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# taz.de -- Kolumne Kapitalozän: Willkommen auf der Erde, Europa
> Das böse Trump macht die transatlantische Achse kaputt. Fühlt sich
> vielleicht kalt und bedrohlich an, ist aber Normalzustand auf unserem
> Planeten.
Bild: Das Trump mit seiner freundlichsten Begrüssungsgeste
In der Grundschule haben mich die starken Jungs oft vermöbelt. Das war sehr
ungerecht. Argumentativ war ich den meisten ja überlegen. Aber zitieren Sie
mal die Schulordnung korrekt, wenn dir jemand die Fresse in den Matsch
drückt.
Niemand half mir. Nicht die Nato, nicht die EU, nicht die UNO, auch den
Medien war mein Schicksal egal, nur mein bester Freund stand zu mir, ein
Italiener namens Giancarlo, der noch kleiner war als ich.
Doch innerlich war ich stark. Immer, wenn ich meine verbeulte Brille und
meine zertretenen Hefte vom Schulhof klaubte, wusste ich intuitiv, dass ich
nur ein Lehrling des Weltgeistes bin. Er bereitete mich auf etwas vor. Auf
etwas Größeres. Heute weiß ich, was es war:
Das Trump.
Das Trump. Eine Immobilienblase mit Körper, die gerade über die Welt
hereinbricht, und – nur nebenbei – für mich ein Neutrum ist. Wenn schon
allgegenwärtig Menschen, die vor Krieg und Armut fliehen, als
„Flüchtlingsstrom“ oder „Flüchtlingswelle“ verdinglicht werden, warum…
man diesem ebenso externen, noch viel unkontrollierbareren Ereignis Trump
eine Personifizierung zugestehen?
## Allein mit dem Weltgeist
Der Weltgeist bereitete mich also auf das Gefühl vor, dass jetzt
allenthalben die Europäer befällt. Auf einmal bist du allein. Vor dir steht
ein irres Trump und das ganze wohlige, transatlantische
Wertegemeinschaftsgefühl ist weit weg, wie die Geborgenheit der Mutter, die
dir morgens noch das Pausenbrot in die Tupperbox packte.
Ich verstehe nicht, warum jetzt alle so entsetzt sind. Ein US-Präsident der
„America First“ schreit, Regeln diktiert und seine ganze Supermacht-Macht
dafür einsetzt, um seinen heimischen Konzernen im Namen von Freiheit und
Arbeitsplätzen die Welt Untertan zu machen – was genau ist daran neu und
überraschend? Fragen Sie mal im Iran (1953), Guatemala (1954), Kuba (1961),
Chile (1973), Honduras (1982), Panama (1989) oder dem Irak (2003) nach.
Ich will jetzt nicht komplett in trumpen Anti-Amerikanismus verfallen. Über
Sinn und Unsinn von Intervention in anderen Ländern lässt sich trefflich
streiten, im 20 Jahrhundert gab es bekanntlich einen Kalten Krieg und so
Staaten wie die Sowjetunion, die auch nicht eben das Gute im Menschen
verkörperten. Nicht nur nebenbei waren es die transatlantisch gesegneten
Deutschen, die ihren amerikanischen Freunden gern die
Wirtschaftsdelegationen hinterherschickten und die EU, die afrikanische
Bauern kaputt exportierte.
Worauf ich aufmerksam machen will: Dieses Gefühl, dass dich da eine
egoistische, narzisstische, von Gott gesegnete Supermacht ohne Rücksicht
auf Wahlen, Menschenrechte und Natur gegen die Wand drückt, das ist für
viele Länder dieser Welt, die nicht unter „Westen“ subsumiert werden,
normal. Herzlich willkommen auf der Erde.
## Im richtigen Boot
Den Europäern war das bisher nicht nur strunzegal, wir haben nicht nur ein
klein wenig mitgemischt bei den unfairen Handelsbeziehungen, der Ausbeutung
von Rohstoffen, dem ganzen ökonomischen Kolonialismus, wir haben das alles
aktiv vorangetrieben. Jetzt bricht das Trump über uns herein und in den
Talkshows erstarren alle vor Entsetzen (Zölle für deutsche Autoindustrie in
Mexiko! Weltuntergang! Westliche Werte bedroht!).
Leute aus meinem politischen Spektrum haben sich mit Blick auf den coolen
Barack Obama täglich selbst versichert, dass wir im richtigen Boot sitzen,
das in Richtung große, bessere Weltgesellschaft tuckert. Zwar ziemlich
langsam, aber immerhin. War vermutlich gar nicht so falsch, das Gefühl. Ist
jetzt erstmal Essig. Jetzt steht man einer durchgedrehten Supermacht
gegenüber und vielleicht weckt es ja ein wenig Empathie gegenüber dem einen
oder anderen Entwicklungsland, wenn die Supermacht alle gleich scheiße
behandelt. Wir sind alle Feinde, das ist das große Versprechen von das
Trump.
Mein Vater hat mir in der Grundschule empfohlen, mich mit einem Knüppel zu
bewaffnen, um mich zu verteidigen. War nie nötig. Ich hab mich mit den
bösen Jungs irgendwann angefreundet. Die haben dann den Lars vermöbelt, ich
war aus dem Spiel. Will ironisch sagen: Es gibt Hoffnung. Noch ist die
transatlantische Wertegemeinschaft nicht verloren.
25 Jan 2017
## AUTOREN
Ingo Arzt
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