Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geflüchtete Jugendliche unerwünscht: Keine Unterkunft im Landkrei…
> Im niedersächsischen Stade wird noch immer eine Turnhalle als Unterkunft
> für geflüchtete Jugendliche genutzt. Alternativen haben Anwohner*innen
> verhindert.
Bild: Leben in der Turnhalle: Eine Sprossenwand wird zum Wäscheständer
HANNOVER taz | In Stade leben geflüchtete Jugendliche noch immer in einer
Sporthalle. Fast wortgleich begann ein [1][Artikel der taz im Juni]
vergangenen Jahres. Bis Ende 2017 wollte der niedersächsische Landkreis
Stade die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen in der umgebauten
Halle der Friedrich-Fröbel-Schule beenden. Doch auch im Januar 2018 leben
noch 23 Jungen in der Sporthalle und drei Mädchen in den Containern
daneben. Laut Landkreis sei „die mangelnde Akzeptanz vielerorts“ ein
wesentlicher Grund.
Monatelang hatte B+S Soziale Dienste, der Träger der Unterkunft in der
Sporthalle, nach einem Gebäude gesucht, in dem die Jugendlichen leben
können. „Der Gegenwind war massiv“, sagt Geschäftsführer Sebastian Beck.
Mit Kaufangeboten ist er in mehreren Gemeinden im Landkreis Stade
abgeblitzt. In vielen Orten formierte sich die Nachbarschaft gegen eine
mögliche Wohneinrichtung für Jugendliche, in der nicht nur Geflüchtete,
sondern auch Deutsche betreut werden sollten.
So auch in der Gemeinde Kutenholz. Dort stand im vergangenen Jahr ein alter
Gasthof zum Verkauf. B+S meldete nicht nur Interesse an, das Gebäude
umzubauen, sondern machte auch einen Infoabend, um mögliche Befürchtungen
gleich aus der Welt zu schaffen. Das funktionierte jedoch nicht. Die
Kutenholzer sammelten Unterschriften gegen die Einrichtung, es gab
rechtsextreme Schmierereien. „Massiven Druck“ nennt das Geschäftsführer
Beck. Die private Verkäuferin zog zurück und B+S musste weiter suchen.
„Ich hätte sehr gern eine solche Einrichtung bei uns im Dorf gesehen“, sagt
der Kutenholzer Bürgermeister Gerhard Seba (CDU). Einige Einwohner hätten
jedoch befürchtet, es kämen verhaltensauffällige Jugendliche. „Die haben es
einfach nicht verstanden“, sagt Seba. Offene Fremdenfeindlichkeit gebe es
in Kutenholz aber nicht. „Viele wussten gar nicht, was sie da
unterschreiben.“ Die Liste sei von einer ortsansässigen Familie initiiert
und auch bei Dorffesten herumgegeben worden. Rechtsextrem sei diese Familie
nicht. „Sie haben sich bei dieser einen Sache verrannt“, sagt Seba, der
betont, dass es in seinem Dorf viele Einwohner gebe, die Geflüchtete
willkommen hießen.
## Aufgeheizte Stimmung unter den Anwohnern
Ähnlich war es in Dornbusch in der Gemeinde Drochtersen. Auch dort ging es
um einen alten Gasthof und der gehörte sogar der Gemeinde. Es lag also in
der Hand der Lokalpolitiker, der Firma B+S den Zuschlag zu geben. Aber bei
der dortigen Infoveranstaltung in der Festhalle sei die Stimmung unter den
Anwohnern aufgeheizt gewesen, sagt Beck. Ängste seien „deutlich formuliert“
worden. Die Gemeinde gab dann einer Werft aus der Umgebung den Zuschlag.
Das Unternehmen mit rund 300 Arbeitsplätzen sei für die Gemeinde wichtig,
sagt der parteilose Bürgermeister von Drochtersen, Mike Eckhoff. Die
Einrichtung für Jugendliche „war mehrheitlich nicht gewollt“. Es gebe in
dem 1.000-Einwohner-Ort bereits ein Kinder- und Jugendhaus. Und aufgrund
der ländlichen Strukturen gebe es nicht so viele
Beschäftigungsmöglichkeiten. Als Bürgerprotest habe er die Sorgen der
Anwohner aber nicht empfunden, sagt Eckhoff. „Es gab keine
Demonstrationen.“
B+S-Geschäftsführer Beck ist trotzdem noch immer betroffen davon, „dass
Vorurteile solch hanebüchenen Ausmaße annehmen“. Viele akzeptierten die
Geflüchteten nicht direkt in der Nachbarschaft. Er wolle die Jugendlichen
aber nicht an einem Ort unterbringen, an dem man sie nicht haben wolle.
„Wir müssen sie schützen“, sagt Beck. „Sie müssen das dann aushalten, …
sie nicht willkommen sind. Das ist schwer.“
Kai Weber vom niedersächsischen Flüchtlingsrat hört das mit gemischten
Gefühlen. Er könne nachvollziehen, dass die Jugendlichen nicht in einem
feindlichen Umfeld leben sollten, sagt er. „Aber wir stellen fest, dass
Rechtsradikale, die solche Bürgerproteste organisieren, einen Rückzug
kommunaler Stellen als Erfolg feiern.“ In Fällen, in denen es dennoch eine
Unterkunft gegeben habe, habe die anfängliche Sorge vor einer anonymen
Gruppe sehr schnell Platz für solidarisches Handeln gemacht, sagt Weber.
Seine Kollegin Dörthe Hinz vom Flüchtlingsrat kritisiert zudem den
Landkreis Stade: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Stadt und
Region keinerlei andere Möglichkeit als eine Turnhalle gegeben haben soll.“
Dass es nicht zumindest eine Ausweichmöglichkeit für ein Jahr gegeben habe,
sei ihr unerklärlich, sagt Hinz.
„Landrat Michael Roesberg hatte schon 2015 an die Menschen vor Ort
appelliert, leer stehende Wohnungen zur Verfügung zu stellen“, sagt
hingegen Landkreissprecher Christian Schmidt. Trotzdem sei die Suche sehr
schwierig gewesen.
## Bis Mai müssen die Jugendlichen aus der Halle raus sein
Die Unterkunft in der Sporthalle der Friedrich-Fröbel-Schule gibt es schon
seit Oktober 2015, die Betriebsgenehmigung läuft nun aber im Mai aus. Bis
dahin müssen die Jugendlichen spätestens aus der Halle raus sein. „Es ist
mittlerweile besser“, sagt ein 16-Jähriger, der schon seit rund einem Jahr
in der Turnhalle lebt. „Jetzt gibt es nicht mehr so viele Leute hier“, sagt
er. Im vergangenen Juni waren es noch 53 Jugendliche, nun sind es 23. Jeder
von ihnen hat ein eigenes Zimmer.
Der Träger B+S, den der niedersächsische Flüchtlingsrat als sehr engagiert
beschreibt, hat die Halle umgebaut, einen hellen Holzfußboden und Wände
eingezogen. Es gibt Tischtennisplatten, eine Leseecke und einen
Computerraum. Aber statt Zimmerdecken hängen über den geschaffenen Räumen
nur schwarze Netze. Lärm und Licht bekommen deshalb immer alle ab.
Der 16-jährige Bewohner freut sich auf eine neue Unterkunft. Zwar gibt es
noch keinen konkreten Umzugstermin, aber der Landkreis hat nun endlich eine
Unterkunft für die Jugendlichen gefunden. Ein lokales Bauunternehmen
vermietet der Firma B+S ein Mehrfamilienhaus in Harsefeld, um eine
Einrichtung für Jugendliche unterschiedlicher Herkunft mit 27 Plätzen zu
gründen.
Beck freut sich darauf. „Wir sind gute Nachbarn“, sagt er. Mit den
Anwohnern der Fröbel-Schule in Stade habe es keinen Ärger gegeben. Das
Mehrfamilienhaus in Harsefeld ist eigentlich schon bezugsfertig. Auch die
Möbel stehen schon drin. Nun muss nur noch das Landesjugendamt den Bau
abnehmen und eine Betriebsgenehmigung ausstellen. Erst danach können die
Jugendlichen, oder zumindest die, die dann noch nicht 18 Jahre alt sind,
nach Harsefeld umziehen. In dem Ort gibt es bisher keine Proteste: „Wir
hören zwar Befürchtungen“, sagt Beck, „aber nicht so wie bisher.“
12 Jan 2018
## LINKS
[1] /!5412038/
## AUTOREN
Andrea Scharpen
## TAGS
Unterbringung von Geflüchteten
Geflüchtete
Minderjährige Geflüchtete
Soziales Engagement
Geflüchtete
Vorurteile
Flüchtlinge
Turnhallen
Minderjährige Geflüchtete
Minderjährige Geflüchtete
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Flüchtlingsrats-Chef über Flüchtlingshilfe: „Freie Träger weitgehend auß…
Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert die Verteilung
staatlicher Fördergelder im Bereich der Flüchtlingshilfe.
Containerdorf für Geflüchtete: Lagerkoller im Niemandsland
In einem Lager in Horst leben 300 Flüchtlinge. Sie sind isoliert, die
Zustände mies. Aktivisten haben eine Woche lang bei den Containern gecampt.
Kolumne Im Augenblick: Individualität statt Schubladen
Vorurteile und Schubladendenken sind schwer verdaulich, nicht nur, wenn es
ums Essen geht. Wir sollten die neu in Deutschland lebenden Menschen als
neue Vielfalt sehen.
Psychiater über minderjährige Flüchtlinge: „Es fehlt die richtige Behandlu…
Basel Allzoy betreut minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Er weist
darauf hin, dass Betreuung durch Pädagogen und Pflegefamilien fehlt.
Ehemalige Notunterkünfte in Turnhallen: Den Ausnahmezustand beenden
Rund die Hälfte der Sporthallen ist wieder saniert. Bis Ende 2018 soll der
Rest folgen. Viele Hallen werden besser aussehen als vor dem Einzug der
Flüchtlinge.
Kommentar Bremer Flüchtlingsunterbringung: Exempel im Industriegebiet
Durch die Zeltbauten sollen unbegleitete junge Geflüchtete abgeschreckt
werden. Menschen, die die Behörde fragwürdigerweise für volljährig erklärt
hat.
Unterkunft für Geflüchtete: Jugendliche noch immer in Sporthalle
In Stade leben noch immer 53 jugendliche Geflüchtete in einer Sporthalle.
Bis Ende des Jahres wird sich daran auch nichts ändern
Neuer Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge: Hamburg gibt sich Schlüssel zum…
Senat und Volksinitiative einigen sich auf einen neuen Modus, um die
Geflüchteten gleichmäßiger über die Stadt zu verteilen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.