# taz.de -- Kommentar Trumps Richter-Nominierung: Die Kampfkandidatur | |
> Der Präsident will die seit einem Jahr vakante Stelle im Supreme Court | |
> besetzen. Die Demokraten werden das nicht widerspruchslos hinnehmen. | |
Bild: Der Kandidat und sein Präsident | |
In normalen Zeiten wäre ein Richter wie Neil Gorsuch, der am Dienstagabend | |
von US-Präsident Donald Trump [1][als Kandidat für den obersten Gerichtshof | |
nominiert wurde], kein Aufreger gewesen. Ein republikanischer Präsident | |
nominiert einen konservativen Juristen, so wie ein demokratischer Präsident | |
einen liberalen ernennt. So ist das eben. Und nur in dem Fall, dass in der | |
Vergangenheit des Kandidaten extreme Unstimmigkeiten oder vollkommen | |
abstruse Positionen oder Entscheidungen zu finden sind, stünde die | |
Bestätigung durch den Senat in Frage. | |
Gorsuch gilt als brillanter Jurist. An seiner fachlichen Qualifikation gibt | |
es keine ernsthaften Zweifel, er hat die besten Jura-Fakultäten besucht, | |
studierte in Harvard gemeinsam mit Barack Obama. Ja, Gorsuch kommt aus | |
einer konservativen Familie, seine Mutter war unter Ronald Reagan die erste | |
weibliche Chefin der Umweltbehörde (auch wenn sie nach verschiedenen | |
Skandalen nach nicht einmal zwei Jahren zurücktreten musste), und sein | |
juristisches Denken ähnelt dem seines Vorgängers, des konservativen | |
Richters Antonin Scalia, der im Februar vergangenen Jahres verstarb. | |
Als Gorsuch vor zehn Jahren von Präsident George W. Bush für seine jetzigen | |
Posten als Bundesberufungsrichter in Colorado vorgeschlagen wurde, gab es | |
im Senat keinerlei ernsthaften Einwände, so dass er per mündlicher | |
Akklamation bestätigt wurde. | |
Eigentlich also bewegt sich Gorsuch vollkommen im Mainstream dessen, was an | |
Nominierungen von einem republikanischen Präsidenten zu erwarten ist. Würde | |
die US-Politik noch so funktionieren wie früher einmal, wäre seine | |
Bestätigung durch den US-Senat fast eine Formsache. | |
Trotzdem wird in den nächsten Wochen, womöglich Monaten, um seine | |
Bestätigung der erbittertste Kampf entbrennen, den der US-Senat seit langem | |
erlebt hat. Denn die Zeiten sind eben nicht normal. | |
## „Gestohlener“ Sitz | |
Für die Demokraten geben dabei zwei Dinge den Ausschlag. Zum einen sind sie | |
zu Recht empört, dass es überhaupt zu dieser Nominieriung durch Donald | |
Trump kommen konnte. Obama hatte noch fast ein ganzes Amtsjahr vor sich, | |
als Scalia starb, doch die republikanische Senatsführung ließ nicht einmal | |
eine Anhörung über seinen ebenfalls hochqualifizierten und keinesfalls | |
linksextremen Kandidaten Merrick Garland zu. | |
Mehr noch: Als alle Umfragen auf einen Wahlsieg Hillary Clintons | |
hindeuteten, signalisierten die Republikaner, sie würden auch keinen von | |
einer Präsidentin Clinton nominierten Kandidaten akzeptieren, auch wenn das | |
bedeutet hätte, den Gerichtshof mit acht Richtern anfällig für | |
Patt-Entscheidungen zu belassen. Der Grund ist einfach: Wenn der | |
konservative Scalia durch einen liberalen Richter ersetzt worden wäre, wäre | |
die konservative Mehrheit gekippt. Genau das war der wichtigste Grund, | |
weshalb sich Mainstream-Republikaner trotz Bedenken im Wahlkampf hinter | |
Trump scharten. | |
Zu Recht klagen die Demokraten, mit der in der US-Geschichte beispiellosen | |
Blockade Präsident Obamas dieser Sitz „gestohlen“ und die Richterbesetzung | |
übermäßig politisiert worden. Schon deshalb sind sie durchaus gewillt, nun | |
ihrerseits mit allen Mitteln gegen jede republikanische Nominierung zu | |
kämpfen. | |
Aber angesichts der vergangenen eineinhalb Wochen Trump-Präsidentschaft | |
spielen weitere Faktoren in die Überlegungen der Demokraten. Es ist mehr | |
als wahrscheinlich, dass etliche politische Entscheidungen dieser Regierung | |
früher oder später vor dem obersten Gerichtshof landen. Mit der derzeitigen | |
Konstellation – mit einem Richter Antony Kennedy, der zwar formal zur | |
konservativen Mehrheit zählt (er wurde 1988 von Ronald Reagan nominiert), | |
tatsächlich aber mal mit der konservativen, mal mit der liberalen Seite | |
stimmt – können die Demokraten leben. Sollten aber in dieser | |
Legislaturperiode auch der 80-jährige Kennedy oder die fast 84-jährige Ruth | |
Bader Ginsburg aus dem Gerichtshof ausscheiden, könnte Trump im Gerichtshof | |
eine klar konservative Mehrheit installieren, die ihm erlaubt, seine | |
Grenzüberschreitungen ohne juristische Gegenwehr durchzusetzen – und im | |
Übrigen den Gerichtshof auf viele Jahrzehnte prägt. | |
## Kompromiss oder Opposition | |
Die Demokraten sehen sich unter Druck der liberalen Öffentlichkeit, jetzt | |
Rückgrat zu zeigen. Wer in den letzten Tagen in den USA gegen Trump auf die | |
Straße gegangen ist, erwartet von den demokratischen Senatoren einen | |
Konfrontationskurs. Dabei mag in der Öffentlichkeit die Frage, was eine | |
Oppositionspartei tatsächlich erreichen kann, hinter trotziger | |
Selbstvergewisserung zurücktreten. | |
Das Risiko dabei: Die republikanische Senatsführung könnte die Regeln so | |
abändern, dass die Minderheit noch weniger Rechte hat. Auf diese Weise | |
könnte Trump seinen Kandidaten trotzdem durchsetzen. Und bei den | |
Kongresswahlen 2018 attackieren finanziell gut ausgestattete konservative | |
Lobby-Organisationen erfolgreich einige der verwundbaren demokratischen | |
Senatoren, die zur Wiederwahl stehen. Im Ergebnis wäre Trumps Macht noch | |
größer. | |
Nur: Es ergibt für die Demokraten auch keinen Sinn, angesichts der – seit | |
Jahren – rabiaten Offensive der Gegenseite weiterhin auf die Suche nach | |
Kompromissen zu gehen, die es mit diesen Republikanern nicht geben wird. | |
Wollen sie nicht die Basis verlieren, bleibt den Demokraten gar nichts | |
anderes übrig als harte Opposition. | |
1 Feb 2017 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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