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# taz.de -- Prozess gegen Sicherheitspersonal einer Flüchtlingsunterkunft: Wac…
> Drei Flüchtlinge berichten beim Prozess in Lingen von Misshandlungen
> durch das Wachpersonal einer Notunterkunft. Die Mitarbeiter bestreiten
> die Vorwürfe
Bild: Fragwürdiges Personal: In der Notunterkunft in Lingen arbeiteten auch un…
Lingen taz | Wegen der mutmaßlichen Misshandlung von drei pakistanischen
Flüchtlingen in einer Notunterkunft müssen sich vor dem Amtsgericht im
emsländischen Lingen seit gestern zwei Wachleute eines Sicherheitsdienstes
verantworten. Zwei der Geflüchteten schilderten, dass sie nach einem Streit
um ein vermeintlich gestohlenes Handy von Mitarbeitern des
Sicherheitsdienstes eingesperrt und misshandelt worden seien.
Ein Zeuge beklagte, einer der Angeklagten habe ihm die Nase gebrochen, ein
anderer gab an, im gesamten Gesicht Schwellungen davon getragen zu haben.
Ein weiterer Flüchtling sagte aus, von den Schlägen und Misshandlungen
Atemnot bekommen zu haben und deswegen medizinisch behandelt worden zu
sein. Alle drei Männer berichteten von Spätfolgen und Albträumen.
Einer der beiden Wachmänner bestritt die Vorwürfe. Er sagte aus, die drei
Flüchtlinge hätten sich gegenseitig geprügelt. Der andere äußerte sich
bislang nicht zur Tat. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern
gemeinschaftliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung vor.
Die Gewalttaten sollen sich in der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember 2015
in einem Nebengebäude einer damals als Flüchtlingsunterkunft genutzten
Sporthalle eines Gymnasiums zugetragen haben. Die beiden 23 und 31 Jahren
alten Pakistaner berichteten, sie seien nach dem Streit um das Handy am
späten Abend von der Notunterkunft in Lingen in eine benachbarte Turnhalle
gebracht worden. Sie wurden von der Polizei verhört, bestritten den
Diebstahl aber.
In der Turnhalle hätten Wachleute sie zunächst in eine kleine
Umkleidekabine für Lehrer eingesperrt. Nach kurzer Zeit hätten die beiden
Angeklagten einen nach dem anderen herausgeholt und seien mit ihnen jeweils
in einen Nebenraum gegangen.
Dort habe einer der beiden sie mit Fäusten gegen Kopf und Körper traktiert.
Der andere habe zugesehen und sie lediglich hin und her geschubst. Der
31-jährige Pakistaner berichtete, ihm sei der Kopf gegen die Wand
geschlagen worden. Der Jüngere musste nach eigenen Angaben wegen kurzer
Bewusstlosigkeit behandelt werden. Nach den Attacken seien alle drei bis
zum nächsten Morgen in der Kabine eingesperrt geblieben.
Ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma, der damals Vorgesetzter der beiden
Angeklagten war, gab an, dass zumindest einer der beiden Mitarbeiter weder
einen Sachkundenachweis noch eine Schulung für seine Tätigkeit hatte. Die
Situation in den Flüchtlingsunterkünften sei damals chaotisch gewesen. Sein
Unternehmen habe jeden Tag neue Heime betreuen müssen; dafür sei man auf
Subunternehmer angewiesen gewesen. „Wir mussten jeden Tag neue Hindernisse
überwinden, die vorher nicht bekannt waren“, sagte er. Es sei auf „Learning
by Doing“ gesetzt worden.
Andere Mitarbeiter der Sicherheitsfirma sagten aus, dass die drei
Pakistaner in einen eigenen Raum gebracht wurden, weil der Verdacht
bestand, dass sie einen minderjährigen Flüchtling aus Afghanistan sexuell
missbraucht und dessen Handy gestohlen haben. Zwei der drei Pakistaner
sagten aus, mit dem Jugendlichen zuvor unter einer Brücke in Lingen Alkohol
getrunken zu haben. Der dritte Pakistaner war nach eigenen Aussagen in den
Raum gesperrt worden, weil er in den Tagen zuvor mit den beiden anderen
Männern Kontakt hatte.
Einer der Geflüchteten sagte aus, sie hätten in dem kalten Raum auf dem
Boden geschlafen. Von den Sanitätern hätten sie nur Schmerzmittel bekommen.
Sie identifizierten den Wachmann, der sie geschubst und misshandelt habe.
Der Beschuldigte erklärte, im Laufe der Nacht habe er mit seinem Kollegen
den Gang kontrolliert. „Irgendwann habe ich gehört, wie einer von ihnen um
Hilfe geschrien hat“, so der Wachmann. Er schlussfolgerte: „Die haben sich
gegenseitig geschlagen.“ Nach dem Vorfall war der Mann suspendiert worden.
Ein anderer Mann vom Sicherheitsdienst, der am 20. Dezember tagsüber im
Einsatz war, bestätigte die Version seines Kollegen.
Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hatte im Vorfeld kritisiert, dass es in
Niedersachsen keine Aufsichtsbehörde für Flüchtlingsunterkünfte gebe und
ein Beschwerdemanagement für die Anliegen der Bewohner gefordert. Vorwürfe
vergleichbarer Art wie aus der Lingener seien bislang nicht bekannt.
Der Prozess wird am 14. Februar um 9 Uhr fortgesetzt.
7 Feb 2017
## AUTOREN
Thomas Wübker
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Gewalt
Unterbringung von Geflüchteten
Misshandlung
Minderjährige Geflüchtete
Suizid
Libyen
Schwerpunkt Neonazis
Bayern
Flüchtlinge
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Bundespolizei
Asylsuchende
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