# taz.de -- Rechtswissenschaftler über Fake News: „Regierung ist nicht die I… | |
> Kampf gegen Fake News im Netz: Rechtswissenschaftler Karl-Heinz Ladeur | |
> regt die Einrichtung privater Schiedsgerichte an. | |
Bild: Leichter gesagt als getan | |
taz: Herr Ladeur, die Bundesregierung plant, gesetzlich gegen sogenannte | |
Fake News vorzugehen. [1][Zum Beispiel mit einem „Abwehrzentrum gegen | |
Desinformation“.] Sie warnen vor solchen staatlichen Maßnahmen. Warum? | |
Karl-Heinz Ladeur: Die sozialen Medien haben bisher im Windschatten des | |
Rechts gelebt, und dafür gibt es Gründe: Was in sozialen Medien | |
veröffentlicht wird, ist eben nicht damit vergleichbar, wie die klassischen | |
Medien ihre Inhalte ins Internet übertragen haben oder wie Blogs agieren, | |
die man als journalistisch gestaltet betrachten kann. Es ist etwas – | |
relativ – Neues. | |
Was folgt daraus? | |
Man muss sich darauf einstellen, dass man dafür auch neue Formen | |
rechtlicher Grenzen braucht. Aber es ist mit dem Grundrecht auf | |
Meinungsfreiheit nicht vereinbar, dass offiziell festgestellt wird, dass | |
etwas falsch ist. Die Regierung ist einfach nicht die richtige Instanz | |
dafür. Nur Gerichte dürfen feststellen, dass ein Beitrag falsch ist, sofern | |
durch ihn die Rechte anderer verletzt werden. | |
Ein Problem ist, dass der Begriff „Fake News“ in unterschiedlichen | |
Zusammenhängen verwendet wird. Mal sind damit Lügen gemeint, mal | |
Verzerrungen eines im Kern realen Sachverhalts, mal Falschmeldungen. Ist | |
der Begriff überhaupt brauchbar? | |
In der juristischen Praxis ist der Terminus nicht etabliert, deshalb ist er | |
für einen Juristen erst einmal problematisch. Man muss verschiedene | |
Sachverhalte unterscheiden, die Sie schon beschrieben haben. Der bisherige | |
Fokus des Rechts richtet sich auf die Herabsetzung von Individuen und | |
Organisationen und auf Fälle, in denen Verfassungsfeinde die politische | |
Ordnung der Bundesrepublik herabsetzen. Falschmeldungen, die nicht direkt | |
gegen Personen gerichtet sind und auch nicht die Verfassungsordnung | |
angreifen, sind insofern eine neue Kategorie, als sie bisher nicht | |
rechtlich relevant waren. | |
Der Schutz vor Beleidigungen, Verleumdungen und so weiter gilt doch aber | |
auch im Netz. | |
Ja, man kann sich diesbezüglich natürlich an die Gerichte wenden, aber mir | |
macht es Sorgen, dass das kaum jemand tut, weil es offenbar als zu | |
umständlich angesehen wird. Lange vor der Diskussion über Fake News war ja | |
bereits zu beobachten, dass im Internet die historisch geltenden sozialen | |
Konventionen kaum noch Beachtung finden und sich | |
Persönlichkeitsverletzungen ausbreiten. | |
Besteht ein Problem nicht daran, dass sich ein Gerücht oder eine erfundene | |
Nachricht innerhalb kürzester Zeit verbreitet? | |
Dafür gibt es keine Patentlösung. Man könnte aber zum Beispiel auch | |
Gegendarstellungen für soziale Netzwerke einführen. Und wenn für einen | |
Beitrag einmal eine Gegendarstellung verfasst wurde, könnte man ihn, wenn | |
er anderswo wiederauftaucht, kommentarlos löschen. Bisher gibt es | |
Gegendarstellungspflichten ja nur für redaktionell-journalistisch | |
aufgemachte Onlineangebote. | |
Solche Gegendarstellungen müsste dann beispielsweise Facebook formulieren? | |
Ja. Da muss bestimmt noch vieles ausprobiert werden. Meines Erachtens ist | |
es nicht so schlimm, wenn es so eine Art Rotlichtbezirk gibt, in dem | |
falsche Meldungen verbreitet werden, solange es einen Großbereich gibt, in | |
dem bestimmte Regeln herrschen. Wichtig ist erst einmal, dass eine | |
gesellschaftliche Verständigung über soziale Regeln für die Kommunikation | |
im Netz überhaupt stattfindet. | |
Wie kann man denn rechtlich mit Beiträgen umgehen, die nur deshalb erfunden | |
werden, um Reichweite im Netz und damit Werbeerlöse zu generieren? | |
Ich kann mir durchaus vorstellen, dass so etwas nach dem Gesetz gegen | |
unlauteren Wettbewerb verfolgt werden kann, denn durch solche Meldungen | |
wird der Verbraucher getäuscht. Ihm wird vorgegaukelt, er habe es mit einem | |
publizistischen Beitrag zu tun. Ich meine aber, dass man so etwas nur in | |
eingeschränktem Rahmen durch Gesetze regeln sollte. Hilfreich wäre hier | |
eher, auf etwas zurückzugreifen, was auch im klassischen Medienrecht mehr | |
und mehr Verbreitung findet: die Regulierung durch Selbstregulierung. | |
Was heißt das? | |
Man muss, wie auch immer man das macht, die Social-Media-Unternehmen dazu | |
nötigen, selbst initiativ zu werden bei der Klärung von | |
Rechtsstreitigkeiten zwischen Nutzern und Dritten. Vorstellbar wäre, dass | |
etwa Facebook ein privates Schiedsgericht installiert. Für den Gesetzgeber | |
ist manchmal gar nicht abzuschätzen, ob etwas wirkt und wie etwas wirkt. | |
Man könnte erst einmal die Arbeit des Schiedsgerichts beobachten und dann | |
später gegebenenfalls eine Gesetzesnorm festlegen. | |
Wer würde in solchen Gremien sitzen? | |
Da müsste man schon Vorgaben machen. Es müssten von den | |
Social-Media-Unternehmen unabhängige Personen sein – nicht notwendigerweise | |
Juristen, aber Personen, die über Kenntnisse im Bereich der Grundrechte | |
verfügen. Vor allem sollte man darauf achten, dass Regeln etabliert werden, | |
die auch in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. | |
[2][Facebook hat angekündigt, die gemeinnützige Rechercheorganisation | |
Correctiv damit zu beauftragen, Posts zu prüfen und diese dann, wenn | |
Correctiv sie für Fake News hält, entsprechend zu markieren.] Ist das | |
rechtlich zulässig? | |
Wir sind in einer Phase, in der sich Recht neu herausbilden muss, da wäre | |
ich erst einmal vorsichtig damit zu sagen, so etwas sei prinzipiell | |
unzulässig. Ich fände es aber sehr bedenklich, wenn eine private Äußerung | |
durch einen anderen privaten Kommunikationsakteur, in diesem Fall durch | |
eine journalistische Plattform, für falsch erklärt wird – mag die | |
Begründung dafür im Einzelfall noch so stichhaltig sein. Das ist mit dem | |
System der Meinungsfreiheit nicht vereinbar. | |
Was ist mit Menschen, die ohnehin kein Vertrauen in derartige Maßnahmen | |
haben? | |
An jenen Teil der Bevölkerung, bei dem ein irrationales Misstrauen gegen | |
den Staat und die klassischen Medien besteht, wird man mit | |
Richtigstellungen nicht herankommen. Wichtig ist es, alle Mittel darauf | |
abzustimmen, dass man die erreicht, die noch erreichbar sind. | |
2 Feb 2017 | |
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## AUTOREN | |
René Martens | |
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