| # taz.de -- Manipulation durch Social Bots: Mensch oder Maschine | |
| > Automatisiert in sozialen Netzwerken verbreitete Beiträge können die | |
| > öffentliche Meinung beeinflussen. Das ist auch für deutsche Politiker | |
| > wichtig. | |
| Bild: Menschen. Keine Bots | |
| Berlin taz | Teuer ist das Ganze schon einmal nicht. 500 US-Dollar kostet | |
| eine Software, mit der sich 10.000 Twitter-Accounts steuern lassen. | |
| Accounts, die dann Tweets verfassen, andere retweeten, Nutzern folgen oder | |
| bestimmte Hashtags verwenden. #alternativefacts zum Beispiel. Ganz | |
| automatisch. Und immer im Sinne des Auftraggebers. | |
| Social Bot wird dieses Phänomen genannt, wobei „Bot“ als Abkürzung für | |
| Roboter steht. In die Kritik geraten diese Bots derzeit, weil sie in | |
| sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook, Instagram oder Google+ | |
| automatisiert Beiträge verbreiten und dabei von von Menschen verfassten | |
| Beiträgen kaum zu unterscheiden sind. | |
| Es gibt die Bots in unterschiedlichen Komplexitätsstufen: Die einfachsten | |
| retweeten oder favorisieren nur Nachrichten mit bestimmten Hashtags, um für | |
| eine größere Verbreitung und Wahrnehmung zu sorgen. Bei komplexeren Bots | |
| erstellt der Algorithmus entsprechend der Vorgaben selbst Kurznachrichten. | |
| Hierbei spielt auch künstliche Intelligenz eine Rolle, damit die | |
| Nachrichten möglichst nicht von denen menschlicher Urheber zu unterscheiden | |
| sind. In der Praxis wäre es beispielweise möglich, einen Social Bot darauf | |
| zu programmieren, auf jeden Tweet mit einem Pro-Clinton-Hashtag wie | |
| #ImWithHer zu reagieren und dazu jeweils einen variierenden Antworttweet | |
| abzusetzen, der Clinton der Korruption beschuldigt. | |
| 500 US-Dollar. Die Zahl stammt aus einer Studie von Simon Hegelich, | |
| Professor an der Hochschule für Politik an der Technischen Universität | |
| München. Und sie zeigt, warum Social Bots für alle, die Meinung machen | |
| wollen, so attraktiv sind: Wie viele Werbeflächen an Bushaltestellen muss | |
| man buchen, wie viele TV-Spots, wie viele Google-Ads, um in einer ähnlichen | |
| Dimension wahrgenommen zu werden wie mit einer Bot-Stärke, die der | |
| Einwohnerzahl einer Kleinstadt entspricht? | |
| Das Problem bei den Social Bots: Anders als bei Werbung auf Webseites oder | |
| dem Werbespot im Fernsehen ist nicht ersichtlich, dass hier jemand – oder | |
| etwas – unterwegs ist, dem es vor allem darum geht, die Meinung der | |
| Empfänger zu beeinflussen. Und noch weniger ist ersichtlich, wer hinter der | |
| anschließenden Verbreitung – durch Retweets, Favorisierungen und Nutzung | |
| eines Hashtags – steckt. Stammen die Tweets, die Trump beleidigen, vom | |
| demokratischen Wahlkampfteam? Oder aus Trumps eigenem Umkreis, um seiner | |
| Gegnerin in der Diskussion diskreditierendes Verhalten vorwerfen zu können? | |
| Oder versucht hier jemand, einen viel gelesenen Hashtag für kommerzielle | |
| Zwecke zu nutzen? | |
| ## Wie Bots auffallen | |
| Dabei ist nicht einmal klar, wie hoch der Anteil computergenerierter | |
| Nachrichten in den Netzwerken überhaupt ist. „Wir haben keine Social Bots | |
| auf unserer Plattform“, heißt es etwa bei Facebook schlicht. Diese seien | |
| schließlich nicht erlaubt. Auch Twitter verweist darauf, dass solche | |
| Profile auf der Plattform verboten seien. Allerdings kam der Forscher | |
| Philip Howard von der Universität Oxford nach einer Untersuchung von 9 | |
| Millionen Tweets, die nach dem ersten TV-Duell von Hillary Clinton und | |
| Donald Trump gepostet wurden, zu dem Ergebnis: Jeder dritte Tweet aus dem | |
| Trump-Lager kam von einem Bot, bei Clinton knapp jeder vierte. | |
| Tabea Wilke hat mit Botswatch ein Werkzeug entwickelt, das Social Bots in | |
| Echtzeit erkennen kann. Als Bot gilt ein Account dabei unter anderem, wenn | |
| er über 50 Tweets am Tag absetzt – selbst sehr fleißige menschliche Nutzer | |
| hierzulande kommen laut Wilke nur auf 20 bis 25 Tweets. „Twitter ist | |
| deswegen relevant, weil wesentliche Influencer die Plattform nutzen“, sagt | |
| sie. Politiker zum Beispiel. Wer es also schaffe, hier Debatten zu | |
| manipulieren, der beeinflusse die politische Diskussion. | |
| Das Potenzial zeigt Wilke etwa anhand einer Auswertung der Tweets während | |
| einer Sendung „Hart aber fair“ vom Dezember. Mehr als 20 Prozent der Tweets | |
| seien hier von Bots abgesetzt worden – ungewöhnlich viele, sagt Wilke. Und | |
| es gibt Auffälligkeiten. Als Bots identifizierte Accounts verwendeten etwa | |
| Schlagworte wie „Islam“, „Merkel“ oder „AfD“ häufiger als die Acco… | |
| menschlichen Nutzern. „Erdoğan“, „eingeladen“ oder „Polizei“ kam d… | |
| bei Bots nicht vor, sondern nur bei menschlichen Twitterern. Das zeige | |
| zumindest, dass Bots eine Diskussion verschieben könnten, erklärt Wilke. | |
| Der konkrete Einfluss, den das am Ende auf Menschen habe, sei aber kaum | |
| messbar. | |
| Die Grünen fordern nun zumindest eine verpflichtende Kennzeichnung. „Bots | |
| per se sind weder gut noch schlecht. Aber Social Bots sind ein Phänomen, | |
| das zu Diskursverschiebungen im Netz führen kann, zum Beispiel durch das | |
| massenhafte Verbreiten von Falschnachrichten“, begründet Konstantin von | |
| Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, den Vorschlag. Wie das | |
| im Detail aussehen soll, ist allerdings unklar. Bislang haben CDU, SPD, | |
| Linkspartei, Grüne, FDP und – nach anfänglichen gegenteiligen Aussagen – | |
| auch die AfD auf freiwilliger Basis erklärt, im anstehenden | |
| Bundestags-Wahlkampf nicht auf Social Bots setzen zu wollen. Das Problem: | |
| Das kann sich nur auf offizielle Accounts beziehen. Wenn ein Parteimitglied | |
| selbst entscheidet, Bots für die Wahlwerbung einzusetzen, würde auch ein | |
| Gesetz nicht greifen. | |
| ## Ausmaß des Potenzials ergründen | |
| Auch Katrin Weller, Leiterin des Teams Social Analytics and Services am | |
| Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, geht davon aus, dass die Social | |
| Bots einen Einfluss auf die Meinungsbildung haben. „Wenn damit der Eindruck | |
| erweckt wird, dass es eine große Community gibt, die eine bestimmte Ansicht | |
| vertritt, dann kann das sowohl Politiker beeinflussen als auch dazu | |
| beitragen, die eigene Meinung zu festigen.“ Für besonders anfällig hält | |
| Weller Nutzer, die ihre Informationen lediglich über einen einzelnen | |
| Medienkanal – also beispielsweise ausschließlich über Facebook – beziehen. | |
| Und das sei immer häufiger der Fall. | |
| Trotzdem hält Weller den Vorstoß der Grünen nicht für praktikabel. Den | |
| Betreibern einschlägiger Bots komme es gerade darauf an, dass ihre Postings | |
| nicht als automatisch generiert erkannt würden. „Bot-Farmen in Russland | |
| wird man damit vermutlich nicht in den Griff bekommen.“ Für | |
| vielversprechender hält sie es, die Plattformbetreiber zu verpflichten. | |
| „Die haben ganz andere Möglichkeiten, Bots aufzuspüren.“ Tabea Wilke von | |
| Botswatch spricht sich vor allem für eine Stärkung der Medienkompetenz von | |
| Nutzern aus. | |
| Einig sind sich von Notz und Weller darin, dass durchaus noch mehr | |
| Forschung nötig wäre, um das Ausmaß des meinungsbildenden Potenzials von | |
| Social Bots zu ergründen. Auch das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim | |
| Deutschen Bundestag arbeitet seit Oktober an einer Untersuchung dazu. In | |
| einem Papier, das die Zwischenergebnisse zusammenfasst, heißt es, dass | |
| gesicherte Nachweise über die Wirkung fehlten. Und dass man den Fokus nicht | |
| nur auf die Politik, sondern auch die Wirtschaft lenken müsse. | |
| So wurde vor zwei Jahren in einem der wenigen gut belegten Fälle der | |
| Börsenkurs eines Technologieunternehmens durch Social Bots per Twitter in | |
| die Höhe getrieben, als im Börsenhandel eingesetzte Algorithmen auf von | |
| Bots verbreitete Gerüchte hin investierten. Die Verluste nach dem Aussetzen | |
| des Handels, die waren dann real. | |
| 30 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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