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# taz.de -- Chinas neue Metropole: Auf dem Weg zur Megacity
> In einem Landkreis vor den Toren Pekings herrscht Goldgräberstimmung. Die
> chinesische Führung hat ihn zur Sonderwirtschaftszone erklärt.
Bild: In Rongcheng sollen die Äcker demnächst der Industrie weichen
Peking taz | Männlich, 45 Jahre alt, in den USA studierter Ingenieur und
seit einer Woche im Besitz von etwa einem Hektar Land in Xiong’an – so
wirbt ein gewisser Liu in einer Pekinger Dating-App für sich. Und es
scheint zu funktionieren: Seit er den Landbesitz seinem Profil hinzugefügt
hat, könne er sich vor Anfragen gar nicht mehr retten, berichtet er.
Was es mit Xiong’an auf sich hat: Es handelt sich um ein ländliches Gebiet
in der chinesischen Provinz Hebei, rund hundert Kilometer südwestlich des
Stadtzentrums von Peking entfernt. Die Luft riecht nach verbrannter Kohle.
Abgesehen von einem Dorf namens Dawang und jeder Menge Fabriken ist noch
nicht allzu viel zu sehen.
Das soll sich ändern. Chinas Staatspräsident Xi Jinping höchstpersönlich
hat den Landkreis kürzlich zu einer neuen Sonderwirtschaftszone erklärt.
Seitdem schießen die Preise für Immobilien und Grundstücke durch die Decke.
Noch vor zwei Wochen lag der Quadratmeterpreis bei umgerechnet unter 1.000
Euro. Am Wochenende darauf stiegen die Preise binnen wenigen Stunden auf
fast doppelt so viel. Und inzwischen werden durchschnittlich über 3.000
Euro verlangt – und das in einer staubtrockenen Region, die zudem die
meiste Zeit des Jahres unter einer dichten Smogdecke eingehüllt ist.
Die Lokalverwaltung sah sich gezwungen, ein vorübergehendes Kaufverbot für
Immobilien zu verhängen. Makler müssen seitdem ihre Geschäfte schließen.
Beamte warnen auf der Straße mit Megafonen die vielen Zugereisten aus
Peking vor „illegalen Immobilienspekulationen“.
## Megametropole für 110 Millionen Einwohner
Nach den Plänen der chinesischen Führung soll die gesamte Region in den
kommenden zehn Jahren zu einer Megametropole zusammenwachsen. Jingjinji
(von Beijing, Tianjin und Ji, dem traditionellen Namen der Provinz Hebei)
soll mal auf einer Fläche von über 215.000 Quadratkilometer rund 110
Millionen Einwohner zählen. Das entspricht der Bevölkerung von Deutschland,
Schweiz, Österreich und Polen zusammen.
Xiong’An soll zugleich die Hauptstadt Peking mit seinen rund 23 Millionen
Einwohnern entlasten. Schon jetzt ist die Pekinger Stadtverwaltung dabei,
Behörden, Geschäfte und Unternehmen aus dem überlasteten Stadtgebiet in die
Außenbezirke zu verlegen. Xi sprach in seiner Ansage von einem
„1.000-jährigen Projekt“. Ökologie und das Wohlergehen der Menschen würd…
Priorität haben, versprach er und kündigte an, dass Xiong’An das nächste
Pudong oder Shenzhen werde. Er bezieht sich damit auf die reichen
Sonderwirtschaftszonen im Ostteil der Stadt Schanghai sowie der
Zehnmillionenmetropole vor den Toren Hongkongs am Perlflussdelta in
Südchina.
## Zweifel am Erfolgsmodell
Tatsächlich hat China gute Erfahrung mit seinen Sonderwirtschaftszonen
gemacht. Shenzhen, direkt an der Grenze zur damaligen britischen
Kronkolonie Hongkong, war zu Beginn der achtziger Jahre noch ein
Fischerdorf. Mit Steuersenkungen, gezielter Wirtschaftsförderung und
niedrigen Arbeitslöhnen lockte die chinesische Führung gezielt ausländische
Unternehmen in diese Sonderwirtschaftszonen, die ihre Fabriken dort
errichteten. Heute ist die Zehnmillionenmetropole Shenzhen eine der
wohlhabendsten Städte Chinas. Auch Pudong in Schanghai hat sich nach einem
ähnlichen Konzept entwickelt.
Doch es gibt Zweifel, ob sich diese Erfolge wiederholen lassen. In den
achtziger Jahren wurde China noch streng kommunistisch regiert, weite Teile
des Landes waren unterentwickelt. Shenzhen und Pudong waren erste Schritte
der Volksrepublik, sich in Marktwirtschaft auszuprobieren. Heute ist China
weitgehend erschlossen. „Halb China ist eine Sonderwirtschaftszone“, sagt
der Pekinger Ökonom Hu Xingdou. Fast jede größere Provinzstadt hat Zonen
ausgewiesen, in denen niedrigere Steuersätze gelten und Unternehmen mit
Subventionen gelockt werden.
18 Apr 2017
## AUTOREN
Felix Lee
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