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# taz.de -- 20 Jahre Übernahme durch China: Peking droht, Hongkong demonstriert
> Zum Jahrestag der Übernahme Hongkongs durch China demonstriert die
> Zentralregierung ihre Macht. Zehntausende Bewohner gehen auf die Straße.
Bild: Feuerwerk zum Jahrestag und ein gelber Regenschirm – das Symbol der Mas…
PEKING taz | Der Kontrast könnte nicht größer sein: Als am 1. Juli 1997 die
neuen Machthaber vom chinesischen Festland in den Räumen des
Kongresszentrums die Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik zelebrierten,
hielten sich die kommunistischen Parteikader sowohl verbal als auch
äußerlich bewusst zurück. Die Hongkonger brauchten sich keine Sorgen zu
machen. Alles werde bleiben wie bisher. Die meisten Regierenden aus Peking
hatten Anzug und Krawatte an.
Nun, zwanzig Jahre später, besetzten am Samstag bei den Feierlichkeiten
anlässlich des Jahrestags Dutzende Generäle der Volksbefreiungsarmee in
grüner Uniform die meisten Plätze in den vorderen Reihen und beklatschten
ihren Staatspräsidenten Xi Jinping. Unverkennbar demonstrierten sie damit,
wer in der ehemaligen britischen Kronkolonie das Sagen hat.
Entsprechend unmissverständlich fiel auch Xis Rede aus: „Wer es wagt, die
Autorität Pekings infrage zu stellen, überschreitet eine rote Linie“, sagte
er an die Hongkonger Bürger gerichtet. Er warnte davor, Hongkong als
Ausgangspunkt für „Sabotageakte“ gegen China zu nutzen.
Zudem forderte er die Hongkonger Führung auf, die Sicherheitsgesetze der
Stadt dringend zu stärken. Damit mischte er sich einmal mehr unverhohlen in
die inneren Angelegenheiten Hongkongs ein, die nach dem vereinbarten
Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“, eigentlich für fünfzig Jahre einen
weitreichenden Autonomie-Status genießt.
Tatsächlich entwickelte sich am Wochenende anlässlich des 20. Jahrestags
der Rückgabe Hongkongs an China ein handfestes Kräftemessen zwischen der
chinesischen Führung in Peking und den prodemokratischen Kräften. Während
der chinesische Staats- und Parteichef Xi weitestgehend abgeschirmt von der
Öffentlichkeit vor einem ausgewählten Publikum redete und es als „absolut
unzulässig“ bezeichnete, die Macht der Zentralregierung in Peking
anzuzweifeln, zeigten sich auf Hongkongs Straßen wenige Stunden später
Zehntausende entsetzt über Xis scharfe Rede.
Auf Plakaten forderten sie mehr Demokratie und die Freilassung des
krebskranken Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo. Er war zu Beginn der
Woche nach fast acht Jahren überraschend aus der Haft entlassen worden und
steht nun quasi unter Hausarrest. Laut Veranstaltern zogen etwa 60.000
Demonstranten gegen sie und Peking durch die Stadt.
## Rangeleien und Festnahmen
Ihr Protest richtete sich aber auch gegen die neue Hongkonger
Regierungschefin Carrie Lam, die am Samstag in Anwesenheit von Xi ihren
Amtseid ablegte. Sie steht aus Sicht der Demokratie-Aktivisten sinnbildlich
für die mangelnde Unabhängigkeit Hongkongs. Ihre Wahl Anfang April kam nur
zustande, weil ein Komitee, das mehrheitlich von Peking bestimmt wurde, sie
in das Amt gehievt hatte. Eine Mehrheit der Hongkonger lehnt sie laut
Umfragen ab.
Den Demonstranten gegenüber standen einige Hundert prochinesische
Aktivisten, die chinesische Flaggen schwenkten und versuchten, sich den
Demonstranten in den Weg zu stellen. Es kam zu Rangeleien und mehreren
Festnahmen.
Xi gab sich während seines dreitägigen Besuchs in der Hafen- und
Finanzmetropole nicht im Geringsten die Mühe, die Ängste der Hongkonger
Bürger vor Pekings langem Arm zu zerstreuen. Er stattete Polizeieinheiten
und Garnisonen der Volksbefreiungsarmee Besuche ab und ließ sich
ausführlich Pläne von Großprojekten zeigen, die Hongkong noch stärker an
das chinesische Festland binden sollen.
Schon jetzt fürchten viele Hongkonger, von den Volksrepublik-Chinesen
überrannt zu werden. 10-Millionen-Städte wie Shenzhen direkt auf der
anderen Seite der Grenze und Guangzhou, rund 100 Kilometer weiter, sind
jetzt schon dabei, Hongkong als führende Wirtschaftsmetropole den Rang
abzulaufen. Zudem hat die chinesische Führung angekündigt, ihren bislang
einzigen Flugzeugträger, „Liaoning“, in den nächsten Tagen erstmals in
Hongkongs Hafen einlaufen zu lassen – eine weitere Machtdemonstration.
## Immer stärkere Einmischung
Die ehemalige britische Kronkolonie gehört seit dem 1. Juli 1997 wieder zu
China. Nach dem Grundsatz „Ein Land, zwei Systeme“ hatten die Briten damals
mit der Führung in Peking allerdings vereinbart, dass die sieben Millionen
Hongkonger für weitere fünfzig Jahre, also bis 2047, ein „hohes Maß an
Autonomie“ genießen und, anders als in der Volksrepublik, Rechte wie
Meinungs- und Pressefreiheit geschützt bleiben.
Doch seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass sich Peking entgegen der
Vereinbarung immer häufiger einmischt. Journalisten berichten von Zensur,
Akademiker beklagen den Verlust ihrer wissenschaftlichen Freiheit. Für
besonders große Angst sorgte vor anderthalb Jahren der Fall mehrerer
Buchhändler, die für ihre Peking-kritischen Werke bekannt waren. Sie wurden
von chinesischen Agenten auf Hongkonger Boden entführt und tauchten einige
Wochen später im chinesischen Staatsfernsehen auf – mit öffentlichen
Schuldgeständnissen.
2 Jul 2017
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
Hongkong
Großbritannien
Xi Jinping
Demokratie
Lesestück Recherche und Reportage
Bundesregierung
China
Hongkong
Peking
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