannen mit Nomaden neben ihrem Vieh. In den | |
Städtchen gibt es hübsche Bahnhöfe, aber der Zug hält nicht. | |
Über Lautsprecher erklärt eine Frauenstimme die Strecke. In Mtito Andei | |
gibt es einen Halt: Wir warten auf den Zug aus Mombasa, sagt die Stimme. Im | |
Bahnhof von Mtito Andei wird die Einzelspur kurz zum Doppelgleis, damit die | |
Züge einander passieren können. | |
Als der Zug aus Mombasa mit 114 Stundenkilometern vorbeidonnert, klatschen | |
Passagiere in die Hände. Sie sind stolz auf ihre moderne Eisenbahn. Die | |
alte, die nur noch für Güterzüge taugt, braucht für die 500 Kilometer zwei, | |
drei Tage, weil sich die Schienen öfter verbiegen und Züge entgleisen. | |
Der neue Zug rast auch an Hunderten von Lastwagen vorbei, die auf der | |
Fernstraße zwischen Mombasa und Nairobi rollen. Die Straße verbindet | |
Ostafrikas wichtigsten Hafen nicht nur mit dem Rest Kenias, sondern mit der | |
gesamten Region: Uganda, Ostkongo, Ruanda, Burundi, Südsudan. | |
Tsavo, Sonntag, 12 Uhr | |
„Schau, Elefanten! Und dort: Büffel, und Antilopen. Und dort sitzt ein Affe | |
im Baum!“ Aufgeregt rufen Fahrgäste, als der Zug durch den | |
Tsavo-Nationalpark fährt. „Es ist wirklich eine Ferienreise“, sagt John | |
Kivuva lachend. | |
Der Buchhalter und seine Ehefrau wollen den Zug ausprobieren und werden ein | |
langes Wochenende bei Freunden in Mombasa verbringen. „Toll für Touristen. | |
Kenia ist ein sehr schönes Land. Aber sie sollen die Sache mit den | |
Fahrkarten anders machen, damit man lange vorher buchen kann. Touristen | |
buchen nicht erst drei Tage zuvor.“ | |
Man Eater, Sonntag, 12.30 Uhr | |
Je mehr Bier in einer Gruppe junger Männer getrunken wird, desto lauter | |
werden sie. Sie machen kein Geheimnis daraus, dass sie zur Volksgruppe von | |
Präsident Uhuru Kenyatta gehören und dass alle im Waggon ihn ihrer Meinung | |
nach demnächst wiederwählen sollen. „Der Mann hat uns einen Zug | |
geschenkt!“, schreit einer, während er einen Handyfilm dreht. Seine Kumpels | |
jubeln ihm zu. | |
Die Lautsprecherstimme unterbricht den beschwipsten Lärm. „Man Eater ist | |
kein Dorf, sondern nur eine Stelle entlang der Schienen. Hier wurden im 19. | |
Jahrhundert Eisenbahnarbeiter von Löwen gefressen.“ Als die Strecke | |
zwischen 1896 und 1901 gebaut wurde, brachten die Briten 32.000 Arbeiter | |
aus Indien nach Kenia. Sie trauten der lokalen Bevölkerung die Arbeit nicht | |
zu. | |
Während des Baus starben beinahe 2.500 Arbeiter. Dreißig wurden bei Man | |
Eater zu Futter für zwei Löwen, die bemerkt hatten, wie einfach es war, die | |
Arbeiter aus ihren Zelten zu schleppen oder bei der Arbeit zu überfallen. | |
Die Löwen stehen heute ausgestopft in einem Museum in Chicago. | |
Miritini, Sonntag, 13.45 Uhr | |
Über imposante Viadukte erreicht der Zug Miritini. Es liegt in der Mitte | |
von Nirgendwo, ist aber die Endstation. 1.200 Fahrgäste drängeln sich vor | |
der Rolltreppe und einer anderen schmalen Treppe zum Ausgang. Draußen | |
warten Busse, Motoradtaxis, Uber-Taxifahrer. Es sind noch elf Kilometer | |
nach Mombasa. | |
Ich habe es weiter, weil meine Freunde nördlich von Mombasa wohnen. Die 21 | |
Kilometer Taxi kosten 40 Euro. Nicht weil es so weit ist, sondern weil die | |
Fahrt die Hölle ist. Die einzige Straße nach Mombasa hinein ist kaputt und | |
mit Lastwagen verstopft. Die sind hoch beladen unterwegs nach Nairobi, oder | |
sie stehen auf einem der vielen Parkplätze entlang der Fernstraße. Es geht | |
oft nur im Schritttempo voran. | |
Aber weil Sonntag ist, dauert die Fahrt nur eine gute Stunde. „Wenn du am | |
Wochentag zurückfährst, muss du aber mit zwei oder etwas mehr Stunden | |
rechnen“, sagt der Taxifahrer. | |
Bamburi, Montag 10 Uhr | |
Es sind nur wenige Menschen im Restaurant in Bamburi nördlich von Mombasa. | |
Der Belgier Paul Bletterman, Geschäftsführer der Spedition Kenfreight, | |
trinkt Kaffee. Er will alles wissen über die Zugfahrt. Sein Betrieb wartet | |
noch auf die Preise für den Gütertransport auf den neuen Schienen. „Die | |
Güterzüge sollen im Dezember fahren. Jetzt ist der Transport per Zug in | |
Kenia immer noch teurer als der mit Lastern. Ich muss noch sehen, dass es | |
billiger wird. Kenia muss schließlich die 4 Milliarden Euro, die der Bau | |
gekostet hat, an China zurückzahlen.“ | |
Kenfreight ist spezialisiert auf Großtransporte, die nicht auf Züge passen, | |
zum Beispiel Teile für Windräder. „Wir transportieren auch viel in die | |
Nachbarländer. Das würde bedeuten, dass wir bis Nairobi den Zug benutzen, | |
um dann alles auf Lastwagen umzuladen. Die Frage ist, ob das nicht teurer | |
wird.“ | |
Bamburi, Montag 21 Uhr | |
Nicht weit vom Restaurant sammeln sich abends Dutzende Menschen für die | |
Busfahrt nach Nairobi. Es wird eine Nachtfahrt, Ankunftszeit wahrscheinlich | |
neun Uhr morgens. „Die Straße ist größtenteils leer, aber schon weit vor | |
Nairobi beginnt Stau. Ab etwa 30 Kilometer vor Nairobi bis ins Stadtzentrum | |
dauert es bestimmt drei Stunden“, sagt der Busfahrer. | |
Fast alle Fahrgäste hätten gerne den Zug genommen, aber eine Fahrkarte zu | |
bekommen ist für die meisten unmöglich. Pninah Omondi muss in Nairobi auf | |
eine Konferenz. „Die Busfahrt kostet doppelt so viel wie der Zug und dauert | |
viel länger. Aber ich habe es nicht geschafft, eine Fahrkarte für den Zug | |
zu bekommen. Die Sache mit den Fahrkarten ist irre. So typisch Kenia.“ | |
1 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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