# taz.de -- Unterkunft für Geflüchtete: Jugendliche noch immer in Sporthalle | |
> In Stade leben noch immer 53 jugendliche Geflüchtete in einer Sporthalle. | |
> Bis Ende des Jahres wird sich daran auch nichts ändern | |
Bild: Schlechter Wohnen: In dieser Turnhalle sind immer noch 53 Jugendliche unt… | |
HAMBURG | taz Der Schulhof der Friedrich-Fröbel-Schule in Stade ist hell | |
erleuchtet. Junge Männer gehen dort zum Essen in ein weißes Zelt. Im | |
niedersächsischen Stade sind 53 jugendliche Flüchtlinge, die ohne ihre | |
Familien nach Deutschland gekommen sind, noch immer in einer | |
Schulsporthalle untergebracht. Drei jugendliche Mädchen leben in blauen | |
Wohncontainern nebenan. Und an ihrer Situation soll sich bis zum Ende des | |
Jahres auch nichts ändern. | |
Der zuständige Landkreis Stade hat die Turnhalle umbauen lassen. Innen sind | |
Wände eingezogen worden, sodass die Jugendlichen im Alter zwischen 14 und | |
18 Jahren eigene Räume haben, in denen sie zu zweit schlafen. Jeder hat | |
einen Tisch, ein Bett und einen Schrank. Die Geflüchteten könnten sich | |
Poster an die Wände hängen, damit sie sich wohler fühlen. | |
Christian Schmidt, der Sprecher des Landkreises, betont, dass die | |
Unterkunft vom Landesjugendamt anerkannt und genehmigt ist. Durch die | |
Umbauten biete die Halle eine „wohnliche Atmosphäre“, so Schmidt. „Die | |
Räume sind modern und zweckmäßig ausgestattet.“ Doch nach oben sind sie | |
offen. | |
Statt einer Zimmerdecke gibt es Netze, die über die Räume gespannt sind. So | |
könne das Tageslicht genutzt werden, sagt der Landkreissprecher. Nach oben | |
offene Räume bedeuten aber auch einen hohen Geräuschpegel und dass die | |
Beleuchtung entweder für alle an oder aus ist – ein grundsätzliches Problem | |
in der Unterbringung in Hallen. | |
Schuld ist ein Erlass des Sozialministeriums | |
Dass in Stade gerade unbegleitete Jugendliche, also eine besonders | |
schützenswerte Gruppe, in einer Sporthalle untergekommen sind, liegt an | |
einem Erlass des niedersächsischen Sozialministeriums aus dem Januar 2016. | |
Damals kamen wegen der Umverteilung nach dem Königsteiner Schlüssel aus | |
anderen Bundesländern, wie Schleswig-Holstein, Bremen oder Hamburg, viele | |
minderjährige Geflüchtete nach Niedersachsen. Waren es im Jahr 2014 noch | |
354 Jugendliche, kamen 2015 schon 2.534 ohne Begleitung ihrer Familien. | |
Weil viele Kommunen damit überfordert waren, die Geflüchteten | |
unterzubringen und Plätze in den Einrichtungen der Jugendhilfe fehlten, | |
vereinfachte das Sozialministerium in einem Erlass die Standards für die | |
Unterbringung von minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten. | |
Nun mussten „vorrangig feste Gebäude“ existieren, optional auch Container, | |
aber keine Zelte. Die „Einhaltung hygienischer Mindeststandards“ und die | |
„Aufbewahrung von Privateigentum“ mussten möglich sein. Zudem mussten die | |
Jugendlichen immer eine Ansprechperson haben. Im Erlass steht außerdem, | |
dass solche Unterkünfte als Übergangslösungen auf maximal zwei Jahre | |
befristet sein dürfen. Denn eigentlich müssen die Jugendämter bei einer | |
regulären Inobhutnahme von Geflüchteten dieselben Standards erfüllen wie | |
bei deutschen Jugendlichen. | |
Vor dem Hintergrund des Erlasses genehmigte das Landesjugendamt auch die | |
Unterbringung in der Stader Sporthalle. Heute ist der Erlass wieder | |
aufgehoben, die bestehenden Einrichtungen haben aber Bestandsschutz. | |
Bis Ende des Jahres sollen die Jugendlichen umziehen | |
Die Genehmigung in Stade läuft erst im Mai 2018 aus. Der Landkreis will | |
aber „spätestens zum Jahresende“ über „ausreichend Plätze in der | |
Heimerziehung beziehungsweise im betreuten Wohnen verfügen“, sagt Sprecher | |
Schmidt. Doch auch das sind noch mehr als sechs Monate – eine lange Zeit | |
für Teenager in einer Sporthalle. | |
„Wir würden lieber woanders wohnen“, sagt ein 16-Jähriger, der seit rund | |
fünf Monaten in der Sporthalle untergebracht ist. Zwar sei die Stimmung | |
nicht aggressiv und es gebe trotz der Umstände nur wenig Streit, aber er | |
wünsche sich ein eigenes Zimmer, um sich zurückziehen zu können. | |
Die Betreuung der Jugendlichen hat der Landkreis an einen unabhängigen | |
Jugendhilfeträger übertragen. „Die Betreuung wird rund um die Uhr durch | |
pädagogische Fachkräfte sichergestellt“, sagt Schmidt. Jeder Jugendliche | |
habe einen direkten Bezugsbetreuer in der Unterkunft. Zudem gebe es | |
Gemeinschaftsräume, abgetrennte Ruhezonen zum Hausaufgabenmachen, | |
gemeinsame Ausflüge in Museen und Bastelangebote. | |
Der Landkreis bemüht sich – und ist in der Umsetzung trotzdem langsam. Die | |
Jahre 2015 und das Frühjahr 2016 bezeichnet das Sozialministerium in seinem | |
kürzlich vorgestellten Bericht zur Landesjugendhilfeplanung 2017 als | |
„Akutphase“. Damals ging es vor allem um die schnelle Unterbringung. Nun | |
folge „die Herausforderung der Gestaltung von Integrationsprozessen der | |
unbegleiteten Minderjährigen“. In Stade aber sucht man auch im Juni 2017 | |
erst einmal noch nach einer Unterkunft. | |
6 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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