| # taz.de -- UN-Migrationspakt auf Twitter: Angeblicher Bot-Grusel | |
| > Jeder vierte Tweet zum Migrationspakt soll von einem Bot stammen. Ob wahr | |
| > oder nicht: Wir müssen viele Infos im Netz genau hinterfragen. | |
| Bild: In sozialen Netzwerken gibt es Bots von Beginn an | |
| Es ist etwas passiert. [1][Ein Artikel in der Welt ist erschienen], in dem | |
| berichtet wird, dass 28 Prozent aller Tweets zum [2][UN-Migrationspakt] auf | |
| Social Bots zurückgehen. Das soll eine Studie des Berliner Start-ups | |
| Botswatch herausgefunden haben. | |
| Weitere Ergebnisse der Studie, für die das Start-up 800.000 Tweets | |
| analysiert hat, die zwischen dem 24. November und dem 2. Dezember | |
| veröffentlicht wurden: Der Anteil der Maschinen-Tweets ist angeblich fast | |
| doppelt so hoch wie sonst bei politischen Diskussionen. Es sei die | |
| Behauptung gestreut worden, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit | |
| beim Migrationspakt bewusst zu täuschen versucht habe, dass das Abkommen | |
| rechtlich verbindlich sei. Und während die Studie im Volltext nicht | |
| öffentlich verfügbar ist, zitiert die Welt die Botswatch-Geschäftsführerin | |
| Tabea Wilke mit der Äußerung, das Thema Migrationspakt eigne sich sehr gut, | |
| „die westliche Wertegemeinschaft infrage zu stellen“. | |
| Was natürlich bedrohlich klingt: Maschinen, die in unsere handgemachten | |
| Diskussionen in sozialen Netzwerken eingreifen.Wobei [3][der | |
| Social-Media-Analyst Luca Hammer] die nicht öffentlich einsehbare Studie | |
| umgehend hinterfragte: auf Basis des Welt-Berichts sei nicht | |
| nachvollziehbar, wie Botswatch vorgegangen sei, um die Social Bots zu | |
| identifizieren, twitterte er. Drastischer noch: „Es gibt keine Beweise für | |
| Bots.“ | |
| Doch: Selbst wenn man annimmt, dass die Botswatch-Zahlen stimmen – dass | |
| jeder vierte Tweet zum Migrationspakt von maschinell befüllten Accounts | |
| erzeugt sei –, dann sagt das erst mal wenig über den tatsächlichen Einfluss | |
| auf den politischen Diskurs. | |
| ## Ungelenk und relativ leicht enttarnbar | |
| Social Bots, das sind Maschinen, die in der Kommunikation mit Menschen | |
| vorzugaukeln versuchen, dass sie reale Personen seien. Es gibt sie weit | |
| länger als Twitter: Schon Mitte der 1960er schrieb der Mathematiker Joseph | |
| Weizenbaum „Eliza“ – ein Programm, das sich als Mensch und Psychologe | |
| ausgab: Das waren erste Gehversuche auf dem Weg zu dem, was heute als | |
| Künstliche Intelligenz durchgehypt wird. | |
| Auch in sozialen Netzwerken gibt es Bots von Beginn an. Zum Problem wurden | |
| sie hochgeschrieben, als Besorgnis aufkam, sie würden genutzt, um | |
| politische Stimmungen zu drehen. Als etwa ein Großteil der Tweets zu | |
| #Brexit und #Remain den Social Bots zugeschrieben wurde. Und die Angst groß | |
| war, dass sie auch bei der Bundestagswahl Einfluss haben könnten. | |
| Häufig allerdings wirkten diese Social Bots beim näheren Hinsehen wenig | |
| bedrohlich: in der Vergangenheit twitterten viele Maschinen vor allem Links | |
| zu Spamseiten und Werbung – womit sie höchstens bestimmte Hashtags populär | |
| machten. Komplexere Social Bots, die nicht nur retweeteten, sondern sich | |
| aktiv in Diskussionen einmischten, gelten vielen Experten bis heute als | |
| ungelenk und relativ leicht enttarnbar. Und selbst wenn ein gut gemachter | |
| Bot vom Durchschnittsnutzer nicht hinterfragt, sondern einfach geretweetet | |
| wird: dass ein Mensch auf Basis eines unbekannten Twitter-Accounts seine | |
| Meinung umkrempelt oder bildet, ist Ausdruck viel tiefgreifenderer Probleme | |
| als der der Existenz von Twitter-Automaten. | |
| ## Nicht alles, was im Internet steht, stimmt | |
| Die größte Bedrohung durch Social Bots liegt darin, soziale Netzwerke und | |
| ihre Hashtags als hinreichenden Beleg dafür zu sehen, was Menschen gerade | |
| bewegt, in welche Richtung sie angeblich tendieren. Gegen diese | |
| Fehlwahrnehmung müssen sich vor allem Medien wappnen. Hold the frontpage: | |
| Nicht alles, was im Internet steht, stimmt. | |
| Es gibt sie: die Versuche, Diskurse zu beeinflussen, Falschinformationen zu | |
| streuen. Das ist in den vergangenen zwei Jahren offenkundig geworden – | |
| allerdings wesentlich bedrohlicher durch Einmischungsversuche von | |
| Trollfarmen und koordinierten Social-Media-Raids gegen Andersdenkende, wie | |
| sie Showmaster Jan Böhmermann im Zusammenhang mit Reconquista Germanica | |
| bekannt gemacht hat. | |
| Daraus müssen alle aufgeklärten Internetnutzer lernen. Vor allem die, die | |
| mediale Gatekeeper sind: Stimmungen lassen sich nicht faul vom Schreibtisch | |
| aus von Twitter-Trends ableiten. Ein neues Misstrauen ist nötig. Auch wenn | |
| das mehr Arbeit macht als das Gruseln vor den bösen Meinungsmaschinen. | |
| 10 Dec 2018 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.welt.de/politik/deutschland/plus185205592/Social-Bots-Roboter-m… | |
| [2] /Treffen-zum-UN-Pakt-zur-Migration/!5557857 | |
| [3] https://twitter.com/luca | |
| ## AUTOREN | |
| Meike Laaff | |
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